Ti amo - Moonlight. Virginia Cole
was wohl auf ein neues Parfüm zurückzuführen war.
Marco lehnte seine Wange an ihr weiches, braunes Haar und atmete tief ein. Der Geruch der Flugzeugsitze war noch immer präsent, und trotzdem konnte er schon jetzt nicht genug von ihr bekommen. Olivia hielt ihn, so fest sie konnte und wusste, dass sie ihn nie wieder loslassen würde. Und das Beste daran war, dass sie das auch gar nicht mehr musste, weil nichts und niemand sie von nun an mehr trennen konnte.
Schließlich brach Marco das Schweigen. „Endlich bist du da. Du hast mir so gefehlt.“ Er küsste ihr Haar und drückte sie noch fester an sich.
Olivia nickte. „Du mir auch. Aber jetzt ist es vorbei. Wir müssen einander nie mehr vermissen.“ Ein Lächeln machte sich breit, und nach einem letzten, tiefen Atemzug fand Olivia die Kraft, sich ein Stück weit aus Marcos Umarmung zu lösen und ihm endlich in die Augen zu sehen. Schweigend musterte sie sein Gesicht: Seine strahlenden Augen, sein Haar, das noch immer die gleiche Länge hatte, seine Nase, seine wohlgeformten Lippen. Seine Lippen … Ohne weiter darüber nachzudenken, küsste sie ihn. Mit festem Druck ruhte ihr Mund auf seinem, doch Marco wollte mehr.
Er öffnete seine Lippen, ließ seine Zungenspitze nach vorne schnellen und bahnte sich einen Weg zwischen Olivias Lippen hindurch direkt in ihre Mundhöhle. Sie erwiderte sein Verlangen in gleichem Maße und ließ sich fallen. Sie küssten sich, als seien sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben begegnet und als hätte es zugleich das letzte Mal sein sollen. Marco wollte mehr als nur diese Küsse, er konnte es deutlich spüren. Aber er wollte seine Liebste nicht überrumpeln, wollte seinen Hunger auch nicht vorschnell stillen. Vorfreude war eben doch die schönste Freude.
Ihre Lippen lösten sich voneinander und Olivia hatte bereits jetzt große Mühe, ihre Erregung zu verdrängen. Sie spürte deutlich, dass es Marco genauso ging, aber sie wollte die Zweisamkeit in aller Ruhe mit ihm genießen. Sie hatten von nun an alle Zeit der Welt, kein Grund, alles zu überstürzen und den Genuss in den Hintergrund zu drängen.
Marco räusperte sich und fand seine Sprache wieder. „Komm, lass uns einen kleinen Spaziergang machen. Du erzählst mir in Ruhe von deiner Reise und allem, was sonst noch wichtig ist, und danach gehen wir einkaufen.“ Entschlossen lächelte er sie an, und Olivia erwiderte dieses Lächeln. Gemeinsam gingen sie ins Haus, wo Olivia ihre Tasche und den Schlüssel nahm und sich sogleich wieder an ihren Einheimischen schmiegte. Nun war sie keine Touristin mehr, ab sofort war sie einfach nur eine Bewohnerin Tropeas und die Freundin eines smarten Italieners, um den man sie beneiden durfte.
Hand in Hand genossen sie die warme, angenehme Frühlingsluft und sahen hinaus auf das Meer. In einem ruhigen Moment blieben sie schweigend stehen, nahmen sich in die Arme, richteten ihren Blick auf den Horizont und fieberten still der bevorstehenden Nacht entgegen, dem Moment, in dem die Sterne und das Licht des Mondes die einzigen Zuschauer ihres Liebesakts sein würden. Wie im Jahr zuvor, im Schutz der Felsen.
„Mond“ auf Italienisch
Im Nachhinein war Olivia froh gewesen, dass sie ihren etwas größeren Einkauf mit Marco gemeinsam hatte erledigen können. Natürlich kannte sie die meisten Lebensmittel und teilweise konnte man den Inhalt auch an der Verpackung erkennen, aber die Namen und Beschreibungen stellten sie hin und wieder vor ein kleines Rätsel. Marco hatte sie beobachtet und sie liebevoll ausgelacht.
„Wir müssen dir dringend Italienisch beibringen, wenn du dauerhaft hier bleiben möchtest.“ Olivia zog einen Schmollmund und nickte. „Ja, du hast recht. Du musst es mir beibringen.“
Marco berührte für einen kurzen Moment ihre Lippen, ehe er ihr antwortete. „Das werde ich. Wenn ich einmal nicht da sein sollte, kannst du gerne auch Toni in der Bar besuchen. Er und seine Frau helfen dir sicher gerne, sie sprechen beide gut Englisch. Aber mach dir keine Sorgen, das bekommst du schon hin. Alles braucht seine Zeit, aber ich glaube, du wirst schnell lernen. Italienisch ist gar nicht so schwer, wie du vielleicht glaubst.“
Olivia zog die Augenbrauen hoch und dachte sich ihren Teil. Aber andererseits, wenn Marco so gut Englisch lernen konnte, konnte es umgekehrt für sie doch auch nicht viel schwerer sein. Schließlich lebte sie jetzt hier, sie würde die Sprache tagtäglich hören und lesen und sie langsam verinnerlichen. Mit diesem Gedanken schob sie dieses Thema beiseite.
