Der Lizenzvertrag. Michael Groß
vor Vertragsschluss gescreent werden.27
Die Praxis der Exportkontrolle soll anhand eines Beispielfalls skizziert werden:
Ein in Deutschland ansässiger Lizenzgeber schließt mit einem in Indien ansässigen Lizenznehmer einen Lizenzvertrag über die Nutzung von Software. Die auf einer CD befindliche Software soll mitsamt Anleitung auf dem Postweg von Deutschland nach Indien versandt werden.
Nachdem die Sanktionslistenprüfung von dem Vertragspartner negativ war und im ersten Schritt geklärt ist, dass die Ausfuhr nicht von einem Embargo erfasst und es auch kein Rüstungsgut ist, ist zu prüfen, ob es sich um ein gelistetes sog. „Dual-Use“ Gut handelt, die Ausfuhr mithin wegen des doppelten Verwendungszwecks genehmigungspflichtig ist. Für Software ist dies anhand Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste als Anlage zur AWV und in Anhang I der Dual-Use VO dort in den Kategorien 0–9 jeweils in der Gattung D („Software“) i.V.m. der Allgemeine Software-Anmerkung (ASA) zu ermitteln. Gegebenenfalls ist bei der Ausfuhrlistenprüfung die Hinzuziehung von technischem Sachverstand nötig. Ist die Software gelistet, muss eine Ausfuhrgenehmigung eingeholt werden. Da Ausfuhren nach Indien nicht von der Allgemeinen Ausfuhrgenehmigung der Gemeinschaft Nr. EU001 erfasst sind, ist eine Einzelausfuhrgenehmigung beim BAFA zu beantragen. Die Erteilung einer Einzelausfuhrgenehmigung dauert in der Regel zwischen zwei und vier Wochen, kann allerdings in Einzelfällen – abhängig von Ausfuhrgut, Empfänger und Empfängerland – auch mehrere Monate in Anspruch nehmen. Dem Antrag auf Einzelausfuhrgenehmigung muss oftmals auch ein Endverbleibsdokument (EVEen, ICs) beigefügt werden. Die Ausstellung eines Endverbleibsdokuments kann, vor allem bei ausländischen staatlichen Stellen, durchaus auch eine gewisse Zeit dauern, die bei der Durchführung des Ausfuhrvorgangs einzuplanen ist. Ist die Software von den Güterlisten nicht erfasst, kann eine Ausfuhrgenehmigung aufgrund positiver Kenntnisse einer kritischen Verwendung der Software trotzdem erforderlich sein. Diese Genehmigungspflicht ergibt sich aus dem Art. 4 der Dual-Use VO sowie aus dem § 9 AWV (sog. Catch-all-Klausel).
2. Nach EU-Recht
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Für die EU-Mitgliedstaaten gilt aufgrund der oben genannten EG-VO (Nr. 428/2009, vormals EG-VO Nr. 1334/2000), das Gleiche, da es sich um harmonisiertes Gemeinschaftsrecht handelt, welches die EU-Mitgliedstaaten jeweils in ihr nationales Recht überführt haben. Die zahlreichen Genehmigungsvorschriften in anderen Ländern (Drittstaaten) lassen sich nur schwer überblicksartig darstellen, zumal sie ebenfalls häufig geändert werden. Von besonderer Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang das US-(Re-)Exportkontrollrecht, das auch für deutsche Exporte von Bedeutung sein kann. Eine Besonderheit des US-amerikanischen Außenwirtschaftsrechts ist, dass die USA ihre Zuständigkeit für die Kontrollen von Gütern (Waren, Technologie Software) mit US-Ursprung nicht nur innerhalb der USA, sondern weltweit bejahen. Aus diesem Selbstverständnis enthält das US-Recht – die dazugehörigen Export Administration Regulations (EAR)28 – gesetzliche Vorgaben für die Ausfuhr von US-Gütern und Technologien aus Deutschland (sog. Reexporte). Durch die EAR wird der (Re-)Export, sowohl der sog. Dual-use-Güter, als auch rein kommerzieller Wirtschaftsgüter, ohne militärische Bedeutung, geregelt. Welche Güter Dual-use-Güter sind, ist in den zehn Kategorien der „Commerce Control List“ (CCL) definiert. Für den Export von US-Gütern, die in der CCL aufgeführt sind muss eine US-Exportgenehmigung bei dem Bureau of Industry and Security (BIS) beantragt werden.29 Ebenso umfasst sind Exporte solcher deutschen Güter, die das direkte Produkt von US-Technologie und Software sind (sog. foreign produced direct product rule), soweit diese in bestimmte Länder ausgeführt werden sollen. Schließlich umfasst das US-Recht alle deutschen Ausfuhren mit einem Mindestanteil kontrollierter US-amerikanischer Bestandteile (die in der CCL gelistet sind, sog. de minimis rule). Diese Geringfügigkeitsschwelle (de minimis rule) entfällt bei (Re-)Exporten von militärischen US-Gütern, die den amerikanischen Regularien in Bezug auf Rüstungsgüter (sog. International Traffic in Arms Regulations – ITAR) unterfallen. Zuständige US-Genehmigungsbehörde für Rüstungsgüter, die auf der US Munitions List (USML) gelistet sind, ist das U.S. Directorate of Defense Trade Controls (DDTC).30
Damit sind US-(Re-)Exportbestimmungen auch ein wesentlicher Prüfgegenstand eines Lizenzvertrags. Dies ist beispielsweise zu beachten, wenn ein Prototyp deutscher Produktion, der entweder einen Mindestanteil kontrollierter amerikanischer Bestandteile enthält oder das direkte Produkt US-amerikanischer Technologie oder Software ist, einem gebietsfremden Lizenznehmer zu Testzwecken zur Verfügung gestellt wird.
