Hans Fallada: Der Trinker – Band 186e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада
stopp, Magda“, sagte ich langsam, und plötzlich war es mir ganz recht, dass es endlich zu einer Aussprache zwischen uns kam, und ich war fest entschlossen, ihr nichts zu ersparen...
„Halt, stopp, Magda“, sagte ich. „Nicht so viel auf einmal! Was das angeht, dass ich alle Tage stockbetrunken sein soll, so möchte ich dich wohl fragen, ob du mich je einmal hast torkeln sehen oder lallen hören? Ich nehme dann und wann ein Gläschen, das gebe ich ohne weiteres zu, aber ich vertrage es auch. Es macht mich klarer. Den Alkohol soll meiden, wer ihn nicht verträgt, das bin aber nicht ich. Sieh“, sagte ich langsam und schloss wieder das bewusste Schreibtischfach auf, „hier haben wir eine Flasche Kognak, die war heute früh um neun Uhr noch voll, und jetzt ist etwa ein Drittel heraus, ein gutes Drittel, sagen wir. Stammle ich deswegen? Bin ich nicht Herr meiner Glieder? Bin ich unklar im Kopfe? Ich bin zehnmal klarer als du! Ich würde es nicht zulassen, dass ein hergelaufener Mistbock meine Frau Betrügerin schimpft, in die Fresse würde ich solchem Kerl schlagen!“ schrie ich plötzlich. Und fuhr ruhiger fort: „Du aber verhandelst mit ihm und begütigst ihn, und wenn ich dich und das ängstliche Huhn, den Hinzpeter, recht kenne, so habt ihr ihm sogar den guten Erbsenabschluss gestrichen oder die Preise erhöht ...“
Ich sah sie spöttisch an.
„Gewiss haben wir das!“ rief sie, und ihre Tränen waren jetzt versiegt, und sie sah mich ohne jede Liebe und Zuneigung an. „Gewiss haben wir das. Wir haben den Abschluss gestrichen, den guten Kunden sind wir aber trotzdem los für alle Zeit.“
„Soso“, antwortete ich noch viel spöttischer. „Ihr habt den Abschluss gestrichen. Ich bin ja hier bloß der letzte Laufbursche, und das, worunter ich meinen Namen setze, ist nur ein Wisch! Ich will dir aber eins sagen, Magda: Wenn der Inspektor Schmidt vom Fliederhof seinen Abschluss nicht bis auf den letzten Zentner erfüllt, so klage ich gegen ihn, und ich werde recht bekommen. Denn ein Abschluss ist ein Abschluss, das wird dir jeder Rechtsanwalt sagen, und wenn er mein niedriges Angebot angenommen hat, so ist das seine Schuld, nicht meine. Ich habe ihn nicht besoffen gemacht, sondern er hat mich besoffen machen wollen, und wenn er dabei hereingefallen ist, ist es nicht meine Schuld. Und, Magda“, sagte ich und stand jetzt von meinem Stuhl auf, „ich will dir noch sagen, dass ich hier der Chef bin, ich allein, und wenn Abschlüsse gelöst werden sollen, so werde ich gefragt, und kein anderer. Das passt mir nicht mehr, dass du dich hier aufspielst und willst mich unter deinen Fuß treten und redest von Stockbesoffenheit, wo ich nüchtern bin wie ein Aal im Wasser und zehnmal klüger und tüchtiger als du. Ich bin hier der Chef, und mich verdrängst du nicht. Geh wieder zu deinen Kochtöpfen, da rede ich dir nicht hinein. Ich habe dich nicht hierher gebeten, aber jetzt bitte ich dich, zu gehen.“
Ich hatte sehr ernst und überlegt gesprochen, und während ich so sprach, war mir immer klarer geworden, dass ich wirklich in allem recht und sie in allem unrecht hatte. Nun setzte ich mich wieder.
Magda hatte mich sehr aufmerksam angesehen, während ich so gesprochen hatte, gleichsam als wollte sie jedes einzelne Wort von meinem Munde ablesen. Nun, da ich geendet hatte, nickte sie und sagte: „Ich sehe schon, dass mit dir nicht mehr zu reden ist, Erwin. Du hast jedes Gefühl für Recht und Unrecht verloren. Dem Inspektor hat sein Graf gesagt, er wird die Stellung verlieren, wenn dieser betrunkene Abschluss nicht auf der Stelle rückgängig gemacht wird, und du sollst wegen Betrugs angezeigt werden ...“
„Das soll er nur tun!“ rief ich spöttisch. „Dir imponiert natürlich solch Graf, bloß weil er sich blaublütig schimpft, mir aber nicht so viel!“
Ich schnippte mit den Fingern.
