Hölderlins griechische Seele. Michael Ladwein

Hölderlins griechische Seele - Michael Ladwein


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      In den vergangenen mindestens eineinhalb Jahrtausenden der Herrschaft einer praktisch alles geistige Leben in Europa kontrollierenden Kirche war allerdings der Gedanke an eine mögliche mehrfache irdische Verkörperung des Menschen mit allen zu Gebote stehenden Machtmitteln unterbunden worden. In der Blütezeit der griechischen Kultur jedoch (allerdings noch nicht bei Homer) wurde diese Vorstellung (als Palingenese oder Metempsychose) zunächst, dabei wohl viel ältere im Volk lebende Anschauungen aufgreifend und systematisierend, in der Schule des Pythagoras gepflegt, zugleich aber auch in der Mysterienströmung der Orphiker (6. Jahrhundert), ferner bei dem Dichter Pindar, bei den vorsokratischen Philosophen Pherekydes und Empedokles, latent auch in den eleusinischen Mysterien.

      In der Philosophie Platons schließlich erfuhren diese Denkformen ihre eigentliche Öffentlichmachung und bestanden, wenn auch weitgehend untergründig, bis zum Ende der antiken Kultur, auch in deren christlicher Ausprägung, fort.8 Aber auch im vorderen Orient lebten entsprechende Vorstellungen. In den Evangelien finden sich wenigstens zwei, von den meisten tonangebenden Theologen allerdings bestrittene, einschlägige Hinweise (Mt 11,14; Joh 9,1–3). Doch hat, wie erwähnt, die sich etablierende Kirche, auch nachdem sie in mehrere Konfessionen zerfallen war, dies alles in ihrem Abwehrkampf gegen tatsächliche oder auch vermeintliche gnostische Ausuferungen verdammt.9

      In der Neuzeit jedoch, in der Aufbruchstimmung des 18. Jahrhunderts, hat es sich Lessing nicht nehmen lassen auszusprechen: »Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel weg, dass es der Mühe wiederzukommen etwa nicht lohnet? Darum nicht? – Oder, weil ich es vergesse, dass ich schon da gewesen? Wohl mir, dass ich das vergesse. Die Erinnerung meiner vorigen Zustände würde mir nur einen schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu machen erlauben. Und was ich auf itzt vergessen muss, habe ich denn das auf ewig vergessen? Oder weil so zu viel Zeit für mich verloren gehen würde? – Verloren? – Und was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?« (Die Erziehung des Menschengeschlechts). Und an anderen Stellen: »Ist es denn schon ausgemacht, dass meine Seele nur einmal Mensch ist? Ist es denn schlechterdings so ganz unsinnig, dass ich auf meinem Wege der Vervollkommnung wohl durch mehr als eine Hülle der Menschheit durchmüsste? Vielleicht war auch dieser Wanderung der Seele durch verschiedene menschliche Körper, ein ganz neues eigenes System zum Grunde? Vielleicht war dieses neue System kein anderes, als das ganz älteste.« (Aus einem Bogen sehr unleserlicher Anmerkungen über die Philosophischen Gespräche, über die unmittelbare Bekanntmachung der Religion und über einige unzulängliche Beweisarten derselben). – »Dieses mein System ist gewiss das älteste aller philosophischen Systeme. Denn es ist eigentlich nichts als das System von der Seelenpräexistenz und Metempsychose, welches nicht allein schon Pythagoras und Platon, sondern auch vor ihnen Ägyptier und Chaldäer und Perser, kurz alle Weisen des Orients, gedacht haben« (Dass mehr als fünf Sinne für den Menschen sein können).

      Und Lessing stand damit nicht alleine. Praktisch alle bedeutenden Geister der sogenannten Goethezeit haben den Gedanken der wiederholten Erdenleben teils offen überzeugt, teils andeutend und in poetische Form gekleidet ausgesprochen, teils auch noch mit sich ringend oder auch zweifelnd innerlich bewegt. So zum Beispiel Goethe in seinem Gespräch mit Johannes Falk anlässlich Wielands Begräbnis. Sein Schwager Johann Georg Schlosser stieß mit seiner zweibändigen Schrift Über die Seelenwanderung (1781 und 1783) gerade in Weimar auf ein lebhaftes Interesse.10 Ferner Schiller, Lichtenberg, Jean Paul, Hölderlin selbst, viele Romantiker wie Friedrich Schlegel oder Novalis, der in seinem Heinrich von Ofterdingen den Pilgrim und das Mädchen diese Worte sprechen lässt: »Seit wann bist du hier?« – »Seitdem ich aus dem Grabe gekommen bin.« – »Warst du schon einmal gestorben?« – »Wie könnt ich denn leben?« […] »Woher kennst du mich?« – »O! von alten Zeiten.«

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