Kleine Geschichte der deutschen Literatur. Kurt Rothmann

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erfreulichen, lieblichen Zeit.

      Lachet ihr Himmel, machet Getümmel,

      Regnet uns Segen, segnet den Regen

      Der uns in Freude verwandelt das Leid.

      CHRISTIAN HOFMANN VON HOFMANNSWALDAU (1617–1679) besang Liebe und Vergänglichkeit und bewies seine Könnerschaft mit langen Bilderketten und Vergleichsreihen z. B. »Auff ihre schultern«. Die »Vergänglichkeit der schönheit« diente dem ehrbaren Breslauer Stadtrat dabei zur dialektischen Steigerung der Erotik:

      Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand

      Dir endlich mit der zeit umb deine brüste streichen […].

      Man vergleiche auch die Bilderflut in dem Gedicht »Die Welt«! Als Gipfel spätbarocker Umschreibungssucht erfreut den heutigen Leser das »Allegorisch Sonett« eines unbekannten Verfassers:

      Amanda, liebstes Kind, du Brustlatz kalter Herzen, [usw.].

      Wohl ernst gemeint, wog die Bedeutung der sprachspielerischen galanten Dichtung leicht:

      Das Herz ist weit von dem, was eine Feder schreibet,

      Wir dichten ein Gedicht, daß man die Zeit vertreibet.

      In uns flammt keine Brunst, obschon die Blätter brennen

      Von bebender Begier – Es ist ein bloßes Nennen […]16

      bekennt SIGMUND VON BIRKEN (1626–1681).

      Der im Wortreichtum ausufernden barocken Form steht der knappe Sinnspruch gegenüber:

      Wie wilstu weisse Lilien zu rothen Rosen machen?

      Küß eine weisse Galathe: sie wird erröthet lachen.

      FRIEDRICH VON LOGAU (1604–1655), von dem dieser Sinnspruch stammt, sammelte Deutscher Sinn-Gedichte drey Tausend (1654) unter dem Pseudonym17 Salomon von Glogau. JOHANN SCHEFFLER, genannt Angelus Silesius (1624–1677), ist bekannt durch seinen Cherubinischen Wandersmann (1674), »Geistreiche Sinn- und Schlussreime« mit vorwiegend religiösem Inhalt:

      Mensch werde wesentlich: denn wann die Welt vergeht,

      So fält der Zufall weg, daß wesen daß besteht.

      Ich weiß daß ohne mich GOtt nicht ein Nu kan leben,

      Werd’ ich zu nicht Er muß von Noth den Geist auffgeben.

      Überzeugend klingen all jene Lyriker des Barock, die die schulgerechte Artistik und die formelhaften Versatzstücke der Sprache in den Dienst eines unverwechselbar eigenen Ausdruckes stellen konnten. Dies gelang vor allem PAUL FLEMING (1609–1640), SIMON DACH (1605–1659) und ANDREAS GRYPHIUS (1616–1664), der in seinen Mahngedichten »Es ist alles eitel«, »Menschliches Elende«, »Tränen des Vaterlandes / anno 1636«, »Die Hölle« und in den »Kirchhofsgedanken« die Schattenseite des Lebens mit düsteren Farben malt. Innigere Töne fanden die Kirchenlieddichter FRIEDRICH VON SPEE (1591–1635) und PAUL GERHARDT (1607–1676). Mit innerer Folgerichtigkeit verwandelten sie Luthers ›Wir‹-Lied der bekennenden Gemeinde zum ›Ich‹-Lied der gläubigen Einzelseele.

      d) Der Roman

      Die epische Großform des Romans18 ist verhältnismäßig jung. Ihr Vorläufer war das höfische Versepos (Parzival, Nibelungenlied, Tristan usw., vgl. Kap. 1c), das am Ende des Mittelalters, in Prosa aufgelöst, als Volksbuch (vgl. ) und als sogenannter Artus- oder Ritterroman fortlebte. Unter dem Einfluss des spanischen Amadis-Romans19 entwickelte sich der Ritterroman im Barock zum heroisch-galanten Roman. Das erfolgreichste Beispiel ist Die asiatische Banise oder das blutig- doch mutige Pegu (1689) von HEINRICH ANSHELM VON ZIGLER UND KLIPHAUSEN (1663–1696), die ungeheuer stoffreiche Geschichte eines Staatsstreichs in Hinterindien.

