Meister Floh. E.T.A. Hoffmann

Meister Floh - E.T.A. Hoffmann


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dabei mit den Kindern so schön zu tun, daß man nichts Lieblicheres sehen konnte. Der Buchbinder glaubte, er läge im Traum, die Frau lächelte aber schalkisch, weil sie überzeugt war, daß es mit dem Herrn Peregrin und der fremden Dame wohl eine besondere Bewandtnis haben müsse.

      Während nun die Eltern sich wunderten und die Kinder sich freuten, nahm die fremde Dame Platz auf einem alten gebrechlichen Kanapee und zog den Herrn Peregrinus Tyß, der in der Tat beinahe selbst nicht mehr wußte, ob er diese Person wirklich sei, neben sich nieder. »Mein teurer,« begann sie dann leise ihm ins Ohr lispelnd, »mein teurer lieber Freund, wie froh, wie selig fühle ich mich an deiner Seite.« – »Aber,« stotterte Peregrinus, »aber mein verehrtestes Fräulein« – doch plötzlich kamen, der Himmel weiß wie, die Lippen der fremden Dame den seinigen so nahe, daß, ehe er daran denken konnte, sie zu küssen, sie schon geküßt hatte; und daß er darüber die Sprache aufs neue und gänzlich verlor, ist zu denken.

      »Mein süßer Freund,« sprach nun die fremde Dame weiter, indem sie dem Peregrinus so nahe auf den Leib rückte, daß nicht viel daran gefehlt, sie hätte sich auf seinen Schoß gesetzt, »mein süßer Freund! ich weiß, was dich bekümmert, ich weiß, was heute abend dein frommes kindliches Gemüt schmerzlich berührt hat. Doch! – sei getrost! – Was du verloren, was du jemals wieder zu erlangen kaum hoffen durftest, das bring' ich dir.«

      Damit holte die fremde Dame aus demselben Körbchen, in dem sich die Spielsachen befunden hatten, eine hölzerne Schachtel hervor und gab sie dem Peregrin in die Hände. Es war die Hirsch- und wilde Schweinsjagd, die er auf dem Weihnachtstische vermißt. Schwer möcht' es fallen, die seltsamen Gefühle zu beschreiben, die in Peregrins Innerm sich durchkreuzten.

      Hatte die ganze Erscheinung der fremden Dame, aller Anmut und Lieblichkeit unerachtet, dennoch etwas Spukhaftes, das auch andere, die die Nähe eines Frauenzimmers nicht so gescheut, als Peregrin, recht durch alle Glieder fröstelnd empfunden haben würden, so mußte ja dem armen, schon genug geängsteten Peregrin ein tiefes Grauen anwandeln, als er gewahrte, daß die Dame von all dem, was er in der tiefsten Einsamkeit begonnen, auf das genaueste unterrichtet war. Und mitten in diesem Grauen wollte sich, wenn er die Augen aufschlug und der siegende Blick der schönsten schwarzen Augen unter den langen seidenen Wimpern hervorleuchtete, wenn er des holden Wesens süßen Atem, die elektrische Wärme ihres Körpers fühlte – doch wollte sich dann in wunderbaren Schauern das namenlose Weh eines unaussprechlichen Verlangens regen, das er noch nicht gekannt! Dann kam ihm zum erstenmal seine ganze Lebensweise, das Spiel mit der Weihnachtsbescherung kindisch und abgeschmackt vor, und er fühlte sich beschämt, daß die Dame darum wußte; und nun war es ihm wieder, als sei das Geschenk der Dame der lebendige Beweis, daß sie ihn verstanden, wie niemand sonst auf Erden, und daß das innigste tiefste Zartgefühl sie gelenkt, als sie ihn auf diese Weise erfreuen wollen. Er beschloß, die teure Gabe ewig aufzubewahren, nie aus den Händen zu lassen, und drückte, fortgerissen von einem Gefühl, das ihn ganz übermannt, die Schachtel, worin die Hirsch- und wilde Schweinsjagd befindlich, mit Heftigkeit an die Brust. – »O,« lispelte das Dämchen, »o des Entzückens! – Dich erfreut meine Gabe! o mein herziger Peregrin, so haben mich meine Träume, meine Ahnungen nicht getäuscht!« –

      Herr Peregrinus Tyß kam etwas zu sich selbst, so daß er imstande war, sehr deutlich und vernehmlich zu sprechen: »Aber mein bestes, hochverehrtes Fräulein, wenn ich nur in aller Welt wüßte, wem ich die Ehre hätte« –

      »Schalkischer Mann,« unterbrach ihn die Dame, indem sie ihm leise die Wange klopfte, »schalkischer Mann, du stellst dich gar, als ob du deine treue Aline nicht kenntest! – Doch es ist Zeit, daß wir hier den guten Leuten freien Spielraum lassen. Begleiten Sie mich, Herr Tyß!« –

      Als Peregrinus den Namen Aline hörte, mußte er natürlicherweise an seine alte Aufwärterin denken, und es war ihm nun vollends, als drehe sich in seinem Kopfe eine Windmühle.

