Gefährliche Liebschaften. Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos

Gefährliche Liebschaften - Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos


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bemerkt, und ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre. Sehen Sie, so verbringe ich seit vier Tagen mein Leben.

      An jenem Tag, gnädige Frau, ja ich will es Ihnen sagen, gerade an jenem Tage hat mir der Chevalier von Danceny geschrieben. O! ich schwöre Ihnen, als ich den Brief fand, wußte ich gar nicht was das war; aber ich will nicht lügen und muß sagen, daß ich viel Vergnügen empfand als ich ihn las. Sehen Sie, ich möchte lieber mein ganzes Leben lang leiden, als daß er mir den Brief nicht geschrieben hätte. Ich wußte wohl, ich dürfe ihm das nicht sagen, und ich kann Ihnen versichern, daß ich erklärte, ich zürne ihm darüber, er aber sagte, es wäre stärker als er gewesen, und ich glaube es auch, denn ich hatte mir vorgenommen, ihm nicht zu antworten, und doch konnte ich mich nicht enthalten, es doch zu tun.

      Ich habe ihm nur ein allereinzigesmal geschrieben, und das eigentlich nur, um ihm zu sagen, er dürfe mir nicht mehr wieder schreiben – und trotzdem schreibt er mir wieder und wieder; und da ich ihm nicht antworte, sehe ich, daß er traurig ist, und das betrübt mich immer mehr; so daß ich gar nicht mehr weiß, was tun, und ich bin sehr zu bedauern.

      Sagen Sie mir bitte, gnädige Frau, wäre es wirklich schlecht, wenn ich ihm von Zeit zu Zeit antwortete? Nur so lange, bis er es über sich bringt, mir nicht mehr zu schreiben und mit mir zu verkehren wie früher, denn wenn das so fort geht, weiß ich nicht, was aus mir werden soll. Sehen Sie, als ich seinen letzten Brief las, mußte ich ohne Aufhören weinen, und wenn ich ihm jetzt wieder nicht antworte, wird es uns viele Schmerzen machen.

      Ich will Ihnen auch seinen Brief schicken, oder besser eine Abschrift davon und Sie können selbst urteilen. Sie werden gleich sehen, daß er nichts Unrechtes verlangt. Wenn Sie aber finden sollten, daß sich das nicht schickt, so verspreche ich Ihnen, nicht zu antworten; aber ich glaube, Sie denken wie ich und werden nichts Schlechtes darin finden.

      Weil ich doch schon schreibe, erlauben Sie mir, gnädige Frau, noch eine Frage an Sie zu stellen. Man hat mir gesagt, daß es schlecht sei, jemanden zu lieben, aber warum denn? Was mir die Frage aufdrängt, ist, daß der Chevalier von Danceny gesagt hat, daß es gar nicht schlecht wäre, und daß fast alle Menschen lieben. Wenn das so ist, so sehe ich gar nicht ein, warum ich die einzige Ausnahme machen sollte. Oder ist das nur etwas Schlechtes für die Fräuleins? Denn ich hörte Mama selbst einmal sagen, daß Frau von D... Herrn M... liebe, und sie sprach darüber nicht, als ob das etwas Schlechtes wäre und doch bin ich überzeugt, daß sie über mich böse würde, wenn sie nur ahnte, daß ich für Herrn Danceny Freundschaft empfinde. Mama behandelt mich noch immer wie ein Kind und sagt mir gar nichts. Ich glaubte, sie wolle mich verheiraten, als sie mich aus dem Kloster nahm, jetzt scheint mir aber das nicht; doch ich versichere Ihnen, daß mich das gar nicht bekümmert. Aber Sie, die Sie Mamas Freundin sind, Sie wissen gewiß, was daran ist, und wenn Sie es wissen, hoffe ich, werden Sie es mir sagen, nicht wahr? Jetzt habe ich einen sehr langen Brief geschrieben; aber da Sie mir erlaubten, Ihnen zu schreiben, benutzte ich die Gelegenheit, Ihnen alles zu sagen und rechne dabei auf Ihre Freundschaft.

      Paris, den 23. August 17..

      C:\Users\Jürgen\Pictures\Historische e-books\Bilddatenbank\nur nackt\Img563.jpgAchtundzwanzigster Brief

      Der Chevalier Danceny an Cécile Volanges.

      Wie, mein Fräulein, Sie wollen mir immer noch nicht antworten? Kann Sie denn gar nichts milder stimmen? Und jeder Tag nimmt die Hoffnung, die er brachte, wieder mit sich fort. Was für eine Freundschaft, die Sie zugeben, besteht denn zwischen uns, wenn die Ihre nicht einmal stark genug ist, sich meiner Leiden zu erbarmen? Wenn Sie kalt und ruhig zusehen, wie in mir ein Feuer brennt, das ich nicht zu löschen vermag? Wenn diese Freundschaft, weit davon Ihnen Vertrauen einzuflößen, nicht einmal so groß ist, Ihr Mitleid zu wecken? Ihr Freund leidet und Sie tun nichts, um ihm zu helfen. Er verlangt bloß ein Wort von Ihnen und Sie versagen es ihm und wollen, daß er sich mit einem so schwachen Gefühle begnügt, dessen Versicherung Sie sich zu wiederholen fürchten!

