Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3. Holger Dahl
kollektive Erhöhung vorsehen, unabhängig von irgendwelchen individuellen Leistungsbeiträgen. Daneben finden sich Systeme, die einen kollektiven Teil haben (gleicher Prozentsatz für alle) und einen individuellen Teil. Das Regelwerk, nach dem dieser individuelle Teil vergeben wird, reicht dabei von „Nasenfaktor“ über „Leitsätze“ bis hin zu „Rechenmodell“. Häufig spielt der Aspekt Mitarbeiterleistung eine Rolle bei der Höhe der individuellen Gehaltsanpassung, aber auch die aktuelle Lage des Einkommens im jeweiligen Gehaltsband. Weitere Aspekte wie „Abwanderungsgefahr des Mitarbeiters“ oder „regionale Besonderheiten in Ballungszentren“ o.Ä., fließen nicht selten ebenfalls ein. Gerade beim Aspekt der Spielregeln für Gehaltsanpassungen führen Unternehmen häufig intensive Diskussionen mit den Betriebsräten. Deren Anliegen nach Nachvollziehbarkeit und Fairness ist in diesem Punkt nur allzu verständlich, ist doch gerade die Handhabung von Gehaltserhöhungen ein häufiger Streitpunkt und Quell der Unzufriedenheit von Mitarbeitern. Was man als Entwicklung beobachten kann in dieser Fragestellung, ist eine vorsichtige Abkehr der Unternehmen von Modellen mit zu vielen Freiheitsgraden. Stattdessen halten Automatismen Einzug in die betriebliche Vergütungsfindung, insbesondere bei der Gehaltsentwicklung von „Young Professionals“, für die mitunter gleich zu Anbeginn ein klarer Entwicklungsplan festgelegt wird, was deren Gehaltssteigerung in den ersten Jahren anbelangt. Was versprechen sich die Unternehmen davon? Eine der Zielsetzungen hierfür mag sein, dieser begehrten Zielgruppe eine gewisse Sicherheit in ihrer Gehaltsentwicklung zu geben und sie so hoffentlich an das Unternehmen zu binden.
VI. Variable Vergütung
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Fast jedes Unternehmen arbeitet heute mit variabler Vergütung, leistungsbezogenen Entgelten oder Boni. Der Einführung dieser Modelle liegen unterschiedliche Annahmen zugrunde. Variable Vergütungsmodelle haben zumeist die Zielsetzung, Mitarbeiter am Erfolg der Organisation partizipieren zu lassen. Über die Bindung dieser Modelle an unternehmerische Kenngrößen, so die Annahme, entsteht eine gewisse Kostenflexibilität, in guten Jahren partizipieren alle am Erfolg, in weniger guten Jahren „leiden“ alle quasi gemeinsam. Neben der Koppelung der Auszahlung an den Unternehmenserfolg haben sich auch leistungsbezogene Entgelte, welche die individuelle Leistung des Mitarbeiters honorieren, in den letzten Jahren umfassend etabliert. Basierend auf dem Ergebnis einer Leistungsbeurteilung oder auch dem Erreichungsgrad der individuellen Zielvereinbarung wurden diese Entgelte gezahlt. Die Idee dahinter war, dass Mitarbeiter durch den monetären Anreiz motiviert werden, Ziele zu erreichen oder ihre Leistung zu steigern. Auch bei der Ausgestaltung dieser Systeme gibt es umfassende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, sowohl was die Struktur der Vergütung anbelangt (wie hoch sind mögliche variable Anteile, und wenn ja für wen gelten welche Strukturen) als auch die Festlegung von Zielen und deren Erreichung. Um dort mit der Mitbestimmung Konsens über eine Ausgestaltung zu erzielen, macht es Sinn, gemeinsam über die Zielsetzung des Systems und dessen Regelwerk zu sprechen.
