Lieber Liebe. Beate Morgenstern
preisgeben. Musste Harald ja nicht mit ihren Augen auf sie schauen. - Aber der Kenner erkennt, sagte Harald. Du hast zweifarbige Augen, das erste deutliche Indiz, einen kleinen Höcker auf deiner Nase und lockige Rothaare. - Bockig ihre Widerrede: Hätte ich eben eine Sonnenbrille tagsüber getragen, meine Haare geglättet und den Rotschimmer weggemacht! - Sonnenbrillen waren noch nicht üblich!, gab Harald zu bedenken. - Ich hätte behauptet, ich habe braune Augen. - Aber ich hätte dich verraten. Deine zweifarbigen Augen und dass du deine Haare mit sonderbaren Tinkturen färbst, damit man den Rotschein nicht sieht und dass du sie glättest. Und jeder hätte mir geglaubt. Denn nun hätten die Männer gewusst, warum sie nachts nicht schlafen können und einer wie der andere Nacht um Nacht dich besuchen muss. Weinend hätte ich Holzscheite für dich gesammelt. Denn nur so hätte ich mich retten können. Sie dachte nach. Ihr schien auch wahrscheinlich, dass sie auf dem Scheiterhaufen geendet wäre. Vielleicht aus dem Grund, den Harald angab. Denn wenn sie liebte, gab es für sie kein Halten. Oder weil sie überhaupt von dem, was sie einmal wollte, nicht abzubringen war und sich ihre ansonsten große Anpassungsfähigkeit mit einem Mal erschöpfte. Ich hätte Tränen um Tränen um dich vergossen, meine süße Hexe, fuhr Harald fort. Ich hätte die Asche vom Platz gekehrt und sie in einem Kästlein aufbewahrt. Nacht um Nacht hätte ich dich um Verzeihung gebeten. Aber ich hätte meinen Frieden gehabt. Du wärst nicht mehr nachts mit dem Besen zur Feueresse hineingefahren, um mich zu vernichten. - Ich hätte dir verziehen, mein Lieber, antwortete sie ergriffen. Da ich so und so verbrannt worden wäre. - Sei froh, dass du denen damals entkommen bist. - Bin ich auch. - Und ich muss leiden. - Sie lachte. Ist es so schlimm? - Ich war in meinem Leben immer unabhängig. Von jeder Frau bin ich weggegangen und hatte noch etwas für mich und war stolz darauf. Aber du plünderst mich bis zum Letzten aus. - Bis zum Letzten? Sie streichelte ihn über Empfindsamstes. - Ich weiß nicht, wo noch was herkommt. Vielleicht habe ich nur das Gefühl von Orgasmus, und es kommt gerade ein winziges, kleines bisschen, ein Tröpflein. Als sie sich anzog, schlugen ihre Zähne wieder aufeinander. Er lachte. Also habe ich dich befriedet, sagte er. So derbe Ausdrücke er manchmal benutzte, gewöhnliche nahm er nie, spielte mit den Worten. Ja, hast du, sagte sie. - Dann bin ich froh. Denn dann kann ich hoffen, dass du es mal ein paar Wochen ohne mich aushältst. - Was?! - Ich mache Urlaub. Draußen auf dem Grundstück. - Aber! Die Worte gingen ihr aus. Hatte keine Kraft mehr. War offenbar seine Taktik, ihr was Unangenehmes mitzuteilen, wenn sie sich matt getanzt hatte. Du machst doch hoffentlich auch Urlaub!, sagte er, hatte es raus, von sich abzulenken. Wir sehen uns wieder, mein Schatz. Was sind vier Wochen! Heiteren Abschied wollte Harald. Ich bin so müde, ich kann nicht mehr denken, sagte sie. Ging weg von ihm, ganz durcheinander im Kopf von sich widersprechenden Gefühlen. Hatte er sie zu seiner Hexe erkoren und ihr also bindende Kräfte nachgesagt und danach ohne Aufhebens weggestoßen. War wohl doch nicht sie diejenige, welche, sondern er, der zu beliebigen Zeiten in Essen hineinfuhr, um in Küchen ziemliches Unheil anzurichten.
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