1 BGBl. I 1961, 481 ff., neugefasst durch Bekanntmachung vom 27. Mai 2009, BGBl. I 2009, 1150, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Dezember 2012, BAnz. Nr. AT 28.12.2012 V1 vom 28. Dezember 2012; zuletzt neugefasst durch Gesetz zur Modernisierung des AWG vom 6. Juni 2013, BGBl. I 2013, 1482. 2 Auf den Internetseiten des BAFA (www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de) sind die jeweils aktuellen nationalen und europäischen Exportkontrollvorschriften sowie Arbeitshilfen hierzu verfügbar. 3 Vgl. §§ 4–7, 11–13 AWG. 4 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang vorrangig die Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung – AWV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. August 2013 (BGBl. I S. 2865), die zuletzt durch die fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 14. April 2020 (BAnz AT 20.4.2020 V1) geändert worden ist. Die AWV wird laufend den aktuellen rechtlichen, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Belangen angepasst. 5 Weith/Wegner/Ehrlich, Grundzüge der Exportkontrolle, 2006. 6 „Technologie“: spezifisches technisches Wissen, das für die „Entwicklung“, „Herstellung“ oder „Verwendung“ eines Produkts nötig ist. Das technische Wissen wird in der Form von ‚technischen Unterlagen, oder ‚technischer Unterstützung verkörpert. 7 Technische Unterstützung ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 16 Satz 1 AWG jede technische Hilfe in Verbindung mit der Reparatur, der Entwicklung, der Herstellung, der Montage, der Erprobung, der Wartung oder jeder anderen technischen Dienstleistung. Sie kann in Form von Unterweisung, Ausbildung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen oder Fähigkeiten oder in Form von Beratungsleistungen erfolgen (§ 2 Abs. 16 Satz 2 AWG). 8 Die vormaligen Begriffsbestimmungen (u.a. „Gemeinschaftsgebiet, Gebietsansässige, Gebietsfremde“) in § 4 AWG a.F. wurden mit der Novellierung des AWG aufgegeben und durch die Begriffsbestimmungen (u.a. „Inland, Inländer/Deutsche, Ausländer“) in § 2 AWG n.F. ersetzt. 9 VO (EG) Nr. 428/2009, Art. 4 Abs. 2 unter Verweis auf Waffenembargo, Gemeinsamen Standpunkt des Rates hinsichtlich Käufer-/Bestimmungsland; eine aktuelle Übersicht zu Embargo-Ländern ist zu finden auf den Internetseiten des BAFA unter: www.bafa.de/ausfuhrkontrolle/de/embargos/index.html. 10 Anhang II Teil 3 zu VO (EG) Nr. 428/2009 umfasst derzeit folgende Länder: Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Liechtenstein und Vereinigte Staaten von Amerika, Stand: Mai 2020. 11 § 52 Abs. 1 AWV n.F. entspricht § 45c AWV a.F., seinerzeit neu eingeführt durch die 51. VO zur Änderung der AWV vom 13.9.2000 (BAnz. 2000, Nr. 176, 18577); § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AWV umfasst derzeit folgende Bestimmungsländer: Algerien, Irak, Iran, Israel, Jordanien, Libyen, die Demokratische Volksrepublik Korea, Pakistan oder Syrien; Stand: Mai 2020. 12 Mit der Novellierung von AWG und AWV wurde der Anwendungsbereich der Catchall-Klauseln der §§ 49 ff. AWV n.F. auf Deutsche und Inländer im Sinne von § 2 Abs. 15 Nr. 2 bis 4 AWG beschränkt. Diese Anpassung ist Ausdruck des völkerrechtlichen Prinzips der Personalhoheit, das auch für das Außenwirtschaftsrecht bindend ist. Auslandssachverhalte (vgl. § 45d AWV a.F., seinerzeit neu eingeführt