Always Differently. Kat v. Letters

Always Differently - Kat v. Letters


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aber, mich zu beherrschen. Bis auf einen Rülpser, der rutscht mir regelmäßig heraus. Anfangs war mir das sehr peinlich. Rülpsen zählt bei Herrn Knigge nämlich nicht gerade zu den guten Manieren bei Tisch. Doch genau das finden die Tanten im weißen Kittel, Mama und Papa großartig. Wenn ich aus meinem Bauch solch einen ordentlich lauten Ton heraufhole, hören die sofort auf, mich zu verdreschen. Die loben mich sogar dafür. Kaum zu glauben, aber wahr.

      Der Knigge von denen stammt wohl aus dem Mittelalter? Total krass. Verstehe da einer die Erwachsenen.

      Ich befürchte, die wissen einfach nicht, was sie wollen. Vielleicht ist das auch normal hier und ich bin bloß im falschen Jahrhundert gelandet. Ach herrje, dann gehört das womöglich zum guten Ton. Aber das werde ich noch herausbekommen.

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      Ich bin ein Geschwisterkind

      Juhu! Teddy, Birne und ich sind auch weiterhin gute Freunde. Wir haben uns kürzlich wiedergefunden und sind uns sogleich stürmisch in die Arme gefallen. Bis auf Birne, die hat keine Arme.

      Das war an genau dem Tag, als mich die Tante im weißen Kittel wie ein Weihnachtsgeschenk verpackt und an Mama verschenkt hat. Mama hat mich daraufhin wieder ausgepackt und wir haben eine Weile zusammen gekuschelt. Das war voll schön. Danach habe ich von ihr sogar noch Bio-Milch bekommen. Dabei hat sie zu mir gesagt, ich sei das hübscheste Baby, das sie je gesehen hat. Mann, war ich froh darüber. Nicht auszudenken, wenn sie auch noch losgeheult hätte wie Papa.

      An diesem Tag hat mich Mama das erste Mal gesehen. Allerdings glaube ich, sie ist sich noch nicht ganz schlüssig, ob sie mich behalten will, denn ein paar Minuten später tauchte die Tante im weißen Kittel auf. Mama hat mich ihr zurückgegeben und ich musste wieder in meine Zelle.

      Jetzt bin ich noch immer in der 1B, gemeinsam mit meinen Freunden Teddy und Birne. Die Regeln haben sich inzwischen gelockert und der ganze Laden läuft etwas entspannter. Ich darf Besuch empfangen, so oft ich will. Zwar werden ausschließlich nur Mama und Papa hereingelassen, aber das ist nicht weiter schlimm. Meine Fans habe ich trotzdem. Sie lassen sich nicht so einfach abwimmeln und dringen bis zur Eingangstür vor. Ich sehe sie jeden Tag, wenn sie ihre Nasen an der Scheibe plattquetschen. Dazu grölen sie und winken mir zu. Ein tolles Gefühl, berühmt zu sein.

      Mama kommt mich ziemlich oft besuchen. Das liegt sicher daran, dass sie ebenfalls in diesem Krankenhaus wohnt. Im Gegensatz zu mir darf sie jedoch ihre Zelle verlassen.

      Der Papa wohnt nicht hier, denn er lässt sich nur ein Mal am Tag bei mir blicken. Mittlerweile hat er sich an mein Aussehen gewöhnt. Er heult nicht mehr, wenn er mich sieht.

      Mama sitzt oft vor der 1B und hält meine Hand. Das gibt mir ein gutes Gefühl und ich bin nicht so allein. Alleinsein bin ich nicht gewöhnt, ich mag es nicht. Als ich im Apartment to go gewohnt habe, war sie immer den ganzen Tag bei mir.

      Ich komme nach meiner Mama. Sie sagt, ich sehe ihr total ähnlich. Den kleinen Schmollmund hätte ich eindeutig von ihr. Das finde ich nicht. Ich meine eher, die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben, besteht darin, dass wir beide Haare auf dem Kopf haben. Und auch nur dort.

      Bei Papa ist das anders. So wie er möchte ich nun wirklich nicht aussehen. Er hat überall Haare. Jede Menge. Erinnert mich ein bisschen an meinen Freund Teddy. Nur so gut brummen kann er nicht, doch das ist nicht weiter schlimm.

      »Ach, du liebes bisschen!«, rufe ich.

      Schlagartig bröseln mir die Schuppen vom Kopf. Auf diesen Schreck brauche ich erst einmal dringend meinen Schnuller. Ich muss mich beruhigen. Hektisch suche ich nach ihm. Wo ist das verdammte Ding bloß? Ich schreie wie am Spieß, bis eine von den Tanten im weißen Kittel auftaucht.

      »Ich will meinen Schnuller. Sofort!«, brülle ich sie an.

