Zielobjekt: Untreue Ehefrauen. Toby Weston

Zielobjekt: Untreue Ehefrauen - Toby Weston


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wollen Sie wissen?“, fragte er.

      „Nun, Toby. Erstens haben Sie gelogen. Sie haben meiner Sekretärin eine falsche Adresse angegeben. Das machen paranoide Patienten häufig. Die Angaben werden von meiner Sekretärin stets überprüft.“

      „Das ist nicht wichtig.“

      „Es ist sehr wichtig. Wäre es nicht wichtig, dann würden Sie die Wahrheit sagen. Menschen lügen nicht, wenn es um nebensächliche Dinge geht. Lügen sind Ausflüchte. Lügen werden vorgeschoben, um abzulenken und zu blenden.“

      „Ich wohne aber in einer Villa am Starnberger See. Außerdem gehören mir eine Dachterrassen Wohnung in Schwabing, ein Chalet in St. Moritz und ein Strandhaus auf Mallorca. Ich habe nicht gelogen!“

      „Sicher, sicher.“

      „Sie können mich gerne besuchen kommen, wenn Sie es mir nicht glauben. Dabei sollten Sie die hübsche blonde Angestellte aus Ihrem Vorzimmer mitbringen.“

      Der Psychiater schüttelte genervt den Kopf.

      „Toby, ich möchte mit Ihrer Stimme im Kopf sprechen.“

      „Ich werde mich schön hüten, sie miteinander sprechen zu lassen. Da kann nur ein Riesenmist rauskommen.“

      „Was haben Sie getrieben, als Sie ihre Stimme zum ersten Mal gehört haben, zum allerersten Mal?“

      „Das haben Sie schon einmal gefragt!“

      „Ja, aber Sie haben nicht geantwortet.“

      „Das werde ich jetzt auch nicht tun.“

      „Haben Sie onaniert?“

      „Ich kann mich nicht entsinnen.“

      „Was war das für ein Gefühl, als Sie damals onanierten?“

      „Weiß ich doch jetzt nicht mehr! Ich erinnere mich an keine Gefühle.“

      „Kommen Sie. Sie müssen etwas fühlen, sonst könnten Sie keinen heißen Kaffee trinken, ohne sich die Zunge zu verbrennen. Sie könnten nicht laufen, wenn Ihre Füße nicht den Boden spüren würden. Irgendwelche sensorischen Informationen müssen immer aufgenommen und verarbeitet werden.“

      „Nein.“

      „Schmecken Sie Dinge? Schmecken Sie, ob etwas süß oder sauer oder salzig ist?“

      „Klar.“

      „Toby, fühlen Sie Liebe zu anderen Menschen?“

      Es schoss aus ihm heraus: „Nein!“

      Dr. Greulich lachte, um die Sache zu verharmlosen. „Das ist gelogen. Jeder Mensch empfindet Liebe und Schmerz.“

      „Schmerz ist gut für die meisten Menschen. Das lehrt sie, sich zu benehmen.“

      „Irrtum. Schmerz ist gut und wichtig für einen Menschen, es zeigt, dass man immer noch lebt, in einem Körper existiert.“

      „Ich empfinde nichts für andere Menschen. Ich lebe an einem kühlen, trockenen Ort.“

      „Wo ist dieser kühle, trockene Ort? Wie sieht er aus?“

      Toby schloss die Augen und verstummte. Obwohl er einen mächtigen Drang empfand zu schreien, redete er sich selber gut zu, stumm zu bleiben. Ob der Schrei Angst oder Erlösung zum Ausdruck gebracht hätte, wusste er nicht. Die Augen waren nach wie vor geschlossen, und er fühlte sich plötzlich von einer atemberaubenden Welle emporgehoben, ein himmlisches Gefühl, dem gleich darauf ein übelkeitserregender Absturz folgte. Die Angst packte ihn, da ihm klar wurde, dass das Vokabular, mit dem er seine Gefühle beschrieb, aus körperlichen Empfindungen abgeleitet war: atemraubend und übelkeitserregend. Ein böser Streich, den die Sprache mitspielt, dachte er. Ich lebe an einem kühlen, trockenen Ort. In dem verzweifelten Bedürfnis, diese Aussage, um selbst daran glauben zu können, nochmals bestätigt zu hören, sagte er:

      „Ich lebe an einem kühlen, trockenen Ort.“

      „Beschreiben Sie diesen kühlen, trockenen Ort. Wie schaut er aus, die Topographie. Sind Sie innerhalb oder außerhalb, ist es Winter oder Sommer?“

      „Ich lebe in einer Burg, einer Festung.“

      „Ist diese Festung von einem Graben umgeben?“

      „Ja! Woher wissen Sie das?“

      „Festungen sind meistens von Gräben umgeben. Ein beliebtes Traummotiv. Sagen Sie, hat diese Festung oder Burg ein Fallgatter?“

      „Was ist das?“

      „Eine Eisentür, die man herunterlassen kann, um Eindringlinge abzuwehren.“

      „Ja.“

      „Führt eine Zugbrücke über den Graben?“

      „Nein.“

      „Wie kommt man dann über den Graben? Irgendein Weg muss doch hinüberführen, richtig?“

      „Man muss schwimmen!“

      Die Stimme, die aus Tobys Kehle drang, klang tiefer, sonorer. Die neue Stimme ließ gut zehn Sekunden lang ein höhnisches Glucksen vernehmen, dann streckte Tobys Körper sich, als hätten unsichtbare Hände ihn in seinem Sessel aufgerichtet.

      Als er jetzt fortfuhr, hatte seine Stimme wieder ihr übliches Timbre.

      „Das Scheusal lebt dort, in dem Graben, wo es hingehört. Im Morast! Ich lebe drinnen, wo es sauber und trocken ist. Die Mauern sind dick und fest. Da kommt niemand rein.“

      „Ja, und raus kommt auch niemand“, sagte Dr. Greulich.

      „Na und. Die Burg ist wunderschön.“

      „Ich verstehe. Wenn sie in Ihrer steinernen Festung so glücklich sind, warum suchen Sie diese Burg dann nicht?“

      Toby sah ihn an.

      Der Psychiater sah ihn an.

      Beide kannten keine Antwort.

      3

      Die Gedanken an eine Burg verfolgten Toby den gesamten Tag. Er konnte sich auf keine Arbeit konzentrieren, verspürte nicht einmal den Drang, eine Frau aufzureißen und zu ficken.

      Sehr seltsam. Werde ich etwa krank? Scheiß Psychiater. Aber wenigstens hatte er den Wisch für den blöden Anwalt bekommen. Jetzt hatte er einige Monate Ruhe, bis er wieder in die Praxis musste, und die Blondine mit dem bescheuerten Namen ficken würde. Ob sie bis dahin immer noch in diesem seltsamen Verein war? Schamhaare gegen Dämonen. Und er sollte Probleme haben, nur, weil eine innere Stimme in einer Festung lebte. Blöde Welt. Blöde Psychiater. Blöde Weiber. Blöde Festung.

      Apropos Festung!

      Da war doch letzte Woche eine E-Mail eingetroffen. Von einem Baron Sowieso aus der Nähe von Wien, der angeblich in einer Burg wohnte. Vielleicht sollte ich den Auftrag annehmen. So könnte ich in der Burg dieses Barons Sowieso nach meiner inneren Stimme suchen.

      Toby lächelte bei dieser Vorstellung. Eigentlich gefiel ihm der Gedanke an Wien besser. Vor zwei Jahren hatte er dort eine Maria Sowieso gevögelt. Dieser Fick gehörte eindeutig zu den fünf besten in seinem Leben. Ob er diese Maria Sowieso mal wieder besuchen sollte? Das könnte man prima mit der Festung von diesem Baron Sowieso kombinieren.

      Der Baron Sowieso hieß eigentlich Baron Karl von Finkenstein und lebte auf Burg Oberranna.

      Toby gab den Namen der Burg im Internet ein. Das Anwesen liegt westlich von Wien in Spitz an der Donau, im Herzen der Wachau. Es wurde an steil abfallenden Hängen im 12. Jahrhundert errichtet. Ihre heutige imposante Form mit den vier dreigeschossigen Trakten, der doppelten Ringmauer, den Gräben und zwei Brücken erhielt sie um 1560.

      Gräben mit Brücken!

      War das nicht dieser Unsinn, von dem der Psychiater gesprochen hatte?

      Oder hatte


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