„Er soll mich nur anzeigen, er wird schon sehen, wie er dabei hereinfällt!“
„Ja“, rief wieder Magda, „dir ist es schon ganz gleichgültig geworden, ob dein ehrlicher Name vor den Gerichten in den Schmutz gezerrt wird, das habe ich jetzt alles leider begreifen müssen. Doch ich gebe es auf, mit dir darüber zu reden, der Schnaps hat jedes Rechtsgefühl in dir zerstört. – Ich möchte dich aber etwas anderes fragen, Erwin ...“
„Frage nur zu“, antwortete ich mürrisch, war aber sehr auf meinem Posten, denn mir schwante schon, dass jetzt nichts Gutes kommen würde.
„Wer viel fragt, bekommt viel Antwort.“
„Ich brauche nicht viel Antwort“, sagte Magda wieder, „ich brauche nur ein einfaches, klares Ja oder Nein.“
Sie holte Atem, sie sah mich fest an. Dann sagte sie:
„Bist du noch ein Mann von Wort, Erwin? Ich meine, stehst du noch zu dem, was du mir einmal versprochen hast?“
„Natürlich tue ich das“, sagte ich mürrisch, „ich würde zum Beispiel Verträge halten, ob ich nun bei ihrem Abschluss nüchtern oder betrunken war.“
Sie achtete gar nicht auf meinen Spott.
„Du hast“, sagte sie, „damals, als du nach Hamburg fuhrst, mir fest versprochen, hinterher mit mir zum Arzt zu gehen. Willst du dein Wort jetzt einlösen, willst du heute Nachmittag mit mir zu Doktor Mansfeld gehen?“
„Halt mal!“ rief ich aufgeregt. „Du stellst schon wieder mal die Dinge auf den Kopf, Magda! Ich habe dir nie versprochen, unter allen Umständen nach der Hamburger Reise zum Arzt zu gehen, ich habe nur gesagt, wenn ich krank zurückkäme. Ich bin aber ganz gesund wiedergekommen.“
„Ja, so gesund“, sagte Magda bitter, „dass du in der Nacht nach deiner Ankunft alle meine Flaschen in der Speisekammer leergetrunken hast. Und seitdem bist du auch nicht eine Minute nüchtern gewesen. Ich sehe aber, du willst nicht zu deinem Wort stehen.“
„Zu meinem Wort schon, aber in dieser Sache habe ich dir nie mein Wort gegeben, so nicht.“
„Aber, Erwin“, fing Magda wieder an, doch jetzt sanft, „warum sträubst du dich denn so, dich einmal vom Arzt untersuchen zu lassen? Wenn es so ist, wie du sagst, und der Arzt bestätigt es, so ist ja alles gut ... Ist es aber nicht so ...“
„Nun, was ist dann?“ sagte ich spöttisch.
„... dann muss eben irgendetwas für deine Gesundheit geschehen. Denn du bist krank, Erwin, du bist so krank, wie du noch gar nicht ahnst ...“
„Ach“, sagte ich gelangweilt, „lass das doch. So kriegst du mich auch nicht rum. Du redest sanft mit mir, aber deinen Augen sehe ich es an, dass du es böse mit mir meinst. Ich lasse mich aber nicht von meiner Frau kommandieren, sie mag so tüchtig sein, wie sie will.“
„Ich will dich gar nicht kommandieren ...“
„Bitte: erst löst du meine Abschlüsse, dann soll ich zum Arzt gehen, weil du dir Torheiten einbildest, und schließlich möchtest du hier wohl meinen Chefplatz einnehmen, was? In meinem Sessel hattest du es dir in meiner Abwesenheit ja schon recht bequem gemacht, nicht wahr?“
„Nun gut“, sagte sie, und jetzt flammten ihre Augen wirklich böse auf, und in ihrer Stimme war keine Spur von Sanftheit mehr, „du willst nicht, du willst nichts als trinken und Schaden stiften. Ich lasse es aber nicht zu, dass du mich und die Firma ruinierst. Ruiniere dich selbst nur, soviel du willst. Dann muss ich eben andere Schritte ergreifen ...“
„Ergreife nur, ergreife nur“, sagte ich spöttisch, „du wirst ja sehen, wie du dabei hereinfällst. – Würdest du übrigens vielleicht die Güte haben, mir zu sagen, welche Schritte du etwa vorhast?“
Mein Spott hatte sie ganz außer sich gebracht.
„Jawohl werde ich es dir sagen“, rief sie zornig, „zuerst werde ich mich von dir scheiden lassen ...“
„Sieh mal sieh!“ lachte ich. „Also von mir scheiden lassen! Ich wüsste nicht, dass ich dir schon einen Scheidungsgrund gegeben hätte. Aber was nicht ist, kann noch werden. – Und was hast du noch vor?“
Aber sie wollte nicht mehr.
„Du wirst schon sehen“, sagte sie und setzte sich wieder an ihren Tisch und zu ihren Papieren.
„Ich kann es auch abwarten“, antwortete ich.
Ich