      Sie wollen nicht undankbar sein, sagten Sie gestern. Glauben Sie mir, mein Fräulein, mit Freundschaft die Liebe erwidern wollen, das heißt nicht die Undankbarkeit fürchten, das heißt nur Angst haben, undankbar zu scheinen. Doch nichts mehr von meinen Gefühlen, die Ihnen ja nur lästig sind, weil sie Sie nicht interessieren; ich muß sie in mich verschließen, bis ich sie unterdrücken lerne. Ich weiß, wie schwer mir das werden wird, und ich täusche mich darüber nicht, daß ich alle meine Kräfte dazu brauchen werde; aber ich will alle Mittel versuchen, von denen mir eines ganz besonders schwer wird, und das ist, Ihnen immer wieder zu sagen, wie fühllos Ihr Herz ist. Ich will sogar versuchen, Sie seltener zu sehen, und ich beschäftige mich schon damit, einen plausiblen Grund dafür zu finden.

      Ach, ich soll die süße Gewöhnung aufgeben, Sie jeden Tag zu sehen! Ein ewiges Unglücklichsein wird meine zärtliche Liebe lohnen und Sie werden es so gewollt haben, und es wird Ihr Werk sein! Niemals, das fühle ich, werde ich das Glück wiederfinden, das ich heute verliere. Sie allein waren für mich geschaffen, und wie gerne würde ich das Gelübde tun, nur für Sie zu leben! Sie aber wollen es nicht annehmen, und Ihr Stillschweigen lehrt mich zur Genüge, daß Ihr Herz nichts für mich empfindet. Das ist der sicherste Beweis Ihrer Gleichgültigkeit, und die grausamste Art, es mich wissen zu lassen. Leben Sie wohl, mein Fräulein.

      Ich darf nicht mehr auf eine Antwort hoffen; die Liebe hätte sie eilig geschrieben, die Freundschaft mit Vergnügen und selbst das Mitleid mit Gefälligkeit. Aber Mitleid, Freundschaft und Liebe sind Ihrem Herzen gleich fremd.

      Paris, den 23. August 17..

      Neunundzwanzigster Brief

      Cécile Volanges an Sophie Carnay.

      Ich habe Dir zwar selbst gesagt, Sophie, daß es Fälle gibt, in denen man schreiben darf, und doch versichere ich Dir, daß ich mir Vorwürfe mache, Deinem Rat gefolgt zu sein, der dem Chevalier Danceny und mir viel Kummer bereitet hat. Die Probe, daß ich recht hatte, ist, daß Frau von Merteuil, die das gewiß gut versteht, schließlich auch gedacht hat wie ich. Ich habe ihr alles gestanden. Erst sprach sie gerade so wie Du, aber nachdem ich ihr alles erzählt hatte, gab sie zu, daß da doch ein Unterschied wäre; sie verlangt nur, daß sie alle meine Briefe zu sehen bekommt, ebenso diejenigen des Chevaliers, um sicher zu sein, daß ich nichts als das Notwendigste sage. Jetzt fühle ich mich ruhig. Gott, wie ich diese Frau von Merteuil liebe! Sie ist so gut und eine so achtbare Dame. Und so ist alles in Ordnung.

C:\Users\Jürgen\Pictures\Historische e-books\Bilddatenbank\nur nackt\Img486.jpg

      Nun will ich gleich an Herrn Danceny schreiben, und wie froh wird er sein! Mehr noch als er erwartet; denn bis jetzt sprach ich nur von meiner Freundschaft für ihn, und er wollte immer, ich sollte von meiner Liebe sprechen. Ich glaubte eben, das wäre dasselbe, aber ich traute mich nicht, er aber wollte es. Ich sagte es Frau von Merteuil und sie sagte, ich hätte recht getan, und daß man nur von Liebe sprechen soll, wenn man nicht mehr anders könne. Jetzt bin ich aber überzeugt, daß ich es nicht mehr länger verbergen kann, und im übrigen ist es ja dasselbe und es wird ihm um so mehr Freude machen. Frau von Merteuil sagte mir, sie würde mir auch Bücher leihen, die von all dem handeln und die mich lehren würden, mich richtig darin zu betragen, und auch besser zu schreiben als ich es tue. Denn siehst Du, sie macht mich auf alle meine Fehler aufmerksam, und das ist doch ein Beweis, daß sie mich sehr liebt. Sie hat mir nur empfohlen, Mama nichts von den Büchern zu sagen, weil das aussehen könnte, als hätte Mama meine Erziehung vernachlässigt und das könnte sie ärgern. Ich werde ihr auch nichts davon sagen.

      Es ist doch eigentlich sonderbar, daß eine Frau, die kaum mit mir verwandt ist, sich mehr um mich kümmert als meine Mutter. Es ist wirklich ein Glück für mich, mit ihr bekannt zu sein. Sie hat Mama gebeten, daß sie mich übermorgen in die Oper mitnehmen dürfe in ihre Loge und sie sagte mir, daß wir ganz allein sein werden und daß wir uns die ganze Zeit dabei unterhalten können ohne zu fürchten, daß man uns dort hört. Und das ist mir noch lieber als die Oper. Wir werden uns auch über meine Heirat unterhalten; denn sie sagte mir auch, daß das wahr wäre mit dem Verheiraten, aber mehr wüßte sie auch nicht darüber.


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