Der Lizenzvertrag. Michael Groß
eines Schuldverhältnisses nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Verpflichtung erwachsen kann, gegen Verletzer vorzugehen.“104 Dieser Rechtsauffassung ist zuzustimmen.
Der Bundesgerichtshof verweist darauf, dass Meistbegünstigungsklauseln den Zweck haben, dass der durch eine solche Klausel begünstigte Lizenznehmer nicht schlechter stehen soll als andere Lizenznehmer am gleichen Schutzrecht und der Lizenznehmer sich mit der Klausel insbesondere Sicherheit dafür verschaffen will, dass andere Lizenznehmer infolge einer geringeren Belastung durch Lizenzabgaben das Erzeugnis nicht niedriger kalkulieren und daher zu einem günstigeren Preis auf den Markt bringen können. Zu Recht verweist er darauf, dass dieser wirtschaftliche Zweck der Meistbegünstigungsklausel im praktischen Ergebnis u.U. jedoch dann nicht erreicht wird, wenn dritte Personen das Schutzrecht unberechtigt benutzen und dadurch, weil sie im Gegensatz zum Lizenznehmer keine Lizenzgebühren zahlen, dessen Konkurrenzlage beeinträchtigen. In einem derartigen Fall kann und wird nach dem Bundesgerichtshof in der Regel beim Vorhandensein einer Meistbegünstigungsklausel nach Treu und Glauben eine der Sicherung des positiven Benutzungsrechts des einfachen Lizenznehmers dienende Nebenpflicht des Gebers einer entgeltlichen einfachen Lizenz zu bejahen sein, gegen die Verletzer vorzugehen.105 Es handelt sich dabei im Übrigen rechtlich nicht um eine vom Lizenznehmer selbstständig einklagbare Nebenpflicht des Lizenzgebers, sondern106 um eine „Last“ im Sinne einer Verteidigungslast des durch eine Meistbegünstigungsklausel gebundenen Lizenzgebers. Erfüllt der Lizenzgeber seine „Verpflichtung“ nicht, duldet er vielmehr fortgesetzte Verletzungshandlungen eines Dritten, ohne dagegen einzuschreiten, kann das Bestehen auf Lizenzzahlungen seitens des Lizenzgebers unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit gegen Treu und Glauben verstoßen. Die fortgesetzte Duldung von Verletzungshandlungen eines Verletzers kann der Gewährung einer Freilizenz gleichkommen, so dass sich der Lizenzgeber, der eine Meistbegünstigung eingeräumt hat, nach Treu und Glauben so behandeln lassen muss, als habe er eine Gratislizenz gewährt, auf die der Lizenznehmer kraft seines Meistbegünstigungsrechts gleichfalls Anspruch hätte.107
Bei der nach § 242 BGB zu beurteilenden Frage, ob eine „Verpflichtung“ des Lizenzgebers in dem gekennzeichneten Sinne besteht, kommt es auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls an. Entgegen der Meinung der Revision kann eine generelle „Verpflichtung“ des Lizenzgebers, d.h. eine schlechthin und unbedingt bestehende Verpflichtung, gegen jeden dritten Verletzer vorzugehen, in dieser Allgemeinheit nicht anerkannt werden. Es kommt stets auf den Einzelfall an, ob eine solche Verpflichtung besteht, wie weit sie geht und welche Auswirkungen die Missachtung einer derartigen Verpflichtung hat.108
e) Keine Abtretung des Unterlassungsanspruchs
423
Ist der Lizenzgeber selbst nicht gewillt, seinen Anspruch auf Unterlassung geltend zu machen, so erhebt sich die Frage, ob der Unterlassungsanspruch abgetreten werden kann. Unterlassungsansprüche sind in der Regel höchstpersönlicher Art und können daher nicht abgetreten werden.109 Eine Ausnahme besteht, wenn sie mit einem Recht verknüpft sind, wie dies z.B. bei den Unterlassungsansprüchen, die aus dem Schutzrecht entspringen, der Fall ist. Sie können dann zusammen mit diesem Recht abgetreten werden.110 So führt das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 15.6.1935111 aus, dass der Unterlassungsanspruch nur mit dem Patentrecht abgetreten werden kann.
