Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Jacob Grimnm
Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski
heimgehen. Aber er musste andere Dinge erfahren; ja, es gibt viel Trübsal und Not auf der Welt! Die Magd stieg, als der Tag graute, schon aus dem Bett, um das Vieh zu füttern. Ihr erster Gang war in die Scheune, wo sie einen Arm voll Heu packte, und gerade dasjenige, worin der arme Daumesdick lag und schlief. Er schlief aber so fest, dass er nichts gewahr ward und nicht eher aufwachte, als bis er in dem Maul der Kuh war, die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte. „Ach Gott,“ rief er, „wie bin ich in die Walkmühle geraten!“ merkte aber bald, wo er war. Da hieß es aufpassen, dass er nicht zwischen die Zähne kam und zermalmt ward, und hernach musste er doch mit in den Magen hinabrutschen. „In dem Stübchen sind die Fenster vergessen.“ sprach er, „und scheint keine Sonne hinein; ein Licht wird auch nicht gebracht.“ Überhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht, und was das schlimmste war, es kam immer mehr neues Heu zur Tür hinein und der Platz ward immer enger. Da rief er endlich in der Angst, so laut er konnte: „Bringt mir kein frisch Futter mehr.“ Die Magd melkte gerade die Kuh, und als sie sprechen hörte ohne jemand zu sehen, und es dieselbe Stimme war, die sie auch in der Nacht gehört hatte, erschrak sie so, dass sie von ihrem Stühlchen herabglitschte und die Milch verschüttete. Sie lief in der größten Hast zu ihrem Herrn und rief: „Ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet.“ „Du bist verrückt,“ antwortete der Pfarrer, ging aber doch selbst in den Stall und wollte nachsehen, was es da gäbe. Kaum aber hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick aufs neue: „Bringt mir kein frisch Futter mehr, bringt mir kein frisch Futter mehr.“ Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte, es wäre ein böser Geist in die Kuh gefahren und hieß sie töten. Sie ward geschlachtet, der Magen aber, worin Daumesdick steckte, auf den Mist geworfen. Daumesdick hatte allerdings große Mühe sich hindurch zu arbeiten, doch brachte er's schließlich soweit, dass er Platz bekam, aber als er eben sein Haupt herausstrecken wollte, kam ein neues Unglück. Ein hungriger Wolf lief heran und verschlang den ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Mut nicht. „Vielleicht,“ dachte er, „lässt der Wolf mit sich reden,“ und rief ihm aus dem Wanste zu: „Lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.“ „Wo ist der zu holen?“ sprach der Wolf. „In dem und dem Hause, da musst du durch die Gosse hineinkriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, soviel du essen willst,“ und beschrieb genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorratskammer nach Herzenslust. Als er sich gesättigt hatte, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, dass er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fing nun an in dem Leib des Wolfes einen gewaltigen Lärm zu machen, tobte und schrie was er konnte. „Willst du stille sein,“ sprach der Wolf, „du weckst die Leute auf.“ „Ei was,“ antwortete der Kleine, „du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,“ und fing von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen, dass ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense. „Bleib dahinten,“ sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, „wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht tot ist, so musst du auf ihn einhauen und ihm den Leib zerschneiden.“ Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief: „Lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leib des Wolfs.