      Während das Epos ein idealtypisches Gesamtbild seiner Zeit und Gesellschaft vorzustellen versuchte, verengte der Roman den Blickwinkel auf das persönliche Einzelschicksal. Hinter der Maske naturverbundener Hirten in arkadischen Idyllen20 tauchen im Schäferroman sehr persönliche, oft autobiographische Züge auf. PHILIPP VON ZESENS (1619–1689) Adriatische Rosemund (1645) kann hier als Beispiel dienen. Das Vergnügen an den barocken Romanen steigt beim heutigen Leser, wenn die heroisch-galanten oder schäferlichen Selbststilisierungen der Gesellschaft durch ihren Außenseiter, den Schelm, gesehen und beschrieben werden und das Alamodewesen damit in Frage gestellt wird.21

      JOHANN MICHAEL MOSCHEROSCH (1601–1669) verband in den Gesichten Philanders von Sittewald (1642) diese aus Spanien stammende Form des Schelmenromans mit Formen der volkstümlichen Literatur aus dem 16. Jahrhundert: mit Narrenspiegel, Ständesatire und Schwank.22 Philanders zeitkritische Gesichte sind locker gereihte Stationen einer Höllenwanderung in Anlehnung an die Sueños (1635) des Spaniers Quevedo. Im zweiten Teil befreit sich Moscherosch ganz von dieser Vorlage und verwickelt Philander selbst in die Handlung. Im Sinne der patriotischen Sprachgesellschaften muss sich Philander vor Ariovist, Wittekind und anderen germanischen Fürsten wegen neumodischer Unsitten verantworten. Die Helden bezweifeln, dass der »Teutschling« mit den welschen Hof- und Gelehrtenmoden ihr Enkel ist. Ariovist fragt den Verfasser der satirischen Gesichte: »[…] ist euch das Wälsche Gewäsch mehr angelegen als die Mannliche Heldensprach ewrer Vorfahren?« Doch im letzten Gesicht wird der »Mischmäscher« Philander durch Gutachten von Mitgliedern der »Fruchtbringenden Gesellschaft« (vgl. Kap. 3a) rehabilitiert.

      Moscherosch gilt als unmittelbarer Vorläufer des HANS JAKOB CHRISTOFFEL VON GRIMMELSHAUSEN – nicht zuletzt, weil der Weltgucker Philander im vorletzten Gesicht, von Reitern verschleppt, zum Soldatenleben gezwungen wird. Grimmelshausen wurde 1621/22 in Gelnhausen geboren. Bei der Zerstörung der Stadt durch die Kroaten floh der Zwölfjährige nach Hanau. Ein Jahr darauf geriet er in hessische Gefangenschaft und zog von da an als Trossbub, Musketier und Regimentsschreiber, dem wechselnden Kriegsglück folgend, bald unter kaiserlichen, bald unter schwedischen Fahnen während der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges durch Deutschland. Nach Kriegsende heiratete er und ließ sich als Gutsverwalter und Gastwirt im Badischen nieder, wo er 1676 als Schultheiß von Renchen starb.

      Was Grimmelshausen erlebt und was er gelesen hatte, verarbeitete er planvoll und mit großem erzählerischen Geschick zu einem einzigartigen Zeitgemälde, dem Schelmenroman Der abentheurliche Simplicissimus Teutsch (1669). Der Knabe Simplicissimus beginnt sein Leben im ersten Buch als Einsiedler, als reiner Tor wie Parzival. Das dritte Buch zeigt den Jüngling als »Jäger von Soest« auf dem Höhepunkt äußerer Erfolge und auf dem Tiefpunkt moralischer Bedenkenlosigkeit. Im fünften Buch entsagt der gereifte Mann der eitlen Welt, um wieder Einsiedler zu werden. Allerdings bricht Simplicissimus in einem angehängten sechsten Buch erneut zur Weltreise auf. Diese Continuatio (1669) stellt die Tektonik23 des Romans in Frage und lässt bezweifeln, dass Grimmelshausen einen zielgerichteten Entwicklungsroman unter dem Motto »nosce te ipsum« (»erkenne dich selbst«) schreiben wollte. Simplicissimus entfaltet sich weder stufenweise wie Parzival noch kontinuierlich wie Wilhelm Meister, sondern bleibt, trotz des Mottos, »ein Ball des unbeständigen Glücks«. Die stoffliche Ausweitung des Romans in einer Reihe simplizianischer Schriften, etwa in Trutz Simplex Oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche (1670) und Der seltzame


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