Das letzte Bild. Marc Pain
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Marc Pain
Das letzte Bild
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Inhaltsverzeichnis
Eine vielversprechende Anzeige
»2500: Eine Zukunfts-Novelle« von Marc Pain
»Geh nicht dorthin« von Marc Pain
»Das letzte Bild«
2. Auflage
Gefeuert
Es war ein besonders harter Arbeitstag und ich konnte es kaum noch erwarten endlich nach Hause gehen zu dürfen. Draußen strömte der Regen und es wurde bereits dunkel. Hätte ich heute Morgen gewusst, wie dieser Tag enden würde, hätte ich mir mit Sicherheit nicht den Allerwertesten aufgerissen, sondern wäre gleich in meinem warmen Bett liegen geblieben.
Doch wer kann schon am Morgen wissen, was der Abend einem bringen wird?
Außerdem war ich nicht gerade in der Position mir aussuchen zu können, ob ich aufstehen wollte oder nicht.
Ich war gerade damit beschäftigt die Regale mit Lotionen, Shampoo und anderen Hygieneartikeln aufzufüllen, als plötzlich die tiefe Stimme meines Chefs hinter meinem Rücken erklang.
»Kommen Sie umgehend in mein Büro, sobald Sie hier fertig sind! Beeilen Sie sich!«, patzte er mich an, und ohne ein weiteres Wort zu verlieren und vor allem ohne ein »Bitte« über die Lippen zu bekommen, ging Herr Friedrichs an mir vorbei und verschwand durch die geöffnete Sicherheitstür, die zum Lager des Geschäftes führten.
Meine Arbeit als Einzelhandelskauffrau gefiel mir keineswegs und mein Chef, der milde ausgedrückt ein RIESENGROSSES ARSCHLOCH war, machte es nicht gerade leichter für mich und meine Kollegen.
Vor ungefähr drei Wochen hatte Herr Friedrichs mich von der Kasse ins Lager verdonnert. Mir waren in letzter Zeit einige Fehler unterlaufen und deshalb meinte er, dass es nicht weiter zumutbar sei, wenn ich einen direkten Kontakt mit Geld und zu den Kunden hatte.
Nicht zumutbar – was soll das bedeuten?
Es war ja nicht so, dass ich meine Beherrschung verloren und einen der Kunden angefallen hätte. Noch nicht mal im Ton hatte ich mich vergriffen, und das, obwohl es mich schon seit Langem ankotzt, dass ich meine Freundlichkeit, zu den mehr als unfreundlichen und meist noch arroganten Kunden, vorspielen musste. Dass ich trotz der Gemeinheiten, die mein Chef mir und meinen Arbeitskollegen antat, ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern musste, setzte allem noch die Krone auf. Nicht nur einmal habe ich fälschlicherweise zu wenig, doch meinst zu viel Wechselgeld ausgegeben und dafür habe ich eine Abmahnung bekommen. Das war bereits die Zweite. Die Erste hatte ich vor einem halben Jahr bekommen, weil her Friedrichs einen Pfandbon in meiner Tasche gefunden hatte. Er glaubte mir nicht, dass es meiner war, den ich mitgebracht hatte.
»Schätzen Sie sich glücklich, dass ich Sie nicht fristlos kündige!«, hatte er damals zu mir gesagt und ich machte den Fehler und war froh darüber, nicht gefeuert worden zu sein.
Als ich von der Kasse in das Lager degradiert wurde, wurde auch mein Gehalt einer drastischen Kürzung unterzogen. So war es für mich noch schwieriger meinen elfjährigen Sohn und mich über die Runden zu bringen. Dass Herr Friedrichs erneut und unter vier Augen mit mir sprechen wollte bereitete mir Bauchschmerzen. Das konnte nur etwas Schlechtes bedeuten. Etwas Gutes hatte es auf keinen Fall zur Folge, dessen war ich mir hundertprozentig sicher.
Nachdem ich die letzten Lotionen einsortiert hatte, begab ich mich von der Hocke in eine aufrechte Haltung und verließ den Laden, ebenfalls durch die Sicherheitstür. Im Lager traf ich auf Martin - einen meiner Arbeitskollegen. Er war gerade damit beschäftigt eine der neuen Paletten, mit einem Arbeitsmesser, von der Klarsichtfolie zu befreien. Ich begrüßte ihn mit einem schwachen Lächeln und durchquerte die große Lagerhalle.
Vor einer schwarzen Tür machte ich halt. Auf einem goldenen Schild stand in eingestanzten Buchstaben: Herr Friedrichs/Filialleiter. Mit geballter Faust klopfte ich dreimal gegen das Holz und trat erst dann ein, als die Stimme meines Chefs mich dazu aufforderte.
»Sie wollten mich sprechen, Herr Friedrichs?«
Der schlanke, große Mann mit kurzem, schwarzem Haar und dickem Schnauzer schaute noch nicht einmal auf, als ich den Raum betrat. Die Tür zog ich hinter mir zu und blieb vor seinem Schreibtisch stehen.
»Ja, Frau Walkina!«, sagte er, ohne aufzuschauen, und deutete mit einer Hand auf einen der zwei Stühle, die vor dem Schreibtisch standen. Mit der Anderen durchblätterte er die Seiten eines dicken Aktenordners. Ich setzte mich auf den rechten Stuhl und wischte meine schweißnassen Hände an meiner Jeans ab.
»Frau Walkina, ich …«, begann er und machte danach eine längere Pause. Er sah mir auch weiterhin nicht in die Augen, sondern starrte nach wie vor auf die Seiten des Ordners, »Ich habe Sie in mein Büro bestellt, damit wir über ihre Entwicklung der letzten Monate sprechen können. Zuerst möchte ich allerdings von Ihnen hören was Sie dazu zu sagen haben.«
Erst jetzt ließ er von dem Aktenordner ab und sah mich mit seinen stahlblauen und kalten Augen an. Nahezu gelassen lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück und faltete die Hände. Ich verstand nicht recht, was Herr Friedrichs von mir hören wollte, traute mich aber auch nicht ihn danach zu fragen. Nervös sah ich zu Boden und ließ die letzten Monate noch einmal Revue passieren. Dann holte ich Luft, um