Das Geld. Emile Zola
dem vernünftigen Blick Frau Carolines, die ebenfalls lächelte, aber skeptisch, sogar ein wenig verärgert, und er schämte sich seiner Begeisterung.
»Trotzdem werden wir, mein lieber Hamelin, gut daran tun, diese Krönung des Gebäudes, wie Sie sagen, geheimzuhalten. Man würde sich über uns lustig machen. Und dann ist unser Programm schon mächtig überlastet, es ist angebracht, seine letzten Konsequenzen, das ruhmreiche Ende, allein den Eingeweihten vorzubehalten.«
»Zweifellos, das ist immer meine Absicht gewesen«, erklärte der Ingenieur. »Dies wird das Mysterium sein.«
Und auf dieses Wort hin wurde an jenem Tag endgültig beschlossen, die Mappe auszubeuten, die ganze lange Reihe von Vorhaben in Angriff zu nehmen. Man wollte damit beginnen, ein bescheidenes Kreditinstitut zu schaffen, um die ersten Geschäfte zu tätigen; wenn dann der Erfolg half, konnte man sich allmählich zum Herrn des Marktes aufschwingen und die Welt erobern.
Als Saccard am nächsten Tag zur Fürstin dʼOrviedo hinaufging, um eine Weisung für das »Werk der Arbeit« entgegenzunehmen, kam ihm die Erinnerung an den Traum wieder, mit der er einen Augenblick lang geliebäugelt hatte, nämlich der Prinzgemahl dieser Königin des Almosens, der schlichte Verteiler und Verwalter des Vermögens der Armen zu werden. Und er lächelte, denn er fand das jetzt ein wenig läppisch. Er war dazu geschaffen, Leben zu zeugen, und nicht, die Wunden zu verbinden, die das Leben geschlagen hat. Endlich sollte er wieder an seinem Platz stehen, mitten in der Schlacht der Interessen, und am Wettlauf um das Glück teilnehmen, der von Jahrhundert zu Jahrhundert der Marsch der Menschheit zu größerer Freude und zu mehr Licht gewesen ist.
Am selben Tag traf er Frau Caroline allein im Zeichenraum an. Sie stand an einem der Fenster, wo das Erscheinen der Gräfin Beauvilliers und ihrer Tochter im Nachbargarten zu ungewohnter Stunde sie festhielt Die beiden Frauen lasen mit dem Ausdruck großer Traurigkeit einen Brief, zweifellos ein Brief des Sohnes Ferdinand, dessen Lage in Rom nicht gerade glänzend sein mochte.
»Schauen Sie«, sagte Frau Caroline, als sie Saccard gewahrte. »Noch ein neuer Schmerz für diese Unglücklichen. Die Bettlerinnen auf der Straße tun mir weniger leid.«
»Ach was!« rief er fröhlich aus. »Sie müssen sie bitten, mich zu besuchen. Wir werden auch sie reich machen, da wir ja jedermann zum Glück verhelfen.«
Und in seiner glücklichen, fieberhaften Erregung suchte er ihre Lippen, um sie zu küssen. Aber mit einer schroffen Bewegung hatte sie den Kopf weggezogen und war, von plötzlichem Unbehagen befallen, ernst und blaß geworden.
»Nein, bitte nicht.«
Seitdem sie sich ihm in einem Augenblick mangelnder Selbstkontrolle hingegeben hatte, versuchte er zum erstenmal wieder, sie zu nehmen. Da die ernsten Geschäfte eingeleitet waren, dachte er an sein Glück in der Liebe und wollte auch von dieser Seite her die Lage klären. Ihre lebhaft abweisende Bewegung verwunderte ihn.
»Ganz ehrlich, würde Ihnen das weh tun?«
»Ja, sehr.«
Sie beruhigte sich und lächelte.
»Und gestehen Sie es nur, Ihnen liegt selbst nicht viel daran.«
»Mir? Oh, ich bete Sie an.«
»Nein, sagen Sie das nicht. Sie werden bald so beschäftigt sein! Und dann ... ich versichere Ihnen, ich bin bereit, wahre Freundschaft für Sie zu empfinden, wenn Sie der Mann der Tat sind, für den ich Sie halte, und wenn Sie alle die großen Dinge vollbringen, von denen Sie reden ... Sehen Sie, Freundschaft ist viel besser!«
Immer noch lächelnd, hörte er ihr zu und war doch verlegen und betroffen. Sie verweigerte sich ihm. Zu dumm, daß er sie nur einmal besessen hatte, damals, als er sie überrumpelt hatte. Doch darunter litt nur seine Eitelkeit.
»Also bloß Freunde?«
»Ja, ich will Ihr Kamerad sein, ich werde Ihnen helfen ... Lassen Sie uns Freunde, wahre Freunde sein!«
Sie hielt ihm die Wangen hin, und besiegt, weil er fand, daß sie recht hatte, drückte er zwei herzhafte Küsse darauf.
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