f) Einräumung der Prozessführungsbefugnis
424
Wenn auch die Abtretung des Unterlassungsanspruchs nicht als zulässig zu erachten ist, kann fast das gleiche Ergebnis dadurch erzielt werden, dass der Lizenzgeber den einfachen Lizenznehmer ermächtigt, den Unterlassungsanspruch in eigenem Namen für Rechnung des ermächtigenden Patentinhabers geltend zu machen, vorausgesetzt, der Ermächtigte hat ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung des Rechtes.112 Das Reichsgericht betonte in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass auf diese Weise dem praktischen Bedürfnis Genüge getan wird, dem ein Klagerecht nicht besitzenden Inhaber einer einfachen Lizenz die Klage durch eine solche Ermächtigung zu ermöglichen.113 Die Prozessführungsbefugnis kann auch für alle während der Lizenzdauer vorkommenden Verletzungshandlungen eingeräumt werden. Die Frage, ob der Lizenzgeber die Prozessführungsbefugnis an mehrere Lizenznehmer erteilen kann, ist zu verneinen, weil die Prozessführungsbefugnis der Abtretung eines Anspruchs sehr nahe kommt und eine Abtretung nur einmal wirksam erfolgen kann. Wäre die Erteilung der Prozessführungsbefugnis für denselben Anspruch an verschiedene Personen möglich, so widerspräche dies der Prozessökonomie.
4. Unterlassungsanspruch bei Lizenzverträgen, denen keine Schutzrechte zugrunde liegen114
425
Ein Unterlassungsanspruch besteht nur dann, wenn die Nachahmung des nicht geschützten Lizenzgegenstandes einen unlauteren Wettbewerb darstellt.115 Zur Erhebung der Klage ist dann sowohl der Lizenznehmer als auch der Lizenzgeber berechtigt.
87 BGH, 19.6.1951, BGHZ 2, 394; BGH, 18.12.1969, GRUR 1970, 358, 360; OLG Karlsruhe, 5.3.1980, GRUR 1980, 784; Benkard, PatG, Rn. 27 f. zu § 139. 88 RG, 17.12.1920, RGZ 101, 135, 138. 89 Vgl. Benkard, PatG, Rn. 17 zu § 139; Bueb, GRUR 1938, 470; Dyckerhoff, GRUR 1933, 613; Klauer/Möhring, PatG, Anm. 34 zu § 9; Rasch, S. 72; Reimer, PatG, Anm. 65 zu § 9; anderer Meinung Lutter, GRUR 1933, 441. 90 Vgl. Rn. 400. 91 Kisch, S. 218; Klauer/Möhring, PatG, Rn. 31 zu § 9; Petzcker, Anm. 32 Ziff. 1 zu § 6; Rasch, S. 54; Reimer, PatG, Anm. 64 zu § 9. 92 Vgl. Rn. 39, 381. 93 Vgl. Rn. 15. 94 § 581 Abs. 2 i.V.m. 535 BGB. 95 Pietzcker, Anm. 18 zu § 6. 96 Rasch, S. 31 ff. 97 Benkard, PatG, Rn. 101 zu § 15; Isay, Anm. 15 zu § 6; Klauer/Möhring, PatG, Rn. 45 zu § 9; Pietzcker, Anm. 29b zu § 6; Tetzner, Anm. 43 zu § 9; vgl. aber auch RG, 15.6.1932, MuW 1932, 466. 98 Reimer, PatG, Anm. 72 zu § 9. 99 Vgl. den Überblick bei Palandt/Weidenkaff, § 535 Rn. 27. 100 Vgl. Rn. 85 f. 101 Vgl. dazu Checkliste (Anhang I) D. 17. 102 Vgl. dazu Rn. 446. 103 S.o. erst Rn. 279, 381 und dann BGH, 29.4.1965, GRUR 1965, 591; vgl. auch GVO Patent Art. 2 Abs. 1 Nr. 11 GVO Know-how, Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 GVO TT. 104 Vgl. dazu Benkard, PatG, Rn. 153 zu § 15; Klauer/Möhring, PatG, Rn. 45 zu § 9. 105 Übereinstimmend Lüdecke/Fischer, C 61 und C 107, sowie Rasch, S. 49. 106 BGH, 29.4.1965, GRUR 1965, 591 mit ausdrücklichem Hinweis auf Lüdecke/Fischer, C 107. 107 BGH, 29.4.1965, GRUR 1965, 591 f.; Lüdecke/Fischer, C 61 und C 107; Rasch, S. 49; Benkard, PatG, Rn. 153 zu § 15. 108 BGH, 29.4.1965, GRUR 1965, 591 f.; Benkard wie vor. 109 A.A. KG, 11.1.1933,