Das Baustellenhandbuch Abnahme. Uwe Morchutt

Das Baustellenhandbuch Abnahme - Uwe Morchutt


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alt="link"/>2.5.1 Technische Abnahme, Zustandsfeststellung nach VOB/B

      Die technische Abnahme {Abnahme, technische} dient dazu, den bautechnischen Zustand der Bauleistungen des Auftragnehmers zu überprüfen und festzustellen. Eine technische Abnahme führt nicht zum Eintritt der Abnahmewirkungen und soll die rechtsgeschäftliche Abnahme lediglich aus technischer Sicht vorbereiten.

      Die technische Abnahme wird häufig von Architekten (z. B. § 34 Abs. 3 Nr. 8 HOAI i. V. m. Anlage 10.1 Leistungsphase 8 Buchstabe k) bzw. Ingenieuren (z. B. § 43 Abs. 1 Nr. 8 HOAI i. V. m. Anlage 12.1 Leistungsphase 8 Buchstabe e) veranlasst. Bei der technischen Abnahme werden die Bauleistungen des Auftragnehmers auf Übereinstimmung mit dem Bauvertrag, der Baugenehmigung, dem Leistungsverzeichnis, den Planunterlagen, den anerkannten Regeln der Technik sowie sonstigen einschlägigen technischen Vorschriften überprüft; Abweichungen, fehlende Restleistungen und Mängel werden zur Vorbereitung der rechtsgeschäftlichen Abnahme dokumentiert. Dem Bereich der technischen Abnahme sind auch die in der Praxis häufig von den Parteien durchgeführten „Vorabnahmen“ zuzuordnen.

Praxistipp
Hat eine technische Abnahme durch den Architekten des Bauherrn stattgefunden und wurden dabei keine wesentlichen Baumängel festgestellt, so kann diese technische Abnahme jedoch zu einer konkludenten rechtsgeschäftlichen Abnahme führen, wenn der Bauherr daraufhin längere Zeit schweigt oder nicht reagiert. Ein Zeitraum von einem Monat wird von der Rechtsprechung schon als zu lange für den Bauherrn angesehen, um noch Vorbehalte wegen Mängeln und Vertragsstrafenansprüchen zu erklären.

      Die VOB/B sieht in § 4 Abs. 10 eine Zustandsfeststellung {Zustandsfeststellung, nach VOB} (auch genannt „unechte Teilabnahme“ {Teilabnahme, unechte}) vor. Diese Zustandsfeststellung dient dazu, unselbstständige Teile der Bauleistungen des Auftragnehmers zu überprüfen, bevor diese durch nachfolgende Gewerke nicht mehr überprüfbar sind (z. B. Kanalrohrleitungen vor dem Wiederverfüllen, Armierungen vor dem Betonieren, Elektroleerrohre vor dem Verschließen der Schlitze etc.).

      Die Zustandsfeststellung nach § 4 Abs. 10 VOB/B ist nur auf Verlangen einer Partei, dann jedoch gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer durchzuführen und in einem Ergebnisprotokoll zu dokumentieren. Die Zustandsfeststellung dient in erster Linie dem Auftragnehmer zur Beweissicherung, da er später die betroffenen Leistungsteile nicht mehr oder nur mit erheblichem Aufwand vom Auftraggeber auf ihre ordnungsgemäße Ausführung überprüfen lassen kann.

Praxistipp
Das Ergebnisprotokoll {Ergebnisprotokoll} der technischen Abnahme sollte möglichst detailliert sein. Es sollte Angaben dazu enthalten, welche Bauleistungen in welchem Herstellungsstadium wann und von wem besichtigt wurden, welche Mängel festgestellt wurden und ob diese Mängel einvernehmlich akzeptiert oder strittig sind bzw. ob Mangelfreiheit vorliegt. Eine ausführliche Fotodokumentation ist ergänzend sehr hilfreich.

      Hinsichtlich der einvernehmlichen Ergebnisse der Zustandsfeststellung trifft den Auftraggeber (nach einer starken Meinung in der baurechtlichen Literatur) die Beweislast, wenn er hiervon später bei der rechtsgeschäftlichen Abnahme abrücken will. Das heißt, die Zustandsfeststellung führt zu einer Beweislastumkehr.