      Sie hilft mir rasch beim Suchen. Wenigstens so viel Anstand hat sie. Ansonsten lässt sie sich von meinem Geschrei nur wenig beeindrucken und bleibt die Ruhe selbst. Da muss ich sagen, das finde ich höchst dreist. Aber immerhin findet sie das Ding und gibt es mir.

      »Danke, kannst jetzt wieder abdampfen«, knurre ich sie an, was sie auch umgehend beherzigt.

      So langsam beruhige ich mich von dem Schreck. Ich weiß jetzt nämlich, warum Teddy die ganze Zeit neben mir liegt. Er ist auch ein Kind von Papa. Ich bedecke mein Gesicht mit beiden Händen. Ungläubig schüttle ich den Kopf und kann es kaum fassen. Sind wir gar Zwillinge?

      Ich verstehe nun die Hintergründe. Wie ich darauf gekommen bin? Na ist doch ganz einfach. Ich habe eins und eins zusammengezählt. Also: die Mama sagt, ich komme nach ihr. Der Grund dafür, mein Apartment war in ihrem Bauch. Klar soweit? Meine Schlussfolgerung daraus: Teddy war in Papas Bauch, denn mit den vielen Haaren kommt er eindeutig nach ihm. Demnach ist Teddy mein Bruder und wir sind Geschwister. Das ergibt Sinn.

      Ich glaube, Mama arbeitet hier. Zumindest hat sie den Job von den Tanten im weißen Kittel übernommen, seit sie mich geschenkt bekommen hat. Aber vielleicht sind Mamas auch nur dazu da, um ihren Kindern als persönliche Assistentin zu dienen.

      Das Gleiche sehe ich bei den anderen Babys. Jedes hat seine eigene Mama, einschließlich privater Zapfsäule mit Bio-Milch.

      Wenn ich mit dem Essen fertig bin, putzt sie mir den Po und entfernt den stinkenden Haufen aus meiner Windel. Wie der da wohl reinkommt?

      Bei Teddy macht sie das nicht, er ist Papas Kind. Papa hat Teddy noch nie den Po geputzt. Er trägt nicht mal eine Windel. Einen Haufen habe ich bei ihm bisher auch noch nie gesehen, das ist sehr merkwürdig. Ich muss unbedingt herausfinden, ob er den heimlich entsorgt.

      Warum Birne bei mir in der Zelle ist, das weiß ich bis heute nicht. Sie kommt weder nach meiner Mama noch nach Papa. Ich nehme an, sie ist ein Findelkind. Das erklärt auch, warum sie den ganzen Tag heult und so komische Lieder summt, von denen Teddy und ich immer einschlafen. Ich kann sie trotzdem gut leiden.

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      Der schwarze Punker, mein neuer Freund

      Wenn meine Mama bei mir vor der 1B sitzt, ist sie echt nett. Sie redet mit mir und streichelt mich. Ich finde es auch anständig, dass sie mich füttert. Das Einzige, das ich nicht ausstehen kann, sie schlägt mich nach dem Essen genauso wie die Tanten im weißen Kittel.

      Ich bin mir sicher, das hat sie sich einreden lassen. Das war schon damals so, als ich noch im Apartment to go zu Hause war. Wir beide waren unzertrennlich, ein richtig gutes Team. Doch dann kamen Leute und haben sie bequatscht, sie solle mithelfen, dass ich ausziehe. Leider kein sehr willensstarker Mensch, darum hat sie mitgemacht. Das Gleiche ist wohl jetzt der Fall. Na ja, besser von ihr verdroschen zu werden als von den anderen, sage ich mir.

      Allmählich wird meine Mama wieder die Alte. Gott sei Dank.

      Sie kommt gerade auf meine Zelle zu. Heute besucht sie mich schon früh am Morgen. Darüber freue ich mich. Doch plötzlich tut sie etwas, das mich glatt umhaut. Was für ein Glück, dass ich schon liege. Sie öffnet einfach den Deckel von der 1B und hebt mich heraus. Das finde ich so super, dass ich vor Freude ganz laut schreie: »Ich bin ein Star, hol mich hier raus!«

      Anschließend entführt sie mich klammheimlich in ihr Zimmer.

      Als sie die Tür aufmacht, verschlägt es mir prompt die Sprache. Wow, denke ich, die muss stinkreich sein. Bin ich hier im Four Seasons? Die Mama hat in ihrem Zimmer so viel Platz, sie kann sogar um ihr Bett komplett herumlaufen, hat ein extra Badezimmer und eine Badewanne. Ist mir letztens gar nicht aufgefallen. An diesem Tag war ich aber auch sehr aufgeregt, denn da habe ich zum ersten Mal meine Mama erblickt.

      Bei mir in der 1B habe ich gerade mal so viel Platz, dass ich ausgestreckt liegen kann. An Umherlaufen ist da nicht zu denken. Und mein Badezimmer ist nur eine Alternativlösung im selben Raum. Ich wohne sozusagen in einer All-in-one-Zelle. Ich habe eine Windel als Toilette, Feuchttücher statt Badewanne und all das spielt sich auf


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