Kriminalprognose und ihre Bedeutung für die Polizei. Norbert Wolf

Kriminalprognose und ihre Bedeutung für die Polizei - Norbert Wolf


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Prognosegutachten, die ausschließlich durch psychologisch und psychiatrisch geschulte Sachverständige erstellt werden, zu verstehen und nachzuvollziehen. So kann eine genauere Beurteilung der Wahrscheinlichkeit über die zukünftige Delinquenz einer Person, beispielsweise im Prozess bei der Urteilsverkündung, gewährleistet werden.47

      Empirisch-statistische Studien über die sozialen und persönlichen Ursachen von Rückfälligkeit stellen die Grundlage der Risikokriterien dar. Diese betonen, welche Einzelpunkte bei der Prognoseerstellung von hoher Bedeutung sind, sodass eine umfassende Betrachtung aller Aspekte gewährleistet ist. Für diverse Zielgruppen wurde eine Vielzahl von empirisch validierten und standardisierten Prognoseinstrumenten ausgearbeitet.

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      Quelle: Nedopil, Prognosen in der Forensischen Psychiatrie, Lengerich 2005, S. 111

      In Kanada beispielsweise wird das HCR-2048 für die Prognose des weiteren Agierens von Personen verwendet, welche aufgrund von gewalttätigem Verhalten strafrechtlich in Erscheinung getreten sind und bei welchen eine psychische Erkrankung oder eine Persönlichkeitsstörung vermutet wird. Das Instrument beinhaltet insgesamt 20 Kriterien. Die sogenannten „H-items“ beziehen sich auf die Vorgeschichte, die „C-items“ beschäftigen sich mit dem akuten Störungsbild und die „R-items“ prophezeien die künftig zu erwartenden äußeren Einflüsse. Die Formulierung der Prognose erfolgt in Wahrscheinlichkeitsaussagen. Es soll verdeutlicht werden, ob ein niedriges, mittleres oder hohes Risiko für eine Rückfallwahrscheinlichkeit vorliegt. Darüber hinaus ist ausdrücklich zu benennen, für welchen Zeitraum die Prognose valide ist und welche Umstände das Risiko in dem genannten Zeitraum beeinflussen können.49

      In Deutschland ist vor allem die von Norbert Nedopil50 entwickelte Kriterienliste „Integrierte Liste der Risikovariablen“ geläufig und bekannt. Das HCR-20 ist dort integriert. Viele der Instrumente beziehen sich auf die Ausprägung und die Art der möglicherweise festzustellenden Persönlichkeitsstörung bei dem Probanden. Diese kann mittels einer weiteren Kriterienliste, der Psychopathy Checklist Revised (PCL-R), ermittelt werden.51

      Die integrierte Liste der Risikofaktoren nach Nedopil ist in fünf Stufen oder auch Abschnitte eingeteilt. Abschnitt A beschäftigt sich mit dem Ausgangsdelikt. Darunter werden unter anderem die allgemeine statistische Rückfallwahrscheinlichkeit, die Bedeutung situativer Faktoren für das Delikt und ein Zusammenhang mit einer Persönlichkeitsstörung gefasst. Abschnitt B beinhaltet anamnestische Daten, die „H-items“. Diese sind beispielsweise das Alter bei der ersten Gewalttat, Stabilität von Partnerbeziehungen und in Arbeitsverhältnissen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch und frühere Verstöße gegen Bewährungsauflagen. Die postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung, die „C-items“, ist Gegenstand des Abschnitts C. Hier werden die Krankheitseinsicht und Therapiemotivation, die pro- und antisoziale Lebenseinstellung und emotionale Stabilität untersucht. Die „R-items“ befinden sich im Abschnitt D, der den sozialen Empfangsraum beschreibt. Die Arbeit, Unterkunft, soziale Beziehungen, Verfügbarkeit von Opfern und Stressoren beeinflussen das Rückfallrisiko. Als letztes wird im Abschnitt E der PCL-R Wert, mittels der genannten Kriterienliste Psychopathy Checklist Revised, ermittelt.52