„Essen wir heute Abend gemeinsam?“ Fragend sah Olivia ihren Liebsten an. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Sicher, warum nicht? Ich dachte, wir könnten Essen gehen an deinem ersten offiziellen Abend in Italien?“ Den Rest seiner Gedanken ließ er unausgesprochen, doch Olivia verstand ihn auch ohne Worte.
„Gerne. Aber lass mich die Tage mal für dich kochen, ja?“ Marco zog sie auf. „Kannst du das denn?“ Olivia knuffte ihn lachend in die Seite, ehe sie ihren Einkauf beendeten und die Taschen in den Bungalow brachten. Marco half ihr beim Ausräumen und nahm plötzlich ein seltsames Gefühl wahr, eine Art Wärme und Geborgenheit. Er spürte, dass etwas seinen Weg ging und dass dieser Weg in die richtige Richtung führte. Er war von nun an nicht mehr alleine.
Olivia begutachtete ihren Kühlschrank und schmunzelte über seinen Inhalt, der in Deutschland doch ein wenig anders ausgesehen hatte. Aber auch daran würde sie sich noch gewöhnen. Nun war es jedoch langsam an der Zeit, sich für den gemeinsamen Abend vorzubereiten.
„So, ich fahre nun nach Hause, mich umziehen. Ich würde sagen, ich hole dich um acht ab und wir laufen gemeinsam zur Strandpromenade, was meinst du?“ Das Wetter war sehr angenehm, lediglich die Abendstunden konnten um diese Jahreszeit auch in Tropea noch ein wenig kühl sein. Aber dem konnte man vorbeugen.
„Klar, gerne! Ich freue mich schon auf unseren gemeinsamen Abend.“ Die letzten Worte waren kaum mehr ein Flüstern gewesen, und noch ehe der Satz beendet war, ließ Olivia sich in seine Arme sinken und verlor sich seinen Küssen. Sie schmeckten süß, sie schmeckten nach mehr und Olivia wusste genau, was sie beide wollten. Sie dachte an den Strand und das Meer, an die Felswand, die ihnen im letzten Sommer ihren Schutz gespendet hatte und an den warmen Sand, der um diese Jahreszeit um einiges kühler sein dürfte. Zu gerne hätte sie heute Nacht den Mond und die Sterne dabei beobachtet, wie sie sie beobachteten, aber das war bei den niedrigen Temperaturen kaum möglich. Stattdessen versuchte sie, sich auf die kommenden Wochen und Monate zu freuen. Denn diesmal würde sie ihren Liebsten nicht nach nur zwei Wochen schon wieder verlassen müssen – diesmal konnte sie bleiben, und zwar so lange sie wollte.
Glücklich ging sie ins Bad und machte sich zurecht. Allzu viel Zeit blieb ihr nicht mehr, der Tag war lang gewesen und ein erster Anflug von Müdigkeit machte sich langsam in ihr breit. Einzig und alleine der Gedanke an die kommenden Stunden hielten sie halbwegs auf den Beinen. Sie würde wohl niemals müde werden, Marco heiß und innig zu lieben.
Kaum hatte sie diesen Gedanken im Stillen zu Ende gebracht, riss das Klingeln an der Haustür sie aus ihren Träumereien. Sie riskierte einen letzten Blick in den Spiegel und lief sodann schnell zur Tür. Marcos strahlendes Gesicht erwartete sie im Schein der bereits untergehenden Abendsonne.
„Ciao, bella.“ Sie liebte es, wenn er Italienisch sprach. Das war mitunter der größte Ansporn für sie, zeitnah Italienisch zu lernen, um sich möglicherweise eines Tages auch mit ihm auf Italienisch verständigen zu können.
„Ciao, bello.“ Olivia musste lachen beim Klang ihrer Stimme, gepaart mit ihrem englischen Akzent und dem Versuch, ihm ordnungsgemäß zu antworten. Er stimmte leise auf ihr Lachen mit ein und trat einen Schritt näher, um sie in die Arme zu nehmen und leidenschaftlich zu küssen. Olivia verschränkte ihre Arme in seinem Nacken und erwiderte seine Zärtlichkeiten.
„Du siehst gut aus.“ Olivia sah noch einmal an sich selbst hinunter, als müsse sie sich selbst erinnern, was sie nur kurz zuvor angezogen hatte. Was sie sah, war tatsächlich eine recht hübsche Kombination aus einer hellen Leinenhose und einer dünnen Tunika. Sollte es kühl werden, hatte sie ihre Strickweste dabei, die sie sich gleich um die Schultern hängen würde.
„Grazie.“ Erneut huschte ein Grinsen über ihr hübsches Gesicht, als plötzlich ihr Magen knurrte. „Komm, lass uns gehen. Ich sterbe vor Hunger.“