Quasi. SchwarzRund

Quasi - SchwarzRund


Скачать книгу
und persönlicher Ziele. Der haitianische Philosoph Trouillot beschreibt diese koloniale Kontinuität und schlussfolgert daraus, dass dies weiterhin der beste Schutz des globalen Nordens vor einem gemeinschaftlichen Schwarzen Bewußtsein ist. Solch ein Schwarzes karibisches Bewusstsein hätte das Potential, koloniale Kontinuitäten, wie den Neo-Extraktivismus, also die Ausbeutung Mittel- und Südamerikas durch westliche Interessen, zu überwinden. Diese Verbindung von Schönheitsidealen, rassistischer Zuordnungen und politischen Handlungen zu begreifen, ist ein weiterer Baustein, um die Geschehnisse im Jahr 2015 besser einordnen zu können.

      Was macht einen

      dominikanisch?

      2013 gab es eine Gesetzänderung, die 2015 zu Abschiebungen führte. Bereits hier kommt die deutsche Sprache an ihre Grenzen: Im Spanischen und Englischen wird die Übersetzung für das Wort Deportation verwenden, doch im deutschen Kontext ist dies anders. Allerdings suggeriert das Wort Abschiebung, dass vorher eine Migration durch die Person oder zumindest der Eltern stattgefunden hätte. Dies war bei Weitem nicht bei allen der Fall, denn in der Dominikanischen Republik wird die Staatsbürgerschaft durch die Geburt auf dem dominikanischen Boden gewonnen. Deswegen haben viele, vor allem Schwarze Dominikaner*innen, als einziges Dokument ihre Geburtsurkunde, die bis zur Gesetzesänderung als Ausweis diente. Wann immer meine Eltern mit mir eingereist sind, reichte meine Geburtsurkunde, um mich als Bürger*in passieren zu lassen. Der deutsche Staat beißt sich bis heute die Zähne daran aus, uns die doppelte Staatsbürgerschaft zu entziehen. Schließlich kann ich noch so oft gegenzeichnen, die dominikanische Staatsbürgerschaft abzulegen, ich kann nicht ändern, wo ich geboren wurde und welche Rechte damit einher gehen. Allerdings gibt es in dem Gesetz einen kleinen Nebensatz, der im Jahr 2013 geändert wurde: Wer »auf Reisen« geboren worden ist, erhält nicht automatisch die dominikanische Staatsbürgerschaft. Dieses Gesetz wurde ausgeweitet: Wenn die Eltern vor dem Jahr 1929 keine dominikanische Staatsbürgerschaft gekriegt haben, gelten sie nicht als Dominikaner*innen und ihre Kinder wurden somit »auf Reisen« geboren, selbst wenn die Vorfahren seit der Versklavung stets in der Dominikanischen Republik gelebt haben. Über Nacht verloren somit Tausende Dominikaner*innen ihre Staatsbürgerschaft, beziehungsweise die Möglichkeit, diese nachzuweisen. Welches Kind hat schon die Papiere der Verwandtschaft vor dem Jahr 1929 stets bei sich?

      Die Nächte

      Vielleicht wird es dir ein bisschen bitter auf der Zungenspitze, Übelkeit und Unverständnis verschaffen sich den Weg in deine Magenhöhle. So ging es mir damals, doch konnte ich kaum darüber reden, fühlte mich nicht nur wie viele migrierte, queere Linke allein gelassen mit meiner Wut, Empörung und Trauer: Es war darüber hinaus fast unmöglich zu erklären, was dies für mich bedeutete. Bisher kannte ich dieses Problem nur aus der Hurricane Saison, doch das war einfach zu erklären: Es war die Angst davor, dass Verwandte sterben. Etwas, das einfach nachzufühlen ist. Ich konnte das Gefühl der Einsamkeit schnell durch das Gefühl, verstanden zu werden, ersetzen.

      Doch in diesen Nächten, in denen ich versuchte Artikel aus dem Spanischen zu übersetzen, Kampagnen von Amnesty International teilte, in der Hoffnung das andere empfinden würden, was ich empfand, entschloss ich mich, dieses Gefühl des nicht-kommunizierbaren Schmerzes aus der Distanz, in die Geschichte Quasi zu bannen.

      Seit ihrem Erscheinen im Jahr 2015 habe ich auf unzähligen Bühnen genau das erzählt, nach der Lesung Geschichten verschiedenster Minoritäten und Länder erfahren, die ich versuchte, mit den Werkzeugen einzuordnen, die mir meine westliche Bildung gab. Die Verzweiflung in den Gesichtern jener, die merken, dass ihre Geschichte erneut falsch eingeordnet und verstanden wird, konnte ich nachempfinden. Wir haben uns darüber unterhalten – wieder und wieder. La faculdad nannte Anzaldúa dieses empathische Nachempfinden. Denn das eigene Ego und Schamgefühl, darüber etwas nicht zu wissen, darf in diesem Moment nicht Teil der Konversation sein. Punkt. Die Gespräche nach den Lesungen waren für mich das Klassenzimmer, diese Fähigkeit auszubauen, die Realitäten anderer nicht unverzüglich zu kommentieren und einzuordnen, sondern wahrzunehmen, um diesem tiefergehenden Gefühl des Ausgelassen-Werdens aus der Geschichte der Welt soviel Raum zu geben, wie es mir möglich ist.

      Quasi ist weniger ein Fenster, durch das du eine Familie betrachtest, sondern eher ein Account eines Fremden, in den du dich ausversehen eingeloggt hast. Es werden verschiedene Sprachen gesprochen, die du nicht verstehst, Unterhaltungen brechen ab, ohne dass es dir nachvollziehbar scheint. Diese Geschichte ist eine Spur, ein Fragment der Konsequenzen des über Jahrhunderte anhaltenden Projektes der Kolonialisierung und des Widerstandes.

      SchwarzRund, 2020

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4RTERXhpZgAATU0AKgAAAAgADAEAAAMAAAABBRIAAAEBAAMAAAABCE8AAAECAAMAAAADAAAA ngEGAAMAAAABAAIAAAESAAMAAAABAAEAAAEVAAMAAAABAAMAAAEaAAUAAAABAAAApAEbAAUAAAAB AAAArAEoAAMAAAABAAIAAAExAAIAAAAfAAAAtAEyAAIAAAAUAAAA04dpAAQAAAABAAAA6AAAASAA CAAIAAgACvyAAAAnEAAK/IAAACcQQWRvYmUgUGhvdG9zaG9wIDIzLjIgKFdpbmRvd3MpADIwMjI6 MDQ6MTAgMjI6Mjc6MTIAAAAEkAAABwAAAAQwMjMxoAEAAwAAAAEAAQAAoAIABAAAAAEAAAcnoAMA BAAAAAEAAAu4AAAAAAAAAAYBAwADAAAAAQAGAAABGgAFAAAAAQAAAW4

Скачать книгу