Pflanzenbrauch im Jahreslauf. Coco Burckhardt
tradierte Pflanzenbräuche*** und solche ohne Tradition – es sind neue, von mir erdachte, in meinem Verständnis in die Zeit passende. Manche der »neuen« sind nur an die Jahreszeiten und nicht an den Festtag gebunden, und ein kleiner Teil speziell für den (Wald-)Kindergarten gedacht.
Neben tradierten Kultspeisen, stelle ich noch ein paar weitere Kochrezepte vor. Bei den süßen Speisen steht das Wort »Zucker« als Synonym für Süßungsmittel. Gesündere Alternativen zur raffinierten Zuckerrübe und Zuckerrohr wären beispielsweise Honig, Rohrohrzucker oder Agavendicksaft.
Für jeden Feiertag gibt es eine Geschichte, die von den alten Göttern oder von der Entstehung der Bräuche erzählt. Auch das Geschichtenerzählen ist eine alte Tradition, die es gilt, ähnlich den Pflanzenbräuchen, wiederzubeleben. Außerdem hilft sie uns, nicht nur kognitiv, sondern emotional zu verstehen, zu lernen und auf liebevolle, verspielte Art zu verinnerlichen.
Jede Jahreszeit hat zusätzlich einen Themenschwerpunkt – im Winter das Räuchern und die Rauhnächte, im Frühling die Wildkräuterküche, im Sommer die Heilpflanzenverarbeitung und im Herbst Pflanzentinten. Diese Schwerpunkte sind ausführlich skizziert, aber nur skizziert und daher lückenhaft. Wenn ihr die einzelnen Themen vertiefen wollt, findet ihr im Anhang dazu Literaturempfehlungen.
Jede Jahreszeit beherbergt auch vier ausführliche Pflanzenportraits. Es sind Pflanzen, die mir viel bedeuten, sie sind teils vergessen oder verkannt und sie sollen Lust auf eine intensive Freundschaft mit »Floras Kindern« machen.
Floras Freundschaft und das Erleben der Jahreszeiten und das Eingebundensein in ihnen können die Basis sein für eine Rückkehr zu einem besseren, bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit Mutter Erde und all ihren Geschöpfen.
In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen und beim Feiern!
*Nach Untersuchung der IPBES (ein unabhängiges internationales Beratungsgremium aus Experten) werden bis Mitte des Jahrhunderts 1 Mio. größere und bekanntere Pflanzen- und Tierarten aussterben; laut dem Weltklimarat ist der Temperaturanstieg von 1,5 Grad (im Vergleich zum Jahr 1900) in 10 Jahren erreicht; das vorhandene Grund- und Trinkwasser wird in vielen Regionen Deutschlands durch Nitratverseuchung aus der Überdüngung unbrauchbar gemacht; schon jetzt findet sogar innerhalb Europas eine Klimamigration z.B. von Süd- nach Nordfrankreich statt.
*Zahlenspiele zur Veranschaulichung: 2020 betrug die Stromverbrauch der Server- und Rechenzentren in Deutschland 10 Milliarden KWh, das entspricht dem Strombedarf von 2.800.000 Haushalten mit 5 Personen. Die Informations- und Kommunikationstechnik macht 3,7 % aller Treibhausgasemmissionen aus, das sind doppelt soviel wie der gesamte zivile Luftverkehr.
*Diese Tatsache gilt unter Theologen und Religionswissenschaftlern als einer der Hauptursachen für das gestörte Verhältnis zur Natur, das sich in unseren Breiten entwickelt hat.
**Es ist zu vermuten, dass dies auch ein »Bekehrungsstreich« war, um das zyklische Erleben der naturreligiösen Heiden zu unterbinden.
***Die Vielzahl an Bräuchen und Ritualen zu den Jahreskreisfesten bzw. christlichen Hochfeiertagen weisen noch stark naturreligiöse Züge auf, dieses Buch beschränkt sich allerdings auf die noch verbliebenen Pflanzenbräuche.
Keltischer Jahreskreis
Die keltischen Götter hatten sehr komplexe Charakter, mal Held, mal Gott. Je nach Mythos und Region standen unterschiedliche Eigenschaften im Vordergrund. In diesem Buch habe ich sie bewusst vereinfacht dargestellt, reduziert auf ihre Aufgaben als Natur-und Vegetationsgottheiten.