Praxistipp
Verweigert der Auftraggeber seine Teilnahme an einer vom Auftragnehmer beantragten Zustandsfeststellung, dann trifft den Auftraggeber die Beweislast für später behauptete Mängel an diesen Bauleistungen. Zudem kann der Auftragnehmer durch die Weigerung des Auftraggebers in seiner Leistungsausführung behindert sein (§ 6 VOB/B). Der Auftragnehmer sollte trotz Weigerung des Auftraggebers eine aussagekräftige Dokumentation seiner später verdeckten Bauleistungen vornehmen. Mehrkosten einer späteren Überprüfung trägt der Auftraggeber.

      Klar ist schließlich, dass auch ein gemeinsames Aufmaß (§ 14 Abs. 2 VOB/B) und der Prüfvermerk unter der Schlussrechnung des Auftragnehmers keine rechtsgeschäftliche Abnahme bewirken.

      

2.5.2 Zustandsfeststellung nach § 650g BGB n. F.

       {Zustandsfeststellung (BGB)}

      Bei allen Bauverträgen (d. h. auch bei VOB-Bauverträgen), die seit dem 01.01.2018 geschlossen wurden, kann der Unternehmer im Fall einer Abnahmeverweigerung vom Bauherrn verlangen, dass der Zustand des Bauwerks gemeinsam und beweiskräftig festgestellt wird (§ 650g BGB n. F., vgl.

Kapitel 6.4). Wird dem Auftraggeber die Bauleistung nach einer Zustandsfeststellung zur Nutzung überlassen und ist im Protokoll der Zustandsfeststellung kein offenkundiger Mangel vermerkt, so wird gesetzlich vermutet, dass dieser nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Auftraggeber zu vertreten ist. Mit dieser Zustandsfeststellung werden zwar Abnahmewirkungen (vgl.
Kapitel 7) teilweise vorweggenommen, das Bauvertragsverhältnis bleibt aber im Stadium vor der Abnahme. Eine rechtsgeschäftliche Abnahme ist mit der Zustandsfeststellung nicht verbunden.

      

2.5.3 Behördliche Bauabnahme

       {Abnahme, behördliche}

      Die behördliche Bauabnahme, auch öffentlich-rechtliche Bauabnahme genannt, ist keine Abnahme im Rechtssinn zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Die Behörde prüft selbstverständlich nicht, ob der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber seinen Bauvertrag erfüllt hat. Die behördliche Bauabnahme wird von der zuständigen Fachbehörde nach dem jeweiligen Recht der Bundesländer vorgenommen (z. B. Schnurgerüstabnahme, Rohbauabnahme, Schluss-/Gebrauchsabnahme, Kaminkehrerbescheinigung). Sie dient dazu, die öffentlich-rechtlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandards (z. B. Standsicherheit, Feuersicherheit, Wärme- und Schallschutz, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung) zu kontrollieren und die Allgemeinheit vor möglichen Gefahren aus dem überprüften Bauwerk zu schützen.

      

2.6 Gestaltungsmöglichkeiten im Bauvertrag

      In Bauverträgen wird häufig und zumeist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen versucht, die Abnahmeregelungen zugunsten der eigenen Position von Auftraggeber oder Auftragnehmer vertraglich zu verändern. Viele dieser vertraglichen Abnahmeklauseln sind unwirksam. Beim VOB-Bauvertrag bewirken sie zumindest einen Eingriff in die VOB/B und damit eine Inhaltskontrolle der VOB/B an den Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB, auch wenn am Bauvertrag kein Verbraucher beteiligt ist (Näheres dazu in

Kapitel 2.4). Nachfolgend soll kurz auf die in der Baupraxis am häufigsten anzutreffenden Vereinbarungen zur Abnahme in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingegangen werden. Am Ende dieses Kapitels werden Individualabreden im Bauvertrag besprochen.

      

2.6.1 Verschiebung des Abnahmezeitpunkts

       {Abnahmezeitpunkt, Verschiebung des}

      Der Abnahmezeitpunkt {Abnahmezeitpunkt} wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen


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