Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis


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saß sie also hier und musste mit ansehen, wie sich Mama vor Professor Weissinger zum Obst machte. Wobei der Professor gerade auch ziemlich obstig rüberkam und immer noch nach einer Antwort suchte.

      »Eine Aura … nein, das … nicht, dass ich mich erinnern könnte …«, hüstelte sich der Professor schließlich zusammen und steckte direkt danach den Löffel in den Mund, um ein besonders armseliges Ablenkungsmanöver einzuleiten. »Mmh, aber Ihre Maronensuppe ist wirklich exquisit, Frau Lorbeer!«

      Mara verdrehte die Augen. Das Ganze hätte entscheidend an Glaubwürdigkeit gewonnen, wenn er vorher den Löffel in den Teller getaucht hätte.

      Aber das fiel Mama weder auf noch brachte es sie vom Thema ab. »Schön, wenn es Ihnen schmeckt. Um ehrlich zu sein, als ich zum ersten Mal eine Aura um einen Menschen herum wahrgenommen habe, war ich noch Wochen später völlig verstört.«

      »Tatsächlich? Wie äh … schön für Sie?«, sagte der Professor und es klang tatsächlich wie eine Frage.

      »Ja, allerdings«, schwärmte Mama weiter. »Sie wissen ja gar nicht, was Sie da verpasst haben.«

      »Es scheint fast so, ja«, nickte Professor Weissinger und steckte erneut einen leeren Löffel in den Mund. Diesmal bemerkte er den Fehler aber und riss ihn so ruckartig von den Lippen, dass Mara glaubte, ein leises »Webbl« zu hören.

      Sie hatte den Professor ja schon in einigen brenzligen Situationen erlebt, aber selbst Auge in Auge mit dem Lindwurm Fafnir war er ihr nicht so nervös vorgekommen. Gerade schmetterte Professor Weissinger den Löffel etwas zu schnell in den Teller und versetzte die Maronensuppe in Aufruhr.

      »Hoppla, na ja, dieses Hemd sollte eh mal wieder in die Wäsche«, scherzte er lahm.

      Aus diesem Bart hab ich aber echt schon witzigere Sprüche gehört, dachte Mara.

      Mama war dafür wild entschlossen, das sogar höchst amüsant zu finden, und schraubte sich dazu in ein Geräusch, das dringend den Untertitel »Hahaha« benötigt hätte, weil man es kaum als Lachen erkannte.

      Die meisten Mädchen und Jungs in Maras Alter konnten es gar nicht erwarten, endlich erwachsen zu sein. Aber wenn Mara sich dieses seltsame Schauspiel so ansah, konnte es ihr persönlich gar nicht lange genug dauern. Vermutlich änderte sich im Alter von achtzehn Jahren irgendetwas schlagartig im Hirn und betätigte dann den Komisch-Knopf. Dieser Volljährigkeitseffekt sorgte bestimmt auch dafür, dass jeder zweite Satz mit »Ich mein’s doch nur gut …« begann. Mara war froh, dass sie sich ab und zu in ihre Gedankenwelt zurückziehen konnte. Das machte es irgendwie erträglicher. Man konnte durchatmen und dann der wirklichen Welt wieder ins Auge sehen. Nur manchmal schien die Welt zu schielen.

      Wie zum Beispiel jetzt. Gerade erklärte Mama nämlich dem Professor, dass sie als Ergebnis des Aurakurses im Wicca-Café doch tatsächlich eine Art Lichtwolke um die Kursleiterin herum wahrgenommen hatte.

      »Normalerweise nimmt man ja eher den Ätherischen Körper wahr. Ich sah aber deutlich diese hellen Lichtstreifen auf bläulichem Untergrund, was ja bekanntermaßen auf den Negativen Ätherischen Körper schließen lässt. Die Kursleiterin meinte, das sei der helle Wahnsinn, hahaha.«

      »Nun, ich hoffe, Sie verstehen mich nicht falsch, wenn ich dem einhellig zustimme, haha«, antwortete der Professor und handelte sich dafür einen scharfen Blick von Mara ein.

      Mama mit Ironie zu kommen, war nicht fair, denn dafür fehlte ihr der Decoder.

      Immerhin versuchte der Professor gerade wieder zurückzurudern: »Allerdings bin ich durchaus schon mit Auren konfrontiert worden, Frau Lorbeer, aber nicht in dem Sinne, wie Sie das beschreiben. Zum einen ist mir natürlich die griechische Göttin gleichen Namens bekannt: Aura aus dem Geschlecht der Titanen, Patronin der Morgenbrise.«

      »Ach was, wie interessant«, sagte Mama und schien tatsächlich interessiert zu sein.

      Mara atmete erleichtert auf.