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Nun hat sich gerade im Thema variable Vergütung und Bonus in den letzten fünf Jahren ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen. Noch Anfang der 90er Jahre haben nahezu alle Unternehmen Zielvereinbarungen eingeführt und diese wegen der vermuteten Motivationswirkung mit einem individuellen Bonus verknüpft. Bei der Einführung dieser Modelle stellten sich ein paar unerwünschte Effekte ein. Erstens wurde schnell klar, dass die Formulierung guter Ziele ein anspruchsvolles Unterfangen ist. Dann wurde sichtbar, dass nicht sauber formulierte Ziele zu subjektiven Zielbewertungen führten. Dies hatte in der Koppelung an einen Bonus den Effekt, dass häufig viel Geld für die individuellen Zielerreichungen ausgezahlt wurde, obwohl das Unternehmen insgesamt gar nicht erfolgreich war. Kostenflexibilität stellte sich nur selten ein. Und schlussendlich lieferte die Sozialforschung den Nachweis, dass variable Vergütung, die an individuelle Leistung geknüpft ist, gar nicht motiviert. Stattdessen fand man heraus, dass zur Mitarbeitermotivation eher Dinge wie Eigenverantwortung, Wertschätzung, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten und der sichtbare Beitrag zum großen Ganzen („Purpose“) erforderlich sind. In Kombination mit der Notwendigkeit, heute zur Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen viel stärker im Team zusammen zu arbeiten, gibt es mittlerweile eine breite Bewegung, die Zahlung eines Bonus nur noch an Unternehmensziele zu knüpfen und die individuellen Ziele vom Bonus zu entkoppeln
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Auch diese (erneute) Veränderung erfordert die Beteiligung des Betriebsrats, der dabei, so die Erfahrung, vor allem Wert auf ein faires Migrationsmodell legt. Ein wichtiger Punkt: Hohe Zahlungen an Mitarbeiter für individuelle Zielerreichungen der vergangenen Jahre müssen in irgendeiner Form abgesichert werden bzw. sinnvoll und ohne essenzielle Nachteile für Mitarbeiter überführt werden.
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Fasst man die Fragestellungen, die bei der Gestaltung eines variablen Vergütungsmodells zu beantworten sind zusammen, so muss geklärt werden: Welche Mitarbeiter sollen eine variable Vergütung erhalten, alle oder nur bestimmte Mitarbeitergruppen wie z.B. der Vertrieb? Wie soll das Modell im Detail aussehen (u.a. Höhe der Variabilität, Messgröße von der die variable Vergütung abhängt, Bewertungsregeln für Erfolg oder Misserfolg)? Und welche „Philosophie“ verfolgt das Modell?
Abb. 5: Folgende Themen müssen bei der Gestaltung eines variablen Vergütungssystems definiert werden. Quelle: Lurse AG
VII. Fazit: Universallösungen gibt es nicht
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„One size fits all“, so zeigen diese Beispiele, gibt es in der Vergütungspolitik nicht. Der Prozess innerhalb der Vergütungsgestaltung dient als Leitfaden zur Orientierung. Letztlich muss aber jedes Unternehmen die oben aufgeführten Leitfragen für sich ganz spezifisch klären. Dabei ist es immer wieder wichtig zu fragen: Was genau wollen wir erreichen? Für welchen Mitarbeitertyp wollen wir als Arbeitgeber attraktiv sein? Welche Kultur wollen wir durch unser System prägen, und was passt zu dieser Kultur? Wie ist der Reifegrad unserer Führungskräfte, mit wieviel Freiheitsgraden in Systemen können diese gut umgehen? Wie sieht unser Geschäftsmodell aus, und mit welchen Instrumenten wird dies sinnvoll unterstützt? Aus der Beratungserfahrung sind es gerade diese Aspekte, die darüber entscheiden, ob ein Vergütungssystem Akzeptanz in der Organisation findet. Die Passung des Systems zum Unternehmen ist dabei elementar.
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Zunehmend Relevanz gewinnen auch gesellschaftliche Entwicklungen wie die Themen Generation Yoder Digital Natives. Diese Mitarbeitergruppe hat andere Erwartungen und Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Hohe Freiheitsgrade, vernetztes Arbeiten, lebensphasenorientierte Gestaltung, Anpassung an sich im Laufe eines Erwerbslebens ändernde Präferenzen, Flexibilität bei der Zusammensetzung des Vergütungspaketes (Barvergütung und Zusatzleistungen) entsprechend der individuellen Bedürfnisse – das sind nur einige Stichworte, auf die Unternehmen bei der konkreten Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen und damit auch von Vergütungssystemen neue Antworten finden müssen. Die Abkehr von dem einen oder anderen klassischen Paradigma wird sicher die Folge sein.
Abschnitt 1 – Perspektive Arbeitgeberin
I. Einleitung
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Die Mitbestimmung in Fragen des Entgelts war und ist in der betriebsverfassungsrechtlichen Beratung von besonderer Bedeutung. Dies ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass sich die Mitbestimmung in Entgeltfragen oft nicht im Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erschöpft. Je nach Thematik können weitere Mitbestimmungstatbestände einschlägig sein, welche das Recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erweitern. Sobald zum Beispiel Sozialleistungen, welche nach heutigem Verständnis „Lohn“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darstellen,1 von einer Sozialeinrichtung erbracht werden, richten sich Form, Ausgestaltung und Verwaltung derselben nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Bei Vermietung von Wohnräumen an Arbeitnehmer wird zusätzlich