Chip Chips Jam - 3.. Isabell Sommer

Chip Chips Jam - 3. - Isabell Sommer


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mehr sich selbst als seinen Vater. Sketchy spielte nervös an seinem Handy herum, als er einen sehr vernünftigen Vorschlag brachte: „Herr Sommer, vielleicht sollten wir doch besser einen Krankenwagen anrufen? Es dauert sicher noch etwas, bis Ihre Frau hier ist.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, kam schon die rostige Schrottlaube der Sommers den Radweg entlang gefahren. Der Verletzte lachte kurz auf und deutete auf das herannahende Fahrzeug. „Da kommt doch schon mein privater Krankenwagen!“ Joes Mutter brachte das Auto kurz vor der Gruppe zum Stehen und stieg hektisch aus. Beinahe wäre sie dabei über ihre eigenen Beine gestolpert. Im Laufschritt spurtete sie zu dem Verletzten hinüber und beugte sich tief über ihn. „Was machst du denn für Sachen?“ Dann wandte sie sich an die Jungs. „Los, helft mir ihn ins Auto zu bringen. Am besten ist es wahrscheinlich, wenn ich ihn von der rechten Seite nehme. Joe, du stützt ihn links, und Sketchy hält zur Sicherheit die Hände. Goofy kann die Autotüre öffnen!“ Gesagt, getan! Trotzdem war das Vorhaben Herrn Sommer ins Auto zu bringen für alle Beteiligten – mit Ausnahme von Goofy – alles andere als einfach. Immerhin war sein Vater 1,90 m groß und relativ breit gebaut, was sich an seinem Körpergewicht deutlich bemerkbar machte. Frau Sommer hingegen war eine sehr zierliche Frau, und Joe und Sketchy waren leider auch nicht allzu stark auf der Brust. Nach langem, mühevollen Ziehen und Zerren floss der Schweiß in Strömen, aber immerhin: Der Patient saß endlich im Auto. Bevor die Fahrt allerdings losgehen konnte, wandte sich Frau Sommer noch an ihren Sohn: „Hör zu, Joe: Ich fahre jetzt mit Papa ins Krankenhaus Mariahilf. Kommst du mit oder fährst du erstmal nach Hause?“ Was für eine Frage! Natürlich wollte nicht nur Joe, sondern auch der Rest der Truppe wissen, was nun mit Herrn Sommer war. Wie aus der Pistole geschossen antworteten die drei Jungs beinahe zeitgleich: „Wir kommen mit!“ Frau Sommer schüttelte den Kopf entschlossen: „Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich euch drei jetzt auch noch mit dem Auto mitnehme? Trainiert ihr nur eure Fitness, schließlich sind es nur ein paar Kilometer nach Neu-Wulmstorf. Bis ihr da seid, wissen wir vielleicht schon mehr. Also, bis nachher!“ Damit stieg sie rasch in den Wagen und fuhr in Richtung Krankenhaus davon. Schweigend blickten die Jungs dem Auto hinterher. Der Unfall hatte sie doch sehr mitgenommen, obwohl es für einen Boarder durchaus nicht ungewöhnlich war, sich beim Training gelegentlich den ein oder anderen Knochenbruch zuzuziehen. Normalerweise traf dieses Schicksal aber eher die Kinder und weniger die Väter. Sketchy fand als Erster der drei seine Sprache wieder: „So, das war’s mit unserem tollen Hauptgewinn beim Contest! Amerika ist damit gestorben!