Deine Wahl. Christopher Peterka

Deine Wahl - Christopher Peterka


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Für ein paar Sekunden können wir vergessen, dass wir vollkommen gestresst sind, obwohl wir eben noch gestört wurden. Denn auch wenn wir es noch nicht ganz durchdacht haben, ist uns bewusst, dass wesentliche Grundlagen unserer Existenz untergraben werden. Und seien wir ehrlich: Wer hat schon die Zeit oder die Ruhe, sich mit dieser Art Phänomen auseinanderzusetzen – wo es doch unmöglich scheint, es überhaupt auf den Punkt zu bringen, geschweige denn, mit seinem Ausmaß klarzukommen?

      Genau aus diesem Grund haben wir dieses Buch geschrieben. Denn die Frage ist offensichtlich nicht: Bist du ein Vollidiot oder bist du großartig? Ganz klar bist du beides. Die Frage ist: »Wie kann man großartig sein und dabei nicht so wütend werden, dass man jemanden hinauswirft, oder dabei nicht so in Depression verfallen, dass du das Handtuch werfen willst?« Oder kein dystopischer, unglücklicher Misanthrop werden, der von Verschwörungstheorien besessen ist und glaubt, alle anderen seien an der eigenen Misere schuld. Oder zu keinem passiven Lemming, der jede tragbare Alternative an sich vorbeiziehen lässt und hofft, mit ein paar Achtsamkeitsübungen wenigstens bei Verstand zu bleiben. Wenn du einmal verstanden hast, dass dies die Frage ist, kannst du anfangen, sie zu beantworten – und Dinge zu verändern.

      Der Untertitel für dieses Buch lautet: Eine Einladung, am Systemwechsel mitzuwirken. Es gilt, den kleinmütigen Diskurs unserer Zeit zurückzulassen und sich zu entscheiden, auf welcher Seite man steht. Das meinen wir im Prinzip wörtlich. Es ist wichtig, eine Entscheidung zu fällen, ob man zu dem wird, was wir als analogen Opportunisten bezeichnen, oder zu dem, was wir einen progressiven Optimisten nennen.

      Uns ist aber auch klar, dass das alles nicht ganz so einfach, auch nicht entweder schlicht schwarz oder schlicht weiß ist. Oder, wie das Cover suggeriert, einfach eine Frage nach der roten oder der blauen Pille. Wir wollen dich jedoch auch ein bisschen aufrütteln – auf die denkbar freundlichste Art –, sodass du feststellen wirst, dass wir gewagte Aussagen machen und auch mal eine Provokation in den Raum stellen. So läuft das heute im Tumult unserer Welt und ist auch ein Zeichen unserer Zeit.

      Fakt ist, dass jeder von uns, wie vieles andere auch, ein ganzes Spektrum darstellt. Oder ein Raster. Also haben wir am Ende jedes Kapitels Behauptungen aufgestellt, die dir bei ehrlicher Beantwortung erlauben, dich auf dem Spektrum zwischen analogem Opportunisten und progressivem Optimisten zu verorten. Und wieder handelt es sich – wie bei so vielen Dingen – um eine nicht ganz so eindeutige Angelegenheit. Nur weil du heute mehr in der Welt von gestern zu Hause bist, muss das nicht heißen, dass du dort für alle Ewigkeit feststeckst. Außer natürlich, es ist deine Überzeugung, dort zu bleiben, dass es das ist, was du wirklich willst: deine Wahl. Und wenn nicht, dann können wir dir dabei helfen, ein progressiver Optimist zu werden. Tatsächlich würden wir uns am meisten darüber freuen, wenn das Buch genau diesen Effekt für dich hätte.

      Die große Entscheidung, die der Buchtitel anbietet, ist tatsächlich eine ganz simple. Es ist eine kontinuierliche Entscheidung, die jeden Tag deines Lebens ansteht: Gibst du nach, resignierst du oder tust du nichts? Oder inspirierst du dich, triffst eine positive Wahl, änderst deine Welt ein bisschen, jeden Tag zum Besseren.

       [DU KANNST DEN PLANETEN WIEDER GROSSARTIG MACHEN.]

      Wir haben natürlich eine Präferenz. Für uns ist klar, dass, solange du einfach nur in Panik gerätst, du gelähmt und hilflos bleibst. Das hilft denen, die Herrschaft über dich etablieren wollen. Wenn du wütend bist, bist du emotional geladen und irrational. Das hilft denen, die dich beeinflussen wollen, weil es für sie leicht ist, diese Wut anzuzapfen und dich dazu zu bringen, Dinge zu tun und zu sagen, die vielleicht nicht deiner eigentlichen Überzeugung entsprechen. Du fängst an, Feinde zu sehen, wo keine sind, und anstatt dich mit deiner unermesslichen Fähigkeit zu lieben zu verbinden, fängst du an, Dinge zu hassen. Vor allem »andere« Leute.

      Es gibt Manipulateure und Agitatoren, die genau das wollen: dass du wütend bist, irrational, gehässig und gewalttätig. Solange das der Fall ist und wir uns gegenseitig bekämpfen, können sie sich im wahrsten Sinne alles erlauben.

