Die letzten Farben. Jan Corvin Schneyder

Die letzten Farben - Jan Corvin Schneyder


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alles geschehen zu lassen.

      Da sind Sphären, die uns trennen, die schmerzen, die uns quälen. Manche davon sind zwar aus Glas, aber hart wie Panzerstahl. Andere könnten wir zerstören, wenn wir es nur leidenschaftlich genug versuchen würden. Zwei Herzen in jeder Brust. Sphären, die höher und tiefer reichen als alles, was wir je gespürt haben. Erkenntnis sei der Pfad zum Licht? Erkenntnis ist Wissen, aber Wissen ist nicht immer Macht.

      Wissen kann so qualvoll sein. Wir müssen entscheiden, wie viel Herz, wie viel Hirn und wie viel Bauch handlungsbestimmend für uns sind. Wir. Niemand anders.

      Natürlich kann ich neue Ufer auch blind entdecken, neue Länder blind erobern. Was nützen mir schon meine Augen, wenn das Herz doch alles weiß? Und seit wann hat die Mehrheit den besten Geschmack? Andere Meinungen achten, tolerant sein, aber einen Standpunkt haben und vertreten – das ist angesagt. In aller Heimlichkeit. Herz und Verstand. Nicht nur eines davon.

      In den Gipfeln kargen Steins, in den Wipfeln verästelten Stahls brennt die Zukunft, brennt Vergeltung. Vergangenheit neu geboren und verschüttete Gefühle brechen Dämme. Morast begräbt Hochmut und der Menschheit falsches Spiel, ihre Illusionen aus Glas, und sichtbar wird, was vergessen und verdrängt. Das Herz der Dinge schlägt nicht im Takt der digitalen Welt.

      Auch wenn man fesselt und verwundet, ändert man nichts an der Kernsubstanz, wenn sie ein gutes Herz ist. Die Kernsubstanz freilich nennen manche Seele, aber die Naturwissenschaftler – „die“ ist freilich eine unzulässige Schublade an dieser Stelle – dürfen gerne bei Kernsubstanz oder metaphysischer Materie bleiben.

      Wie viel Zeit die Menschen darauf verwenden, zu erklären was sie alles nicht glauben und warum. Es muss sie sehr quälen. Nicht der fehlende Glaube an etwas oder jemanden erfordert Mut und Kraft. Dazu braucht es nur Feigheit, Egoismus, Misstrauen und Größenwahn. Davon haben wir alle genug in uns. Nur wer ganz bei sich ist, wer mutig und demütig ist, und wer loslassen kann, der kann glauben. An das Gute im Menschen, an die Liebe des Partners, an die Loyalität von Freunden, oder auch an etwas Größeres. Bei Enttäuschungen alles fallen zu lassen und sich in die zynische Ecke zu setzen, ist viel zu einfach. Hilft niemandem. Dazu haben wir nicht Herz und Seele, um sie in Dreck zu tauchen und verrotten zu lassen. Nicht nur der Wind ist kalt da draußen. So viele lebende Tote. Bringen wir Farben, Licht und Wärme zurück. Es quält sie, und es tröstet die ängstlich Verlorenen. Solange wir atmen, können wir umkehren. Und nichts macht einen glücklicher, als sein wahres Selbst zu finden. Also Kopf hoch, Brust raus, Nase in den Wind, trotziges Lächeln ins Gesicht und vorwärts. Wir lachen all den finsteren, egomanischen, ungerechten Gestalten frech ins Gesicht. Sie spüren es.

      Sie können nicht gewinnen. Nicht wirklich.

      Manche wollen keinen Glitzer, keinen Rausch, keinen Kitsch, keine verordneten Gefühle. Aber sie haben nicht verstanden, was es im Kern bedeutet, das momentan vor sich geht. Die mit Kitsch und Glitzer ebenso wenig. Erkenntnis und Zufriedenheit erwachsen nicht im Deko-Store, sich vergrämt abzukehren und für besonders alternativ zu halten, führt allerdings auch nicht an gute Orte. Was wir alle brauchen, ist etwas Einfaches, Klares, Persönliches. Das finden wir aber weder im Event noch in der Anti-Ecke. Nur in unserem Herzen. Und wir müssen klug wählen, wer oder was dort Zugang hat.

      Feier, was Du verstehst. Feier, wohinter Du stehst. Feier es richtig. Wie es war, ist und immer sein wird. Feier keine besoffene, bunte, entseelte Plastikversion davon. Dann feiere lieber Dich und Deine Variante vom Universum. Aber anders. Laiendarsteller ist ein unwürdiger Beruf. Tu es aus Überzeugung oder sei endlich überzeugt genug, es nicht zu tun. Wir, die es aus ganzem Herzen tun, werden durch all das Plastik verwundet. Lasst es einfach weg.

      Intellektuelle Tiefe oder spannende Story? Oder doch Rückzug ins Glück? Was sind wir ohne Herz und Seele? Der intellektuell kalte Mensch ist ein Ärgernis. Und ist es nicht Verstellung und Lüge? Man möchte sagen: Nein, soziale Intelligenz. Ein kaltes Konstrukt. Nein, es ist Herzintelligenz. Seelenwärme. Seid Ihr selbst. Und seid gut zueinander. Das muss sich nicht ausschließen. Die Finsternis gelangt nun mal nicht in jedes Herz.

