Das wundertätige Unterröckchen. Wobei der Berggeist Rübezahl auch eine Rolle spielt.. Alexander Zaunkönig

Das wundertätige Unterröckchen. Wobei der Berggeist Rübezahl auch eine Rolle spielt. - Alexander Zaunkönig


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Hand in Fritzens ging Klärchen oft durch Blumen und Schnee, unter dem Sommer- wie unter dem Winterhimmel, und das Andenken an jenen Augenblick, in dem sie nach überwundener Gefahr einander in die Arme schlossen, erregte ihnen eine lebhaftere Freude, je mehr die Zeit sie von ihm entfernte.

      In der ersten Periode von Klärchens Einschränkung ihrer Ausflüge hatten der Knabe und das Mädchen einander immer viel, sehr viel zu sagen, wenn sie zuweilen lange nicht beisammen gewesen waren. In der Folge aber hörte dies auf. Je länger die Zeit der Entbehrung gewährt hatte, desto stiller gingen sie nebeneinander her; desto heimlichere Spaziergänge wählten sie.

      Eines Tages, als sich von beiden kein Wörtchen losarbeiten wollte, waren sie eben auf den Platz geraten, wo sie die Wölfin getötet hatten.

      Ihre Einbildungskraft beschäftigte sich überaus tätig mit den glücklichen Gefühlen nach der vollbrachten Tat, und, wie damals, sanken sie einander in die Arme.

      ,,Ich bin Dir allezeit recht gut gewesen, Fritz“, sagte das Mädchen nach einer Pause, „aber heute hab ich Dich gewiss noch weit lieber, als sonst.“

      „Ach Klärchen“, sprach der Knabe, „wenn ich doch immer so Dich festhalten könnte, wenn ich doch aufs Schloss mit Dir dürfte!“

      „Oder ich in Eurer Hütte bleiben, da ist's viel besser, als auf unserm unfreundlichen Berge.“

      „Wenn Du oben bist, Klärchen, ach, dann ist die Hütte bei weitem nicht so hübsch, als Du sie findest.“

      Unter diesen und ähnlichen Schmeicheleien, die wahr und warm aus beider Mund und Augen flossen, sanken sie nebeneinander ins hohe Gras und hielten sich fest umschlungen. Ein schöner Traum schien ihre Sinne zu umnebeln, als Fritzen zuerst eine äußere Empfindung auf seiner Brust, die nicht gerade Schmerz zu nennen war, aber doch etwas unangenehmes mit sich führte, halb zu sich selbst brachte.

      Er vermutete ein Insekt auf der Stelle. Beim Untersuchen jedoch entdeckte er, dass die Spur vom Kusse jener Alten merklich ins Schwarze überging. Jetzt gedachte er ihres Ausspruchs und machte dem Mädchen den Vorfall bekannt.

      Auch Klärchen bemerkte nun eine Veränderung. Das Unterröckchen, welches sonst federleicht und ohne den geringsten Zwang über ihren Hüften hing, schmiegte sich drückend an sie an, und ob sie schon nicht wusste, von welcher Ursache diese Wirkung sich herschrieb, da die Geberin des Rocks, die versprochene Aufklärung über dessen Eigenschaften noch schuldig geblieben war, so schloss sie doch aus der Veränderung an Fritz, dass er einem großen Fehler sehr nahe sein müsse.

      Ist er es, dachte sie ferner, so bin ich's ebenfalls, da wir beide vollkommen gleich gehandelt haben, daher zeigt die Veränderung meines Rocks wohl auch eine Vergehung an, der ich in Begriff war, mich schuldig zu machen.

      Sie offenbarte Fritz die Begebenheit, mit diesen ihren Nöten begleitet, und beide sprangen so schnell von der Stelle auf, als ob sie da eine Natter gesehen hätten. Sogleich erhielt das Röckchen die gehörige Weite und der Fleck seine rote Farbe wieder.

      Aber der angenehme Gang, den ihre Gefühle zuvor nahmen, war gestört.

      Nun beobachteten beide die Andenken, welche die Alte ihnen zurückgelassen, mit großer Aufmerksamkeit und bemerkten sonach, dass, sobald ihre Hände wieder ineinander lagen, der Flecken auf Fritzens Brust aufs Neue zu jucken, und Klärchens Röckchen sich zu verengen anfing. Umarmten sie einander, dann ward die Veränderung so stark, als sie es gewesen war, wie sie im Grase beisammen saßen.

      Die Hände herabhängend, schlichen sie daher mit traurigen, aufeinander fest gerichteten Augen, zu Fritzens Mutter, welche Klärchen zum Fortgehen ermahnte, damit sie noch vor Abend auf die Burg kommen möchte.

      Klärchen war wunderlich zu Mute. Fritz hätte ihr so gern zum Lebewohl die Hand gereicht, sie ihm ebenfalls; allein es blieb bei einem gegenseitigen, laugen und traurigen Blicke, weil das Händereichen doch zu den verpönten Handlungen zu gehören schien.

