Kriegerherz und Königsehre. null slena

Kriegerherz und Königsehre - null slena


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Doch nicht sich selbst, oder? Außer Milly und ihren neuen Freunden Stephen und Ester war niemand da, der sie liebte. Bei Gott, ob er wusste, was er da zu ihr gesagt hatte? Sie würde es herausfinden müssen.

      Beflügelt von dieser Erkenntnis gab sie ihrem Pferd die Sporen und flog mit dem Wind zurück zur Burg. Als sie Aragon in den Stall führte, war Stephen schon fleißig damit beschäftigt, Ghost zu striegeln.

      „Wie geht es dir, Stephen?“

      Stephen schaute sie trotzig an. Deria blieb verwundert stehen und sprach ihn erneut an:

      „Was hast du denn? Bist du sauer auf mich?“

      „Du hast mich belogen und ich dachte, du wärst mein Freund!“, brüllte Stephen.

      Deria wusste gar nicht warum Stephen so aufgebracht war: „Aber Stephen, ich hab dich doch nicht belogen.“

      „Ach nein, wie kannst du das sagen? Du bist doch gar nicht Eric, sondern Deria!“

      Im ersten Moment war Deria sprachlos. Mit trauriger Gewissheit wurde ihr klar, dass wohl alle so reagieren würden, die von ihrer Maskerade erfuhren. Sie trat zu Stephen und kniete sich vor ihm hin. Der Junge ignorierte sie und striegelte weiter den Schimmel.

      „Stephen, bitte schau mich an! Ich möchte dir eine Geschichte erzählen. Weißt du, es gab einmal Zwillinge, die sich von Herzen gern hatten. Sie gingen zusammen durch dick und dünn. Alles wollten sie gemeinsam machen, aber es gab einen Unterschied zwischen den beiden. Eric war ein Junge und damit frei in seinen Entscheidungen und seinem Tun. Seine Schwester hingegen, ich, stieß immer wieder an Schranken, die mir mein Geschlecht vorschrieb. Und als ich 13 Jahre alt war, sah ich zum ersten Mal meinen künftigen Ehemann. Er sah so finster aus, mit seinen schwarzen langen Haaren, der schwarzroten Kleidung und den eisblauen Augen. Ich bekam Angst und wollte davonlaufen, doch er fing mich ein, und zum Dank versohlte er mir den Hintern.“

      Mittlerweile hatte Stephen aufgehört zu striegeln und lauschte interessiert.

      „Dann verschwand er wieder, aber die Angst blieb und nur zu denken, dass ich an meinem achtzehnten Geburtstag diesen Mann heiraten musste, verleitete mich dazu, während des großen Fiebers in die Rolle meines Bruders zu schlüpfen. Meine Mutter war bereits von uns gegangen und mein Vater lag im Sterben. Ich war 15 Jahre alt und sah es als einzige Möglichkeit frei zu bleiben. Als Mann konnte ich weiter auf der Burg bleiben. Ich brauchte auch nicht zu heiraten. In meinen Gedanken war alles so einfach. Ich fand den Plan genial und so wurde ich zu Eric. Nicht einmal mein Vater merkte es.“

      Deria holte tief Luft, schaute Stephen prüfend an. Keine Reaktion war in seinem kleinen Gesicht zu erkennen, also sprach sie weiter.

      „Nun, alles lief so, wie ich es geplant hatte - bis mein Vater beschloss, dass ich noch zum Ritter erzogen werden musste. Er bestimmte Sir Oliver zu meinem Vormund. Alles umsonst, denn nun war ich ihm wieder ausgeliefert. Gerade dem Mann, vor dem ich mich am meisten fürchtete. Daher beschloss ich meine Rolle weiterzuspielen, aber es hat nicht lange gedauert, bis er mich durchschaut hatte. Deine Mutter hat mich sogar im ersten Augenblick durchschaut. Stephen, ich wollte…“, hielt Deria verzweifelt inne.

      Stephen legte ihr seine Hand auf die Schulter und sprach mit der Weisheit eines Erwachsenen:

      „Du hast niemanden verletzen wollen, du wolltest dich nur schützen. Ich bin dir nicht mehr böse, aber Eric wird mir sehr fehlen.“

      „Oh, Stephen!“ Deria war überrascht was für kluge und tröstliche Worte aus dem Mund dieses elfjährigen Jungen kamen. Sie umarmten sich.

      „Bleiben wir dennoch Freunde?“, wollte Deria wissen.

      „Na klar, auch wenn du jetzt ein Mädchen bist, bist du trotzdem ganz in Ordnung.“

      Dankend tätschelte Deria ihm den Kopf.

