Charles Finch: Die Karte des Todes. Thomas Riedel

Charles Finch: Die Karte des Todes - Thomas Riedel


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sich langsam von Angesicht zu Angesicht, als hoffe er, irgendwo bereits eine Antwort zu finden.

      »Warum fangen wir nicht an!«, forderte Cedric Cantrell. »Ich nehme an, es geht erst einmal um Alibis.«

      »Alibis? Wozu, Mr. Cantrell?«, fragte Bradley.

      »Wozu? … Es geht doch um den Zeitpunkt des Mordes, oder?«

      »Und wann soll der gewesen sein?«

      Cedric starrte den Kriminalbeamten an. Seine Zigarette hing schief in einem Mundwinkel. »Vater starb vor etwa vier Stunden. Ich nehme an …«

      »Ich wünschte, es wäre so einfach«, erwiderte Bradley und seufzte. »Wissen Sie«, er sah in die Runde, »ich habe von Zeit zu Zeit einen Traum. Es ist ein schöner Traum, glauben Sie mir … Ich stelle mir vor, dass ich zu einer Morduntersuchung gerufen werde und kaum, dass ich Vorort bin, jemand vortritt und sich zu der Tat bekennt. Nur geschieht das leider nie. Dabei wäre es wirklich nett und so hilfreich … denn am Ende finden wir es sowieso heraus.« Hoffnungsvoll sah er sich um, aber keiner rührte sich – nur Hazels Hände flatterten.

      »Ich weiß, dass Sie nur Ihre Pflicht tun, Mr. Bradley«, sagte sie. »Aber ich bin mir sicher, Dr. Finch liegt falsch. Ich bin mir sicher, dass da etwas nicht stimmt.«

      »Ich fürchte, Sir irren sich, Mrs. Cantrell. Ich wünschte, es wäre so.«

      Wieder trat Stille ein, nur unterbrochen von einem, wie es schien, sehr lautem Geräusch.

      Dr. Finch besah sich die Zeitschriften auf dem Beistelltisch und holte seine Taschenuhr heraus, um sie aufzuziehen.

      Cedric Cantrell nahm die die Zigarette aus dem Mund. »Es gab eine kritische Zeit, der einige von uns Rechnung tragen mussten«, meinte er.

      »Diese kritische Zeit«, sagte Finch unerwartet, »war wahrscheinlich irgendwo in der Zeit, da sie drei oder vier Jahre alt waren, Mr. Cantrell.«

      »Wovon reden Sie, zum Teufel?«, fragte Cantrell.

      Bradley übernahm. »Ich denke, ich kann Ihnen die Situation verdeutlichen«, erklärte er ihm. »Duncan Cantrells letzter Anfall war vor ungefähr zwei Wochen. Dann kam der heute am Nachmittag. Er nahm natürlich wie immer seine Medizin, nur wirkte die nicht, weil jemand das Medikament gegen Wasser ausgetauscht hatte. Sehen Sie, wohin mich das führt? Dieser Austausch kann jederzeit in den letzten zwei Wochen stattgefunden haben. Es ist unmöglich einen exakten Zeitpunkt festzulegen … und damit für Alibis.«

      Spencer blickte durch die Gläser seiner Hornbrille auf. Er hielt Lucilles Hand so fest, dass seine Fingerknöchel jeder Farbe verloren hatten. »Ich weiß über kriminalistische Ermittlungen ja nicht viel, aber … sind Fingerabdrücke nicht inzwischen gerichtlich als Beweis anerkannt, … und gibt es sonst keine?«

      Bradley schüttelte den Kopf und wartete.

      »Dann … Was zur Hölle …!«, setzte Cedric an.

      »Die Frage, Mr. Cantrell, lautet: Warum?! Allein nach dieser Antwort gilt es zu suchen.«

      »Und deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass das alles ein Fehler ist«, bemerkte Hazel schnell. »Mein Mann war freundlich und großzügig, Inspector. Jeder in diesem Haushalt liebte und respektierte ihn.« Sie schaute fragend, nach Zustimmung suchend, in die Runde. »Ist das nicht so?«

      »Natürlich ist das so!«, entfuhr es Dorothy, in einer Schärfe, die an eine Explosion erinnerte.

      »Wenn Duncan ermordet wurde, wonach es ja offensichtlich aussieht«, warf Elizabeth Evans leise ein, »dann kann das ja wohl nicht an dem sein, nicht wahr?!«

      »Elizabeth!«, missbilligte Hazel sie klagend.

      Elizabeth zuckte nur mit den Schultern. »Hör doch auf! Was nützt es denn so zu tun als ob, Hazel?«

      Hazel erhob sich. Sie streckte eine ihrer lieblichen Hände nach hinten aus, um sich zu beruhigen. In der Weise, wie sie Inspector Bradley gegenüberstand, herrschte eine besondere Art von Würde. »Sie verlangen von mir zu glauben, dass eines meiner Kinder … oder meine Schwester gemordet hat, Mr. Bradley! Ich weigere mich, derartiges auch nur im Entferntesten in Betracht zu ziehen. Ich will nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde darüber nachdenken, verstehen Sie?! Duncan war krank. Er hätte jederzeit sterben können. Er …«

      »Er hätte noch zehn Jahre oder mehr, bei richtiger Fürsorge, haben können, Mrs. Cantrell«, stellte Finch klar, ohne von der Zeitschrift, in die er geblickt hatte, aufzusehen.

      »Ich verstehe Sie nicht, Dr. Finch«, erwiderte Hazel und musterte ihn. »Sie waren immer unser Freund und nun …«

      »Ich war auch Duncans Freund«, gab Finch gelassen zurück. Er legte das Magazin beiseite und sah sie direkt an. »Ich könnte einen Mord ja sogar verstehen und möglicherweise auch entschuldigen, der in einem Anfall der Wut, eines seelischen Ausnahmezustandes, stattgefunden hat. Aber auf diese Weise ist Duncan nicht verstorben. Sein Mörder arrangierte seinen Tod und war bereit geduldig auf den Zeitpunkt zu warten. Daraus muss ich schließen, dass der Tat eine sorgfältige Überlegung und eine eindeutige Entscheidung zugrunde gelegen hat. Der Grundstein für die Angst und der daraus resultierende Hass gegen Duncan, der zu diesem Verbrechen geführt hat, wurde also schon vor langer Zeit gelegt. Die Aufgabe des Inspectors ist es nun, nach dieser Angst, diesem Hass, in einem der Anwesenden zu suchen. Ich wünschte aufrichtig, es wäre anders, und ich hätte ihre Familie verschonen können, Hazel. Aber es war einer aus ihrer Reihe, der die Karte des Todes ausgespielt hat, nicht ich!«

      »Warum sollte sich jemand vor ihm gefürchtet haben?«, wollte Lucille wissen.

      »Oder ihn gehasst haben«, fügte Elizabeth Evans hinzu.

      »Es ist meine Aufgabe, das herauszufinden«, entgegnete Bradley. »Es sei denn, einer von Ihnen ist bereit, mir den Grund jetzt zu nennen, um das hier zu beenden.«

      Niemand sagte etwas, und Hazel ließ sich langsam zurück in den Sessel sinken.

      »Nun, dann lassen Sie uns um Himmels willen anfangen, damit wir es hinter uns bringen«, schnaufte Cedric genervt.

      ***

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