Der keltische Jahreskreis begann mit dem Ende, mit dem Novembervollmond. Das Licht der Sonne wurde von den Wintergöttern Samhain und Morrigan unter die Erde geholt, dort sollte es ruhen, neue Kraft schöpfen. Doch damit war auch das Ende aller Vegetation auf der Erde verbunden. Nur durch die immergrünen Pflanzen konnten Mensch und Tier die Hoffnung bewahren, dass das Leben zurückkehren würde. Der Höhepunkt der winterlichen Regentschaft war die Wintersonnwende, der Tag, an dem das Sonnenkind von neuem geboren wurde.
Die Wintergötter wurden zum Februarvollmond von der holden Birkenfee Brigit und ihrem Gefährten dem Bären abgelöst. Gemeinsam weckten sie die Natur, schenkten ihr neue Kraft und standen zur Frühlings-Tagundnachtgleiche in ihrer ganzen Kraft.
Der Maivollmond stellte den nächsten Wendepunkt im Jahreskreis dar. Ab diesem Zeitpunkt hüteten Belisama, die Blumenmaid, und Belenos, ihr Geliebter, die Natur. Sie schenkte den Blüten ihre Farben und Gerüche und er, der lichtbringende Sonnengott, schenkte Kraft und Wärme, auf dass alles noch mehr leuchtete und duftete. Ihr Hochfest, ihre Hochzeit war die Sommersonnwende, der Tag, an dem die Sonne kaum unterzugehen scheint.
Zum Vollmond im August wurden die beiden Liebenden von Lugus und Anona abgelöst, dem feurigen Sonnengott und der gütigen Kornmutter. Sie ließen Natur und Menschen reifen. Sie standen für die Vervollkommnung, für den Abschluss des vollbrachten Jahreskreises. An ihrem hohen Fest, der Herbst-Tagundnachtgleiche, begann das Licht sich wieder zurückzuziehen und überließ der Dunkelheit die Zeit.
An all diesen Festtagen, denen der Sonne (den Sonnwenden und den Tagundnachtgleichen) und denen des Mondes* (im November, Februar, Mai und August, den sogenannten Kreuzvierteltagen) schwand die Grenze zwischen der irdischen und der Anderswelt, der Welt der Geister, Ahnen, Götter und Naturwesen. Man schützte sich in dieser Zeit vor Übergriffen, nutzte die Gelegenheit, hinüberzuspitzen und erbat den göttlichen Segen. Diese heidnische Glaubensvorstellung hat sich bis in die christianisierte Zeit erhalten und spiegelt sich in den diversen Bräuchen wider.
*Hier gibt es unterschiedliche Ansätze. Der eine besagt, dass die Feste wie folgt gefeiert wurden: Samain – Neumond, Imbolc – zunehmender Halbmond, Beltane – Vollmond, Lugnasad – abnehmender Halbmond. Der andere geht davon aus, dass die Feste alle zu Vollmond gefeiert wurden. Wir können es nicht mehr sagen. Ich persönlich begehe die Feste zum Vollmond; für mich ist die Nacht dann mystisch und feierlich, in einer Art, in der ich die Grenze zwischen den Welten kaum noch wahrnehme. Daher sind die Kreuzvierteltage in diesem Buch auch auf die Vollmonde des jeweiligen Monats gelegt. Lasst euch im Umgang mit den Festen von eurem Inneren leiten; feiert so, wie es sich für euch am stimmigsten anfühlt.
Winter
Samhain – Allerheiligen
(1. November, beziehungsweise November-Vollmond)
Bei den Kelten begann nun der Winter. Das Sonnenkind wurde unter die Erde geholt, um dort Kraft für das neue Jahr zu schöpfen. Die Tage werden kürzer, und das Leben in der Natur kommt scheinbar zum Erliegen. Doch damit Mensch und Tier nicht ohne Hoffnung auf die Wiederkehr der Vegetationskraft waren, behielten einige Pflanzen ihr grünes Kleid – die Nadelbäume, die Stechpalme, der Efeu und der Buchs. Diese Pflanzen waren die Vertrauten der Wintergötter.
Heute wird Halloween wieder gefeiert; zwar in einer amerikanisierten Partyform, aber wer weiß, ob es nicht in Vergessenheit geraten wäre, wenn sich die europäischen Siedler nicht so fest an ihre alten Bräuche geklammert hätten, um in der Fremde das Gefühl von Heimat zu spüren. Sie nahmen