      Unsere Aufforderung ist also: Ja, werde wütend, gerate in Panik. Wenn du aber das Wütendsein und die Panik hinter dich gebracht hast – freu dich. Denn du kannst Dinge ändern. Du kannst die Kontrolle zurückholen. Über dein Leben, über das, was du willst und brauchst, über deinen Blick auf die Welt und über deine Beziehungen zu deinen Mitmenschen. Du kannst dich komplett neu kalibrieren. Du kannst sogar unseren Planeten wieder großartig machen.

      Vielleicht ist es unmöglich, die Trillion an Faktoren zu kontrollieren, die aktuell dein Leben beeinflussen. Vielleicht stehen dir auch nicht die Ressourcen zur Verfügung, um jede Schlacht um dich herum zu bestreiten. Aber vielleicht ist das auch gar nicht notwendig. Denn die Kontrolle zurückzuholen bedeutet, zu einem Teil loszulassen. Zu akzeptieren, dass unsere Welt flüssig geworden ist, ungewiss, unvorhersehbar. Du kannst lernen, deinen Griff zu lockern, frei und anmutig, und eine neue Art von Stabilität finden in der Bewegung. Wenn das widersprüchlich klingt, dann, weil es das ist. Sei der Widerspruch! Blüh auf im fließenden Zustand der semidigitalen, semihumanen Existenz, auf die wir hintreiben: ebenso »virtuell« wie »real«. Das kannst du überall auf der Welt tun. Ohne Wut. Ohne Gewalt. Ohne Hass.

      Und es ist wahr: Wir leben in wütenden, gewalttätigen, hasserfüllten Zeiten. Nicht zum ersten Mal und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal. Nichtsdestotrotz: Wir müssen uns in unserer Zeit orientieren und Wege finden, zusammen frei zu sein, ohne uns gegenseitig zu verletzen, um Meinungen zu hören und unsere eigenen zu vertreten, ohne uns angegriffen zu fühlen, Raum und Zeit zu schaffen, damit unser Geist ruhen und tatsächlich denken kann. Wir müssen neue Wege finden, Menschen zu sein. Verletzlich, schön, fehlerhaft; zugleich anmutig, großzügig und respektvoll. Wertschätzend. Uns selbst gegenüber, gegenüber denen, mit denen wir den Planeten teilen, gegenüber dem Planeten, mit dem wir unser Leben teilen.

      Und das bedeutet, uns selbst im Anthropozän neu zu verstehen.

      Manche von euch werden nun weise nicken und sich denken: »Klaro.« Andere werden sich fragen: »Was soll denn das jetzt? Was zum Teufel ist das Anthropozän?«

      DAS ANTHROPOZÄN

      Es wird viel darüber debattiert, was genau das Anthropozän ist. Einig ist man sich darüber, dass es die Periode mit dem signifikantesten Einfluss von uns Menschen auf die Erde und alles, was sich darauf befindet, bezeichnet. Den signifikantesten Einfluss. Signifikanter als alles andere. Nicht nur ein Kratzer an der Oberfläche mit ein bisschen Waldrodung zur Feldbestellung oder einer ausgestorbenen Tierart, die zu viel gejagt wurde, sondern ein Einfluss, mächtiger und langfristiger als alle anderen Einflüsse zusammen: Das Anthropozän ist das Zeitalter menschlicher Konsequenz. Das Zeitalter, in dem die Menschen die Erde vollständig beherrschen und sie in einem solchen Ausmaß beeinflussen, dass es sogar das Wetter betrifft.

      Unklar ist allerdings, wann es beginnt. Manche sagen, es begann vor 12 000 bis 15 000 Jahren, als wir die Landwirtschaft entwickelten und begannen, großflächig Wälder abzuholzen, weitläufig Landstriche umzuwandeln, um sie landwirtschaftlich zu nutzen und in Siedlungen zu leben.

       [DAS ANTHROPOZÄN IST DAS ZEITALTER MENSCHLICHER KONSEQUENZ.]

      Andere sehen den Beginn des Anthropozäns in der aufkommenden industriellen Revolution, wofür es auch gute Argumente gibt. Von 1760 bis etwa 1840 ändert die industrielle Revolution vollständig die Art, wie wir Energie und menschliche Ressourcen verwenden. Wir wandeln uns von einer vorwiegend ländlich verankerten Spezies zu einer, die in Städten lebt.

      Wir beschleunigen unsere Produktionsmethoden immens, und anstatt vorwiegend zu verwenden, was auf dem Boden liegt oder aus ihm herauswächst, wie zum Beispiel Holz, um unseren Energiebedarf zu decken, graben wir nun tief in die Erde hinein und beginnen, Kohlereserven auszuschöpfen. Wir verbrennen fossile Stoffe in einem Umfang wie niemals etwas anderes zuvor. Und wir gedeihen: Manche von uns leben in Armut und unter miserablen Bedingungen, Kinder müssen in Minen hineinklettern, in denen ihre Lungen verstauben, eine Hölle, die zwölf Stunden am Tag ihren Arbeitsplatz darstellt, ganze Bevölkerungen werden versklavt, und Menschen sterben an Cholera und Unterernährung, aber als Spezies explodieren


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