      Wie aber nur das mit einem Male so geworden ist?, dachte Klärchen. Nur erst seit heute geht's uns so fatal. Sonst konnten wir einander die Hände halten, so lange wir wollten, und nun soll das was Unrechtes sein!

      In ihrem ganzen Leben hatte Klärchen das Köpfchen nicht so voll, und auch nicht so kraftlos auf der Seite hängen gehabt. Tausend Gedanken liefen in ihr durcheinander. Sie wusste weder was ihr Röckchen, noch was sie selbst wollte.

      So kam sie erst lange nach Sonnenuntergang auf der Burg an.

      Siebentes Kapitel. Welches eine neue Person einführt:

      Klärchen sang noch mit Frau Martha – beide andächtig, wie der Chorschüler auf der Straße – ein Abendlied, als eine Schaar von Reitern in die Burg zog, die kein Ende nehmen wollte.

      Dennoch würde das Mädchen mit der vorigen Andacht den Gesang fortgesetzt haben, wenn Frau Martha nicht ein größeres Interesse an den Reitern genommen, und mitten in der Strophe aufgehört hätte, um die Ankommenden zu beschauen.

      Klärchen blieb und betrachtete mit stiller Wehmut das Unterröckchen, das sich so unartig gegen ihre Neigung auflehnte. Es war noch so rein und weiß, als ob es eben erst von der Bleiche käme. Sie besaß es schon drei Jahre und doch passte es ihr, ungeachtet sie allen ihren Kleidungsstücken seitdem so merklich entwachsen war, dass sie sie hatte ablegen müssen, immer noch wie angemessen.

      Es musste zugleich mit ihr gewachsen sein, anders ließ sich's nicht erklären.

      Noch lange nicht war sie mit ihren Gedanken darüber auf's reine, als Frau Martha zur Tür hereinstürzte und Klärchen mit dem Beinamen Braut begrüßte. Die Überbringerin der Nachricht wusste sich vor Freude nicht zu lassen.

      Sie küsste dem Mädchen mit großer Lebhaftigkeit die Hände und konnte vor Verwunderung kaum zu sich kommen, dass Klärchen so gleichgültig oder vielmehr verdrießlich bei einer Anrede blieb, die ihr in derselben Lage so viel Vergnügen gemacht hätte. Klärchen nahm es anfangs für einen Scherz, der ihr missfiel; da Frau Martha aber umständlich erzählte, wie alles im Hause von der Sache voll sei, und wie prächtig die Angekommenen angetan wären; da fing sie an es zu glauben, und fragte in dem Tone, in dem sich ein Großer bei einem Kleinen, welchem er durch ein paar Worte einige Ehre erzeigen will, nach dem Wetter erkundigt, nach dem Namen des Bräutigams, als der Vater in das Kämmerlein trat und ihr gebot, sich ein wenig mit Pracht anzukleiden, da noch diesen Abend ihre Verlobung sein solle.

      Damals galt das türkische Hausregiment auch unter den Christen.

      Die Tochter durfte nicht den leisesten Einwurf gegen die Wahl des künftigen Gatten, die ihr Vater traf, hervorbringen – am wenigsten galt eine Einwendung in Schlössern, wo es so wild herging, wie auf der Weiherhorst. Darum wagte es Klärchen nicht einmal, nach dem Namen des Mannes zu fragen, dem sie ihr ganzes Leben widmen sollte.

      Der Vater empfahl die Eile und ging.

      Wusste Klärchen vorhin wenig von sich selbst, so wusste sie jetzt gar nichts. Selbst die Frage an Martha, wer der Bestimmte sei, hatte sie eine Zeit lang aus dem Gesichte verloren. Sie fand sie aber endlich doch wieder; Martha suchte die Antwort mit wahrer Kabinettspolitik, durch allerlei künstliche Wendungen zu umschiffen.

      Sie erzählte viel von dem Reichtum und Glanze des Schlosses, das ihr künftiger Wohnsitz werden sollte: von dem Zwerge, der ihr zu Gebot stehe, von den Kostbarkeiten, mit welchen sie geschmückt werden würde, und damit sie ja so lange wenigstens, bis sie Klärchens Fantasie von den Schätzen trunken gemacht hätte, die ihrer warteten, die Frage in Vergessenheit brächte, redete sie beim Ankleiden unaufhörlich fort und belästigte Klärchen so schnell mit einer Menge von Fragen, dass die Arme kaum mit antworten fertig werden konnte.

      Vergebliche Mühe. Klärchen unterbrach sie geradezu mit der Wiederholung der Frage: „Wer ist er?“

      ,Ja nu“, antwortete Frau Martha, „wer so viel schöne Sachen hat, der muss doch wohl ein wackerer Ritter sein. Ein Mann in seinen besten Jahren ist er dazu. Ein …“

      Klärchen


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