“ Goofy starrte ihn daraufhin an, als habe er gerade ein Ufo landen sehen. Auch Joe schaute etwas ratlos aus der Wäsche. Daran hatte bis jetzt noch keiner gedacht! Natürlich stand mit dem Unfall die Reise nach Amerika auf sehr wackeligen Beinen. Joes Vater schied damit als Begleitperson aus. Nur, wo um Alles in der Welt, sollte es den Chip Chips Jam gelingen, so schnell Ersatz für ihn aufzutreiben? Goofys Augen glänzten verdächtig, und auch Sketchy und Joe kämpften gegen die Tränen der bitteren Enttäuschung an. Schweigend machten sie sich trotz alledem auf den Weg in Richtung Neu-Wulmstorf. Keiner des Teams hatte so richtig Freude an der langen Fahrt, obwohl sie normalerweise die glücklichsten Menschen auf der Welt waren, solange die Räder unter ihren Skateboards nur rollten. Nur heute war alles anders. Jeder der Chip Chips Jam versuchte auf seine Art und Weise, damit fertig zu werden, dass ihr großer Traum wie eine Seifenblase zu platzen drohte. Ohne einen erwachsenen Begleiter konnte die Reise nach Amerika nicht stattfinden. So stand es zumindest unmissverständlich im Anschreiben von „Santa Cruz“. Aus irgendwelchen „Haftungsgründen“. Was das genau bedeutete, verstand zwar keiner der Jungen, aber eigentlich war es auch egal. Die Bedingungen standen fest und daran mussten sie sich halten. Ob sie wollten oder nicht. In der Ferne erhob sich zwischen den Baumwipfeln imposant das Krankenhaus Mariahilf. Von außen wirkte die Klinik eher wie der Palast der Königin von England. Goofy pfiff spitz durch die Finger. „Wow, das nenne ich aber schick! Dein Vater muss eine gute Krankenkasse haben!“ Joe verstand nicht genau, was er damit sagen wollte. Aber ehrlich gesagt war ihm das heute auch ziemlich egal. Vor dem langen Säulengang, der zum Eingang des Krankenhauses führte, waren links und rechts zwei blaue Fahrradschuppen aufgestellt. Dort stellten die Jungs ihre Boards im hinterletzten Winkel ab, um auch sicher zu gehen, dass sie auch wirklich nicht gestohlen wurden. Joe trieb zur Eile an. Ihm brannte es unter den Nägeln zu erfahren, was mit seinem Vater war. „Nun, kommt schon! Ich will jetzt nach Papa sehen!“ „Mach’ keinen Stress, wir sind doch unterwegs“, maulte Goofy pampig. Gemeinsam schlenderten sie den Säulengang entlang und betraten durch die elektrische Schiebetüre die Empfangshalle des Krankenhauses. Hektisches Treiben schlug ihnen entgegen. Viele kranke Menschen mit Bademänteln bekleidet scharten sich um den kleinen Kiosk, der Lebensmittel, Blumen und Zeitschriften zum Verkauf anbot. Hinter dem Informationsschalter standen zwei freundlich lächelnde Damen in weißen Kitteln und warteten darauf, Patienten und Angehörigen weiterhelfen zu können. Joe ging direkt auf die beiden zu. „Guten Tag. Mein Name ist Joe Sommer. Mein Vater ist vor ca. einer halben Stunde hier in die Notaufnahme eingeliefert worden. Können Sie mir bitte sagen, wo ich ihn finde?“ Die etwa 40-jährige Angestellte des Krankenhauses nickte ihm kurz zu und begann dann in ihren Computer zu tippen. Sie blickte kurz auf und griff zum Telefon. „Empfang, hier. Habt ihr einen Herrn Sommer bei euch in Behandlung? Mhm

      Alles klar, ich weiß Bescheid.“ Sie legte den Hörer zurück auf die Gabel und wandte sich wieder Joe zu. „Okay Junge, hör zu: Dein Vater ist bereits auf Station. Zimmer Nr. 212, 2. Stock. Der Lift befindet sich um die Ecke rechts.