“ Sprach der Vater voll Freuden: „Gottlob, unser liebes Kind hat sich wiedergefunden,“ und hieß die Frau die Sense weg tun, damit Daumesdick nicht beschädigt würde. Danach holte er aus und schlug dem Wolf einen Schlag auf den Kopf, dass er tot niederstürzte; dann suchten sie Messer und Schere, schnitten ihm den Leib auf und zogen den Kleinen wieder hervor. „Ach,“ sprach der Vater, „was haben wir für Sorge um dich ausgestanden!“ „Ja, Vater, ich bin viel in der Welt herumgekommen; gottlob, dass ich wieder frische Luft schöpfe!“ „Wo bist du denn all gewesen?“ „Ach, Vater, ich war in einem Mauseloch, in einer Kuh Bauch und in eines Wolfes Wanst; nun bleib ich bei euch.“ „Und wir verkaufen dich um alle Reichtümer der Welt nicht wieder,“ sprachen die Eltern, herzten und küssten ihren lieben Daumesdick. Sie gaben ihm zu essen und zu trinken, und ließen ihm neue Kleider machen, denn die seinigen waren ihm auf der Reise verdorben
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Die Hochzeit der Frau Füchsin
Die Hochzeit der Frau Füchsin – Erstes Märchen
Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwänzen, der glaubte, seine Frau wäre ihm nicht treu und wollte er sie in Versuchung führen. Er streckte sich unter die Bank, regte kein Glied und stellte sich, als wenn er mausetot wäre. Die Frau Füchsin ging auf ihre Kammer, schloss sich ein, und ihre Magd, die Jungfer Katze, saß auf dem Herd und kochte. Als es nun bekannt ward, dass der alte Fuchs gestorben war, so meldeten sich die Freier. Da hörte die Magd, dass jemand vor der Haustür stand und anklopfte; sie ging und machte auf, und da war's ein alter Fuchs, der sprach:
„Was macht sie, Jungfer Katze?
schläft se oder wacht se?“
Sie antwortete:
„Ich schlafe nicht, ich wache.
Will er wissen was ich mache?
Ich koche Warmbier, tu Butter hinein:
will der Herr mein Gast sein?“
„Ich bedanke mich, Jungfer,“ sagte der Fuchs, „was macht die Frau Füchsin?“ Die Magd antwortete:
„Sie sitzt auf ihrer Kammer,
sie beklagt ihren Jammer,
weint ihre Äuglein seidenrot,
weil der alte Herr Fuchs ist tot.“
„Sag' sie ihr doch, Jungfer, es wäre ein junger Fuchs da, der wollte sie gern freien.“ „Schon gut, junger Herr.“
Da ging die Katz die Tripp die Trapp,
Da schlug die Tür die Klipp die Klapp.
„Frau Füchsin, sind Sie da?“
„Ach ja, mein Kätzchen, ja.“
„Es ist ein Freier draus.“
„Mein Kind, wie sieht er aus?“
„Hat er denn auch neun so schöne Zeiselschwänze wie der selige Herr Fuchs?“ „Ach nein,“ antwortete die Katze, „er hat nur einen.“ „So will ich ihn nicht haben.“
Die Jungfer Katze ging hinab und schickte den Freier fort. Bald darauf klopfte es wieder an, und war ein anderer Fuchs vor der Tür, der wollte die Frau Füchsin freien; er hatte zwei Schwänze; aber es ging ihm nicht besser als dem ersten. Danach kamen noch andere immer mit einem Schwanz mehr, die alle abgewiesen wurden, bis zuletzt einer kam, der neun Schwänze hatte wie der alte Herr Fuchs. Als die Witwe das hörte, sprach sie voll Freude zu der Katze:
„Nun macht mir Tor und Türe auf,
und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus.“
Als aber eben die Hochzeit sollte gefeiert werden, da regte sich der alte Herr Fuchs unter der Bank, prügelte das ganze Gesindel durch und jagte es mit der Frau Füchsin zum Hause hinaus.
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Zweites Märchen
Als der alte Herr Fuchs gestorben war, kam der Wolf als Freier, klopfte an die Tür, und die Katze, die als Magd bei der Frau Füchsin diente, machte auf. Der Wolf grüßte sie und sprach:
„Guten Tag, Frau Katz von Kehrewitz,
wie kommt's, dass sie alleine sitzt?
was macht sie Gutes da?“
Die Katze antwortete:
„Brock mir Wecke und Milch ein:
will der Herr mein Gast sein?“
„Dank schön, Frau Katze,“ antwortete der Wolf, „die Frau Füchsin nicht zu Hause?“
Die Katze sprach:
„Sie sitzt droben in der Kammer,
beweint ihren Jammer,