Your Man. Sarah Glicker
„Fair?“
Ich weiß genau, wovon er spricht. Doch ich ziehe es vor so zu tun, als hätte ich keine Ahnung. In der Vergangenheit habe ich die Erfahrung gemacht, dass mein Gegenüber so am besten seinen Standpunkt erklären kann.
„Er bekommt mehr als ich und das scheint mir nicht fair zu sein“, erklärt er nun. „Partner sollten immer mindestens gleich viel bekommen.“
Mir liegen die Worte auf der Zunge, dass er in der Vergangenheit sich auch noch nie dafür interessiert hat. Allerdings schaffe ich es, sie für mich zu behalten, bevor sie mir über die Lippen kommen.
„Wir tragen das größere Risiko“, erinnere ich ihn.
Ich bin mir sicher, dass ich das nicht muss, schließlich weiß er es genau. Der Unterschied ist nur, dass es ihm egal ist. Allerdings habe ich mir das schon in dem Moment gedacht, in dem mein Vater mir von diesem Plan berichtet hat. Und das wiederum habe ich auch meinem Vater mitgeteilt.
Sogar Cody wusste es.
Allerdings wollte unser Vater nichts davon hören. Er hat mir nur aufgetragen, dass ich einfach mit dieser Idee herfahren soll.
„Größeres Risiko!“, winkt er ab und zeigt mir so, was er davon hält.
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, während ich überlege, wie ich darauf am besten reagieren soll. Ich bin noch nie an einen so sturen alten Sack geraten, wie bei ihm. Ich bin mir sicher, dass seine Frau und seine Tochter es nicht immer einfach mit ihm haben.
Doch das ist eindeutig nicht mein Problem.
In dem Moment, in dem ich den Mund öffnen will, um noch etwas zu erwidern, steht er auf.
„Sollte dein Vater es sich anders überlegen, kann er sich gerne bei mir melden“, verkündet er mit einer gewissen Genugtuung in der Stimme.
„Sind Sie sich sicher, dass Sie keine Fragen mehr haben?“, frage ich ihn, wobei ich die Überraschung erfolgreich für mich behalte.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich solche Gespräche führe. Allerdings ist es das erste Mal, dass mir ein so unfreundlicher Mensch in die Quere kommt.
Ich würde gerne wissen, wieso mein Vater in der Vergangenheit immer wieder Geschäfte mit ihm gemacht hat. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich ihn schon lange zum Teufel geschickt. Doch es ist nicht mein Problem.
„Das bin ich“, erklärt er.
In der nächsten Sekunde gibt er zwei seiner Männer ein Zeichen, die sich daraufhin neben ihn stellen und ihre Waffen ziehen. Noch im selben Augenblick machen meine dies ebenfalls.
Wenn er meint, dass er hier und jetzt eine Schießerei anfangen muss, kann er das gerne machen. Allerdings weiß ich, dass meine Männer besser ausgebildet sind als seine. Daher stehen seine Chancen sehr schlecht.
„Mein Junge, du hast noch viel zu lernen“, erklärt Michael nun.
„Erstens bin ich nicht Ihr Junge. Zweitens bin ich sehr gut in meinem Job. Der besteht allerdings nicht darin, dass ich potenzielle Geschäftspartner überreden werde. Jeder sollte für sich entscheiden, ob er dabei ist, oder nicht.“
Ich zucke mit den Schultern und werfe ihm einen gleichgültigen Blick zu. Auf diese Weise zeige ich ihm, dass seine Antwort mich kaltlässt. Und ich weiß, dass ihn das am meisten stört.
Einige Sekunden sieht er mich nachdenklich an, ehe er fortfährt.
„Dein Vater wäre sicherlich nicht erfreut darüber, wenn er wüsste, wie du dich einem alten Freund gegenüber verhältst.“
„Wenn er wüsste, was besagter Freund mit mir spricht, wäre es ihm egal.“
Während ich rede, lasse ich ihn nicht aus den Augen. Bei Männern wie ihm weiß man nie, was sie als Nächstes machen werden.
Doch er lacht nur, dreht sich dann um und setzt sich in seinen Wagen.
Mein Gefühl sagt mir, dass das noch lange nicht vorbei ist. Keine Ahnung, woher ich diese Gewissheit nehme, doch sie ist da und lässt sich auch nicht zur Seite schieben.