“ Joe bedankte sich und machte sich in Begleitung von Sketchy und Goofy auf den Weg zu den Fahrstühlen. Vor dem Aufzug standen bereits einige Ärzte und Schwestern, die darauf warteten nach oben transportiert zu werden. „Kling“ - endlich öffneten sich die Türen zum Einstieg. Während der Fahrt nach oben entstand das für Aufzugsfahrten so typische, peinliche Schweigen. Jeder starrte auf den Boden und hoffte, möglichst schnell wieder aussteigen zu dürfen. Endlich stoppte der Lift im zweiten Stock ruckartig. Über der Stationstüre war ein Schild mit der Aufschrift „Unfallchirurgie“ angebracht. Sketchy, der geistige Überflieger der Truppe, fing sofort an Joe und Goofy ungefragt zu erklären, was dies genau bedeuten sollte. „Da werden die Leute, die einen Unfall oder so hatten, operiert. Aufgeschnitten, versteht ihr?“ Goofy nervte die besserwisserische Art seines Freundes gelegentlich ziemlich. So auch heute. „Sketchy, wir sind keine Idioten!!! Auch wenn du dich für ziemlich schlau hältst, erspar’ uns dein Wichtiggetue!“ Sketchy zuckte auf die barsche Antwort seines Freundes nur beleidigt mit den Schultern. Eigentlich meinte er es gut und wollte seinen Freunden nur die Welt erklären. Warum Goofy darauf immer so verärgert reagierte, konnte er beim besten Willen nicht verstehen. Aber gut, dann sagte er eben nichts mehr. Zimmer 212 lag genau am Ende des langen, mit Neonröhren beleuchteten Gangs. Sogar auf dem Türschildchen war Herr Sommer bereits vermerkt. Joe klopfte kurz gegen die Türe und betrat dann das Zimmer gefolgt von seinen zerstrittenen Freunden. Sein Vater lag in einem weiß bezogenen Krankenbett am Fenster. Das Bein war von der Ferse bis zum Oberschenkel eingegipst und lag etwas erhöht auf einer Schaumstoffschiene. Herr Sommer lächelte den Jungs tapfer entgegen. „Hallo, habt ihr denn gut hergefunden? Mama ist gerade unten und klärt die Formalitäten. Kommt, setzt euch zu mir!“ Etwas schüchtern traten Joe, Goofy und Sketchy näher. Das Bett neben Herrn Sommer war mit einem etwa 60-jährigen Mann belegt, dessen Gesichtausdruck alles andere als freundlich war. Joe setzte sich neben seinen Vater auf den Bettrand, während Goofy und Sketchy die beiden Besucherstühle unter dem kleinen Tisch quietschend hervorzogen. Genervt seufzte der Bettnachbar auf. Als Joes Vater gerade anfing haarklein zu erzählen, dass der Arzt einen doppelten Beinbruch festgestellt hatte, öffnete sich die Türe und Frau Sommer trat wieder ins Krankenzimmer. „So, alles erledigt! Jetzt bist du auch offiziell Patient hier“, sagte sie und streichelte ihrem Mann zärtlich über den Kopf. Goofy hörte geduldig zu, aber wenn er nicht gleich platzen wollte, dann musste er jetzt einfach fragen. Zaghaft begann er: „Herr Sommer, die Sache mit Ihrem Bein tut mir wirklich sehr Leid. Sie können uns jetzt wahrscheinlich nicht mit nach Amerika begleiten?“ Im Gesicht des Kranken spiegelte sich tiefe Enttäuschung wider, als er den Kopf schüttelte und antwortete: „Nein, ich fürchte bis nächste Woche bin ich nicht wieder fit!“ Sofort mischte sich Frau Sommer ein: „Kinder, es geht hier um wesentlich wichtigere Dinge als die Reise in die USA. Nämlich um die Gesundheit! Ihr werdet euch wohl oder übel damit abfinden müssen, dass der Urlaub nichts wird. Tut mir Leid!“ Die Jungs machten ein Gesicht, als würde morgen die Welt untergehen. Joe war nicht traurig, er war stocksauer! Ihn packte eine unbändige Wut. Die Chip Chips Jam konnten ihren Boarderkurs mit den Pros vergessen, nur weil sein Vater so leichtsinnig


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