       „Integrierte Liste der Risikovariablen (ILRV)“ 53

       A Ausgangsdelikt

      • statistische Rückfallwahrscheinlichkeit

      • Bedeutung situativer Faktoren für das Delikt

      • Einfluss einer vorübergehenden Krankheit

      • Zusammenhang mit einer Persönlichkeitsstörung

      • Erkennbarkeit kriminogener oder sexuell devianter Motivation

       B Anamnestische Daten

      • (H1) frühere Gewaltanwendung

      • (H2) Alter bei 1. Gewalttat

      • (H3) Stabilität von Partnerbeziehungen

      • (H4) Stabilität in Arbeitsverhältnissen

      • (H5) Alkohol-/Drogenmissbrauch

      • (H6) psychische Störung

      • (H8) frühe Anpassungsstörungen

      • (H9) Persönlichkeitsstörung

      • (H10) frühere Verstöße gegen Bewährungsauflagen

       C Postdeliktische Persönlichkeitsentwicklung (klinische Variablen)

      • Krankheitseinsicht und Therapiemotivation

      • selbstkritischer Umgang mit bisheriger Delinquenz

      • Besserung psychopathologischer Auffälligkeiten

      • (C2) pro-/antisoziale Lebenseinstellung

      • (C4) emotionale Stabilität

      • Entwicklung von Coping-Mechanismen

      • Widerstand gegen Folgeschäden durch Institutionalisierung

       D Sozialer Empfangsraum (Risikovariablen)

      • Arbeit

      • Unterkunft

      • soziale Beziehungen mit Kontrollfunktionen

      • offizielle Kontrollmöglichkeiten

      • Konfliktbereiche, die rückfallgefährdende Situationen wahrscheinlich machen

      • Verfügbarkeit von Opfern

      • (R2) Zugangsmöglichkeit zu Risiken

      • (R4) Compliance

      • (RS) Stressoren

       PVL-R-Wert

      Die Items des HCR-20 von Webster und Eaves (1995 [1867]) wurden, sofern diese besser operationalisiert und klarer waren, direkt übernommen.

      Diese Merkmale sind durch Klammern und eine zweite Zuordnungsbezeichnung gekennzeichnet.

      Die Operationalisierung der Merkmale und der Codierungsbogen für Wissenschaftliche Auswertungen finden sich bei Nedopil (2005a [1213]).

      Die verschiedenen Prognosemethoden unterscheiden sich in ihrer Aussagekraft und dem Grad der Objektivität.54

      Bei der intuitiven Vorgehensweise handelt es sich um eine subjektive Methode. Somit handelt es sich nicht um eine Methode, bei der alle Beurteiler auf ein gleiches Ergebnis kommen, da sie von ihrer subjektiven Wahrnehmung geprägt sind. Weiterhin können Experten Behauptungen aufstellen, die nach ihrem Empfinden zwar richtig, aber nicht belegbar sind und somit Personen falsch eingeschätzt werden. Es handelt sich hierbei weniger um eine belegbare wissenschaftliche Methode, als vielmehr um eine Vorhersage eines möglichen eintretenden Ereignisses, welches aus der Empfindung eines Einzelnen entsteht. Daher wird dies auch als eine intuitive Vorgehensweise und nicht als eine systematische oder standardisierte Methode bezeichnet.55 Das bedeutet nicht, dass diese Vorgehensweise in der Prognose von Kriminalität keine Anwendung findet. Jedoch sollte dieses Vorgehen nicht als alleinige Grundlage für eine Prognoseentscheidung hinzugezogen werden. Zur Absicherung des Ergebnisses einer intuitiven Prognose sollten weitere Prognoseinstrumente herangezogen werden. Bei einer gewissen Übereinstimmung dieser verschiedenen Instrumente kann somit auch die intuitive Einschätzung in die Entscheidung über eine Kriminalprognose einfließen.

      Bei der statistischen Methode muss


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