      Der Buchbinder vermochte, als nun die fremde Dame von ihm, seiner Frau und den Kindern auf das freudigste, anmutigste Abschied nahm, vor lauter Verwunderung und Ehrfurcht nur unverständliches Zeug zu stammeln, die Kinder taten, als seien sie mit der Fremden lange bekannt gewesen; die Frau sprach aber: »Ein solcher schmucker gütiger Herr, wie Sie, Herr Tyß, verdient wohl eine so schöne, herzensgute Braut zu haben, die ihm noch in der Nacht Werke der Wohltätigkeit vollbringen hilft. Nun, ich gratuliere von ganzem Herzen!« – Die fremde Dame dankte gerührt, versicherte, daß ihr Hochzeitstag auch ihnen ein Festtag sein solle, verbot dann ernsthaft jede Begleitung und nahm selbst eine kleine Kerze vom Weihnachtstisch, um sich die Treppe hinabzuleuchten.

      Man kann denken, wie dem Herrn Tyß, in dessen Arm sich nun die fremde Dame hängte, bei allem dem zumute war! – »Begleiten Sie mich, Herr Tyß,« dachte er bei sich, »das heißt, die Treppe hinab bis an den Wagen, der vor der Türe hält, und wo der Diener oder vielleicht eine ganze Dienerschaft wartet; denn am Ende ist es irgendeine wahnsinnige Prinzessin, die hier – der Himmel erlöse mich nur bald aus dieser seltsamen Qual und erhalte mir mein bißchen Verstand!« –

      Herr Tyß ahnte nicht, daß alles, was bis jetzt geschehen, nur das Vorspiel des wunderlichsten Abenteuers gewesen, und tat ebendeshalb unbewußt sehr wohl daran, den Himmel im voraus um die Erhaltung seines Verstandes zu bitten.

      Als das Paar die Treppe herabgekommen, wurde die Haustüre von unsichtbaren Händen auf- und, als Peregrinus mit der Dame hinausgetreten, ebenso wieder zugeschlossen. Peregrinus merkte gar nicht darauf; denn viel zu sehr erstaunte er, als sich vor dem Hause auch nicht die mindeste Spur eines Wagens oder eines wartenden Dieners fand.

      »Um des Himmels willen,« rief Peregrinus, »wo ist Ihr Wagen, Gnädigste?« – »Wagen,« erwiderte die Dame, »Wagen? – was für ein Wagen? Glauben Sie, lieber Peregrinus, daß meine Ungeduld, meine Angst, Sie zu finden, es mir erlaubt haben sollte, mich ganz ruhig hierherfahren zu lassen? Durch Sturm und Wetter bin ich, getrieben von Sehnsucht und Hoffnung, umhergelaufen, bis ich Sie fand. Dem Himmel Dank, daß mir dies gelungen. Führen Sie mich nur jetzt nach Hause, lieber Peregrinus, meine Wohnung ist nicht sehr weit entlegen.«

      Herr Peregrinus entschlug sich mit aller Gewalt des Gedankens, wie es ja ganz unmöglich, daß die Dame, geputzt wie sie war, in weißseidnen Schuhen, auch nur wenige Schritte hatte gehen können, ohne den ganzen Anzug im Sturm, Regen und Schnee zu verderben, statt daß man jetzt auch keine Spur irgendeiner Zerrüttung der sorgsamsten Toilette wahrnahm; fand sich darin, die Dame noch weiter zu begleiten, und war nur froh, daß die Witterung sich geändert. Vorüber war das tolle Unwetter, kein Wölkchen am Himmel, der Vollmond schien freundlich herab, und nur die schneidend scharfe Luft ließ die Winternacht fühlen.

      Kaum war Peregrinus aber einige Schritte gegangen, als die Dame leise zu wimmern begann, dann aber in laute Klagen ausbrach, daß sie vor Kälte erstarren müsse. Peregrinus, dem das Blut glühendheiß durch die Adern strömte, der deshalb nichts von der Kälte empfunden und nicht daran gedacht, daß die Dame so leicht gekleidet und nicht einmal einen Shawl oder ein Tuch umgeworfen hatte, sah plötzlich seine Tölpelei ein und wollte die Dame in seinen Mantel hüllen. Die Dame wehrte dies indessen ab, indem sie jammerte: »Nein, mein lieber Peregrin! das hilft mir nichts! – Meine Füße – ach meine Füße, umkommen muß ich vor fürchterlichem Schmerz.« –

      Halb ohnmächtig wollte die Dame zusammensinken, indem sie mit ersterbender Stimme rief: »Trage mich, trage mich, mein holder Freund!« –

      Da nahm ohne weiteres Peregrinus das federleichte Dämchen auf den Arm wie ein Kind und wickelte sie sorglich ein in den weiten Mantel. Kaum war er aber eine kleine Strecke mit der süßen Last fortgeschritten, als ihn stärker und stärker der wilde Taumel brünstiger Lust erfaßte. Er bedeckte Nacken, Busen des holden Wesens, das sich fest an seine Brust geschmiegt hatte, mit glühenden Küssen, indem er halb sinnlos fortrannte durch die Straßen. Endlich war es ihm, als erwache er mit einem Ruck aus dem Traum; er befand sich dicht vor einer Haustüre, und aufschauend erkannte er sein Haus auf dem Roßmarkt. Nun erst fiel ihm ein, daß er die Dame ja gar nicht nach ihrer Wohnung gefragt, mit Gewalt nahm er sich zusammen und fragte: »Fräulein! – himmlisches göttliches Wesen, wo wohnen Sie?« »Ei,« erwiderte die Dame, indem sie das Köpfchen emporstreckte, »ei, lieber Peregrin, hier, hier in diesem Hause, ich bin ja deine Aline, ich wohne ja


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