      »Ja, allerdings«, fuhr der Professor fort. »Laut griechischer Mythologie verfällt sie später … dem Wahnsinn und äh … najaistjetztvielleichtnichtsowichtig … ist denn noch Suppe da?«

      »Aber natürlich. Mara, bist du so nett und bringst dem Professor noch einen Teller?«

      Mara nickte und nahm Professor Weissingers Teller mit in die Küche. Im Flur hörte sie ihn noch »Und zum anderen …« sagen, dann schloss sie die Küchentür und lehnte sich erschöpft mit dem Rücken an den Kühlschrank.

      Puh. Bei Gelegenheit würde sie den Professor fragen, was die griechische Göttin denn so Schlimmes angestellt hatte, dass er es am Tisch nicht erzählen wollte. Aber sie wusste ja inzwischen aus eigener Erfahrung, dass alte Götter generell nicht besonders zimperlich waren. Der germanische Halbgott Loki, dessen Flucht aus seinem Gefängnis sie ja eigentlich verhindern sollte, wurde zum Beispiel nicht mit einem Seil auf die Felsen gebunden, sondern mit den Gedärmen seines eigenen Sohnes Narfi. Brr, Mara schüttelte sich jedes Mal, wenn sie nur daran dachte. Und leider dachte sie viel zu oft daran. So in etwa dauernd.

      Mara seufzte und schöpfte dann Maronensuppe aus dem Topf in den Teller. Hier stand sie nun, suppeschöpfend, während man eigentlich von ihr erwartete, dass sie einen Halbgott an der Flucht hinderte, damit der nicht den Anfang vom Ende der Welt auslöste. Aber das Problem war doch, dass sie gar nicht das Gefühl hatte, bei Loki bestünde Fluchtgefahr. Und außerdem fand sie den Kerl eigentlich auch ganz … nett?

      Ja klar, er konnte schreien, dass die Erde bebte, und hatte wohl damals zur Zeit der nordisch-germanischen Götter eine Menge Mist gebaut: Monster geschaffen, Streit angezettelt, gelogen, betrogen, Odins Lieblingssohn in die Hölle geschickt und so … Nein, ganz sicher war Loki kein harmloser Kumpel von nebenan.

      Aber als sie ihn in seinem Höhlengefängnis aufgesucht hatte, wirkte er eher wie der lebende Beweis für die heilsame Wirkung von über tausend Jahren Gefangenschaft: Er hatte glaubhaft versichert, dass ihm nicht an Rache gelegen war, und Mara sogar einen Teil seiner Götterkraft verliehen.

      Und überhaupt: Nach wie vor hatte sich ihr geheimnisvoller Auftraggeber nicht persönlich gemeldet und vielleicht lag der sogar völlig falsch mit seinem Verdacht gegen Loki?

      Denn da gab es ja noch den Feuerbringer namens Loge, diese seltsame Mischung aus Loki, einem Feuerriesen namens Logi und einer Figur aus Richard Wagners Ring-Opern.

      Vor dem hätte man sie mal warnen sollen, denn der hatte schließlich deutlich mehr Probleme gemacht als der arme Loki in seiner Höhle. Also echt!

      Mara hörte auf zu schöpfen, als ihr die Suppe über den Daumen lief. Sie schimpfte leise und wischte den Tellerrand noch schnell mit einem schräg abgerissenen Fetzen Küchenrolle ab. Manchmal hatte sie fast den Eindruck, diese Perforation sollte nur zeigen, wo die Küchenrolle garantiert nicht reißen würde.

      Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, schlug ihr ein eisiger Wind entgegen.

      »Alles okay?«, fragte sie leise und las die Antwort bereits an den zusammengepressten Lippen ihrer Mutter ab.

      »Der Professor meint, ich leide an einer Nervenkrankheit«, flötete es aus Mamas gespitztem Mund.

      Mara verdrehte die Augen. Typisch Erwachsene – da kehrt man ihnen nur kurz den Rücken, und schon …

      Professor Weissinger war redlich bemüht, sich zu erklären. »Du liebes bisschen, aber nein! Ich wollte wirklich nur rein informationshalber darauf hinweisen, dass ich das Verspüren von Auren eigentlich nur im Zusammenhang mit Epilepsiekranken kenne! ›Aura‹ nennt man das Gefühl, wenn wieder ein Anfall droht. Womit ich selbstverständlich weder Sie noch die bedauernswerten Epilepsiepatienten beleidigen wollte, Frau Lorbeer.«

      »Also, wie darf ich denn das nun wieder verstehen?«

      »Nun ja, nicht falsch, wär’ mir recht«, antwortete der Professor und lächelte dazu entwaffnend unter seinem Professorenbart hervor.

      Das


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