      Nicht der König unter dem Berg oder der Welt, aber ein Feuer in den Herzen können wir stets sein. Wer will uns verbieten, zu leben wie wir es wünschen? Die Finsternis siegt niemals, wenn wir lieben.

      Über den Wiesen steigt der Silberreif, der Milan zieht Bahnen, am knorrigen Fuß des Wiesenwächters nagt der Zahn des Winters. Der farbenfrohe Himmel zieht eisige Schlieren mit fernem Feuer durch die Sphären, Rabenvögel zeichnen Konturen in die auffrischenden Brisen, und von fern erklingt ein Glockenschlag. Ich schließe die Augen, die Kühle lässt die Stirn erstarren, Sauerstoff rast durch die Lunge, und die letzten Gänse verlassen uns. In der Dunkelheit werden sich unzählige Lichter erheben. Nur Mut, Schönheit findet sich überall, wenn Herz und Seele der Liebe offen entgegenblicken. Uns ängstigt auch der Winter nicht.

      Einsamkeit, am Gipfel der Welt, hat nicht immer erfreut, doch immer gestählt. Du gehst Deine Wege, Du kämpfst und leidest, und niemand sieht Dir zu, niemand weiß, was Du geleistet hast. Brauchst Du wirklich Anerkennung? Wichtiger ist die Blume, die dabei in Deinem Herzen erblüht ist. Dein Wissen um Deine Stärke. Unterschätze sie nicht, bleibe konzentriert und hoffnungsfroh, auch wenn Du allein den Elementen trotzen musst. Es lohnt sich. Dein innerer Schatz wird anwachsen. Sanftheit und Verletzlichkeit sollten das Herz noch anrühren, sonst ist es nur noch ein felsiger Brocken.

      Draußen das Grau, in uns das Licht. Aber wie lange noch? Jedes aufrichtige Herz, jeder wache Verstand, jede starke Hand wird helfen.

      Kerngeschäft.

      Ihr sollt die Stirn frei bekommen für das Schöne. Nicht billiger Rausch, sondern das substantiell Schöne. Das kann lustig sein, das kann ernst sein, aber immer soll man sich lebendig fühlen.

      Bewusst seiner Werte und offen im Herzen. Manchen wird das leichtfallen, anderen schwer. Hauptsache, man bemüht sich. Perfektion ist sowieso eine Illusion. Worte also sollen es sein, Worte der Veränderung. Woher nehmen? Wie sollen sie jeden berühren? Warum sollten sie? Wozu die Unberührbaren berühren? All der Aufwand, alle Mühe, nur um kalten Stein zu erwärmen, Seelen, die nicht schwingen wollen, Herzen, die nicht lieben wollen. Worte mögen trösten, Probleme aufzeigen, manchmal auch Lösungen, aber selten, zu selten, verändern sie jene, die der Veränderung am meisten bedürften.

      In uns allen brennen Sehnsüchte. Wir vergraben sie. Wenn sie aber niemandem wirklich schaden, warum haben wir sie zum Tabu erklärt?

      Nur Theorie kann niemandem wirklich helfen. Träume und Alpträume. Annehmen, verstehen, verfolgen, bekämpfen, ertragen … und überleben. Stärker als zuvor. Zentriert im eigenen Selbst. Wissend, was wahrhaft Bedeutung hat – und vor allem, was alles keine hat.

      Stärke und Verletzlichkeit. Ist diese Ambivalenz nicht in jedem von uns? Manche wirken stark und sind schwach, manche schauen missmutig und lethargisch drein, doch stecken voller Mut. Achte nicht zu sehr auf die Äußerlichkeiten. Es steckt immer mehr dahinter, als Dein Auge erkennen kann. Sieh auch mit dem Verstand hin, auch mit dem Bauchgefühl, auch mit dem Herzen. Und es fällt nicht leicht, dies zu formulieren, nachdem es jemand anders schon sehr viel prägnanter getan hat. Recht hatte er. Herzen füllen sich mit vielem. Auch mit Buchstaben. Was ich oder Du von Dir oder mir im Herzen tragen, ist die Wahrheit, nicht das, was die Leute sagen. Und sie nennen es Kitsch. Sie nennen unsere Gefühle falsch und albern. Sie nennen Leidenschaft unvernünftig. Sie sehen nur die Dinge, die man besser nicht sähe. Sie tun uns leid. Tun sie uns leid? Wir sind froh, dass wir nicht blind sind, und nicht kalt im Herzen.

      Manchen Angelegenheiten sollte man lieber nicht auf den Grund gehen. Die Herzen mancher Wesen sind eine einzige, erschreckende Ödnis. Bei anderen ist es der Geist. Bei manchen beides. Doch wo Wärme und Licht fehlen, da hat sich die Boshaftigkeit breitgemacht.

      Weniger ist häufig mehr und vieles klärt sich hinterher. Deswegen Augen auf und rein ins Gewühl, folge dem Herzen und dem Gefühl. Ja, ein Reim. Solche Dinge passieren. Im gleichen Takt unserer Herzen schlägt die letzte Stunde der Blindheit. Schließlich sind wir unterwegs zu uns selbst. Unsere Herzen leiden. So verzweifelt wir sind, so trotzig sind wir auch. Wir sollten aufgeben, aber wir wollen es nicht. Neue Perspektiven mit klarem Blick


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