      „Ach, Oliver hat gesagt, du sollst zu Mutter gehen, wenn du kommst. Und er hat mir gesagt, dass du nicht mehr im Stall arbeiten darfst.“

      „Weißt du es von ihm?“

      „Ja, er war ziemlich wütend auf dich als er zurückkam und ich hab ihn gefragt, wo Eric ist. Da hat er mich angebrüllt, es gäbe keinen Eric, sondern nur seine Schwester Deria, die alle belogen und betrogen hat.“

      Wie konnte Oliver sich nur so unbeherrscht benehmen, dachte Deria entrüstet. Stephen war doch noch ein halbes Kind. Scheinbar war er wütender als sie vermutet hatte.

      „Dann werden wir beide heute zum letzten Mal zusammen arbeiten. Mir fehlt es jetzt schon und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich es mir von Oliver verbieten lasse“, meinte Deria und eine Spur Trotz schwang in ihrer Stimme mit. Stephen schaute sie schräg von der Seite an, erwiderte jedoch nichts darauf.

      Nach ein paar Stunden waren sie fertig und schlenderten gemeinsam zu Esters Haus. Als sie eintraten, begrüßte Ester sie. Während sie Stephen umarmte und ihm einen Kuss auf die Stirn, drückte sah sie Deria eindringlich an.

      „Stephen weiß es bereits, Ester. Oliver hat es ihm gesagt“, sagte Deria entmutigend.

      „Ja, das habe ich mir gedacht, denn als er hier war…“

      „Er war hier?“, unterbrach Deria sie aufgebracht.

      „Ja, Oliver hat mir gesagt, dass du heute Abend als Lady Deria zum Essen erscheinen sollst und ich dir dabei behilflich sein soll“, meinte Ester gelassen.

      „War er wütend?“, fragte Deria neugierig.

      „Nun, da ich Oliver ganz gut kenne, würde ich sagen, er war nicht nur wütend, sondern auch ziemlich enttäuscht.“ Ester schaute Deria forschend an.

      „Enttäuscht? Warum?“, wollte Deria zögerlich wissen.

      „Das musst du dir schon selbst beantworten. Soweit reichen unsere freundschaftlichen Bande nun auch nicht, dass er mir den Grund für seine Verstimmung genannt hat.“

      Damit würde sich Deria später auseinandersetzen. „Stephen, du gehst dich heute Abend so waschen. Ich benötige Zeit mit Deria. Und du kannst schon einmal baden gehen, mein Fräulein“, delegierte Ester die beiden.

      Deria verschwand hinter dem Vorhang und fand bereits einen Zuber mit heißem Wasser vor. Sie zog sich aus und wickelte sich die enge Brustbandage ab, wohl wissend, dass es wahrscheinlich das letzte Mal war. Jetzt spürte sie eine große Erleichterung beim Atmen - eine regelrechte Befreiung.

      Mit einem Seufzer versank Deria in dem heißen Wasser. Es wirkte entspannend und für einen Moment schloss sie die Augen. Ohne dass sie es wollte, musste sie an Oliver denken: Seine große stattliche Statur, die schwarzen langen Haare, die gerade den Nacken bedeckten, und seine blauen Augen, die jetzt so warm wie der schönste Sommerhimmel leuchteten. Ein sanftes Lächeln umschmeichelte seine Lippen und auf seinen Wangen erschienen Grübchen. Was für ein schöner Mann; er gefällt mir sehr, dachte Deria. Es war ihr, als flatterten tausende kleiner Schmetterlinge in ihrem Bauch herum.

      Sie legte ihre Hand darauf, als ob sie das Gefühl damit ausschalten könnte, aber dem war nicht so. Sie spürte, dass sich ihre Gefühle gegenüber Oliver veränderten. Obwohl sie immer noch Furcht vor ihm verspürte, sehnte sie sich nach ihm. Sie dachte an den Kuss zurück. An Olivers Körper, der ihrem so nah gewesen war und die Hitze die er ausgestrahlt hatte. Sie sehnte sich nach seinem Mund und seinen Händen. Plötzlich hörte sie eine Stimme:

      „Was für ein entzückender Anblick!“

      „Oh, verflucht, was macht Ihr hier? Hinaus mit Euch!“, entrüstete sich Deria und versank mit hochrotem Kopf im Wasser. Oliver verließ lachend das Zimmer, aber was er gesehen hatte, ließ ihn frohlocken.

      „Aber Oliver, was machst du denn hier?“, fragte Ester, die aus ihrem Schlafgemach kam.

      „Ich wollte mich nur vergewissern, dass Deria dieses Mal meinen Anweisungen gefolgt ist.“

      „Nun, es sieht ganz so aus. Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?“, fragte Ester.

      „Ich würde mich freuen, wenn du


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