Dabei wünsche ich mir, dass ich mich irre.
1
Brad
„Brad“, ruft Taylor, als ich aus meiner Wohnung komme.
Während ich die Tür hinter mir schließe, drehe ich mich in seine Richtung und sehe, dass er mit großen Schritten auf mich zu kommt. Er sieht so aus, als hätte er es eilig, allerdings habe ich keine Ahnung, wieso das so ist.
„Hi“, begrüße ich meinen Bruder, nachdem ich ihn betrachtet habe. Dabei kann ich mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.
Seitdem er in dem ehemaligen Haus unserer Großeltern gemeinsam mit Laura wohnt, welches sich auf der anderen Seite des Grundstücks befindet, sieht man ihn nicht mehr sehr oft. Eigentlich sehe ich ihn zurzeit nur, wenn es einen Notfall gibt, um den wir uns kümmern müssen, oder wir etwas besprechen müssen. Aber ich weiß, dass es den beiden guttut, daher finde ich es auch gut. Außerdem ist er ja nicht aus den Augen, nur weil wir nicht mehr in einem Haus wohnen.
Obwohl er noch immer mittendrin ist, ist sein Leben ruhiger geworden und er hat endlich den Abstand zu allem bekommen, den er gebraucht und sich immer gewünscht hat. Dennoch ist er in Reichweite und kann sich um seinen Teil der Geschäfte kümmern.
„Habt ihr euch fertig eingerichtet?“, frage ich ihn und sehe ihn neugierig an.
Ich gebe zu, dass ich ihn auch ein wenig damit aufziehe. Wobei ein wenig noch leicht untertrieben ist.
In den letzten Wochen hat er kein Geheimnis daraus gemacht, dass die Einrichtung eines Hauses definitiv nicht sein Ding ist. Daher hat er das meiste auch Laura überlassen, die wiederum Hilfe von Rachel bekommen hat.
Gemeinsam sind sie durch die Baumärkte spaziert und haben mehrere Möbelhäuser besucht. Auch wenn ich in diesem Teil nur ein Außenstehender bin, finde ich, dass beide gute Freundinnen geworden sind. Und das freut mich, denn ich weiß, dass man in unserem Geschäftsbereich eindeutig Freunde braucht, mit denen man über alles sprechen kann.
„Ich glaube, es fehlen noch ein paar Kleinigkeiten. Aber ich denke, dass das meiste endlich da ist. Zumindest hoffe ich das“, überlegt er und verzieht dabei ein wenig das Gesicht.
Lachend schlage ich ihm auf die Schulter.
„Das ist der Grund, wieso ich keine Freundin habe und lieber Single bin. Ich brauche mich mit solchen Dinge nicht rumschlagen und bin glücklich in meiner minimalistisch eingerichteten Wohnung.“
„Ja, deine Wohnung ist wirklich sehr minimalistisch eingerichtet.“ Ich erkenne den belustigten Unterton in seiner Stimme, gehe jedoch nicht näher darauf ein.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an. Ich warte darauf, dass er noch etwas von sich gibt, aber das macht er nicht. Allerdings spricht sein Blick für sich. Ich bin mir sicher, dass ihm die Worte auf der Zunge liegen, dass er mir das nicht glaubt. Doch dem ist so.
Ich habe alles, was ich brauche und bin so glücklich. Um genau zu sein habe ich keinen Grund, wieso es nicht so sein sollte.
„Ich brauche deine Hilfe“, verkündet er nun.
„Was gibt es denn?“
„Ich muss dringend in den neuen Club. Da gibt es irgendwelche Probleme mit einer Stromleitung, die ich mir ansehen muss. Wenn ich sie richtig verstanden habe, geht es darum, dass eine Wand wohl eingerissen werden muss, oder so. Ehrlich gesagt war es so laut im Hintergrund, dass ich kaum ein Wort verstanden habe. Daher könnte es auch ein ganz anderes Problem sein. Deswegen habe ich gehofft, dass du die Anmeldung von Laura zum College bringen kannst. Sie will ihr Studium, welches sie in Deutschland vor dieser ganzen Geschichte begonnen hat, hier beenden.“
Bittend verzieht er das