Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner

Die Magie von Pax - Sarah Nicola Heidner


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Götter können es nicht gewesen sein, nirgendwo war etwas Goldenes zu sehen«, schloss ich schließlich. »Also … also muss ich diese Fähigkeiten haben.«

      Als ich geendet hatte, trat Schweigen ein. Yu Weiß sah mich mit einem tief bekümmerten Gesichtsausdruck an und seufzte tief.

      »Was soll ich denn jetzt machen?!«, fragte ich verzweifelt und kämpfte mit den Tränen.

      »Du gehst jetzt in dein Zimmer und ruhst dich aus«, sagte Yu Weiß eindringlich. »Wir müssen uns später noch einmal unterhalten. Ich werde erst einmal dafür sorgen, dass alle Ein- und Ausgänge der Schule bewacht werden und ich muss ihnen Bescheid sagen. Ich wusste ja, dass es passiert. Trotzdem …« Ohne ein weiteres Wort stand er auf und schritt zur Waffenwand. Dort nahm er ein paar Dolche, Schwerter und Pfeile und Bögen heraus und verließ vor sich hinmurmelnd den Raum. Geschockt blieb ich auf den Matten sitzen und starrte ihm hinterher, ohne ihn gefragt zu haben, wen er mit »ihnen« meinte.

      Ich konnte doch nicht einfach in mein Zimmer gehen und so tun, als wäre nichts gewesen! Und was hatte er schon gewusst? Ich wurde nicht daraus schlau, was er gesagt hatte.

      Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß und die Gedanken über mich hereinbrachen, irgendwann konnte ich aufstehen und stolperte durch die Gänge und die Wendeltreppe hoch in unser Zimmer (an der griesgrämigen Quandri vorbei, die vor der Tür hockte). Bea und Mary warteten schon mit fragenden Gesichtern auf mich. Ich setzte mich auf mein Bett, rückte von der nach Rauch stinkenden Bettdecke ab und seufzte tief. »Eigentlich hat er gar nichts dazu gesagt«, gab ich zu und erzählte von unserem Gespräch.

      Mary und Bea hatten auch keine Ahnung, was sie dazu sagen sollten. »Er hat gesagt, er muss sich mit dir noch einmal darüber unterhalten, dass heißt, er kommt noch einmal darauf zurück. Yu Weiß will sicher nur erst einmal die Schule sichern«, überlegte Mary und ich stimmte ihr zu. Natürlich wollte sich mein Mentor, der Schulleiter, erst einmal um die Bedrohung durch die Schwarzkutten kümmern. Aber von was wusste er Bescheid? Und wem wollte er sagen, was passiert war?

      Weil ich nicht wusste, was ich jetzt machen sollte, folgte ich einfach Yu Weiß’ Rat und blieb in meinem Zimmer.

      Während Mary und Bea ihre Hausaufgaben hinter sich brachten, nahm ich mir wahllos Bücher von Marys Bett und begann sie zu lesen (wobei das meiste allerdings zu hoch für mich war, sodass ich es nach wenigen Seiten wieder weglegte). Danach schaute ich mich im Bad um. Bea, Mary und ich hatten es noch immer nicht ganz geschafft, alle Pfützen zu beseitigen, auch wenn das Wasser von der Dusche und des Waschbecken wieder nur herauskam, wenn man den Hahn aufdrehte (was mich im Moment jedenfalls beruhigte, ich konnte mich nicht auch noch mit spinnenden Wasserhähnen herumschlagen).

      Beim Abendessen sah Merl mich die ganze Zeit beunruhigt an und ich hoffte, dass Yu Weiß ihm nichts von dem erzählt hatte, was ich ihm anvertraut hatte, auch wenn es auf mich so wirkte, als hätte er es gemacht. Warum sonst sollte Merl mich anstarren, als würde ich den »Rotkuttensalat« auf dem Kopf stehend essen?

      Yu Weiß tauchte während des gesamten Abends nicht am Lehrertisch auf und ich suchte vergeblich auch noch mal im Trainingsraum und in seinem Büro nach ihm. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen. Als ich im Bett lag und schon fast eingeschlafen war, hörte ich Mary und Bea wispern. Eigentlich wollte ich nur schnell einschlafen, aber als ich meinen Namen hörte, horchte ich auf.

      »Ich hab keine Ahnung, warum Sofia so viel Macht hat. Aber es ist eindeutig zu viel. Sie weiß überhaupt nicht, wie man Magie benutzt, geschweige denn, wie man damit umgeht«, sagte Mary beunruhigt.

      »Sofia ist anders, das ist sie schon die ganze Zeit«, flüsterte Bea. »Aber ich bin mir sicher, dass sie das hinkriegt.«

      »Solange sie mir nicht noch mal den Arm bricht«, wisperte Mary.

      Ich räusperte mich und die beiden verstummten.

      »Bist du noch wach?«, fragte Bea, aber ich antwortete nicht.

      »Gute Nacht, Bea«, flüsterte Mary, dann senkte sich endlich Stille über unser Zimmer.

      Ich wusste nicht, weshalb, aber plötzlich erwachte ich mitten in der Nacht. Verwirrt öffnete ich die Augen, setzte mich vorsichtig auf und warf einen Blick durchs Zimmer. Der Mond schien herein, sodass alles in ein merkwürdig weißliches Licht getaucht war. Bea und Mary lagen schlafend in ihren Betten und auf dem Boden stapelten sich Bücher, (von Mary) Kessel und Kräutersalben (von Bea) und Keksdosen (von mir). Ich wollte mich gerade wieder hinlegen, als ich hörte, wie jemand die Wendeltreppe nach oben lief.

      In Richtung der Schlafräume der Mädchen?! Mitten in der Nacht?! Ich beschloss aufzustehen und nachzusehen, doch ich hatte kaum die Beine aus dem Bett geschwungen, als sich die Tür zu unserem Zimmer leise öffnete. Ich wirbelte herum und entspannte mich, als ich Yu Weiß in der Tür stehen sah.

      »Wir müssen los«, sagte er lautlos und deutete auf meinen Schrank. »Pack dir ein paar Sachen ein und komm nach unten in die Mensa.«

      Verwirrt sah ich ihn an. »Wohin?«

      »In das Schülerhaus der Blaukutten.«

      »Was?!«, flüsterte ich entsetzt. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er mich tatsächlich hier wegbringen wollte. Ich lebte hier seit mehr als zehn Jahren und durch Bea war das Schülerhaus zu meinem zu Hause geworden. Außerdem waren Bea und ja, auch Mary – sie beide waren meine Freunde.

      »Warum?«, wisperte ich. Yu Weiß verdrehte leicht genervt die Augen und winkte mir dann. Ich folgte ihm aus dem Zimmer und auf die Wendeltreppe, so dass wir weit genug von den Schlafräumen entfernt waren, um normal reden zu können.

      »Du bist eine Blaukutte, Sofia, und auch noch eine besondere. Ich dachte, dir wäre klar, dass du nicht hierbleiben kannst?«, sagte Yu Weiß.

      »Aber … meine Freunde. Das hier ist mein zu Hause«, sagte ich eindringlich.

      Yu Weiß schaute mich ernst an. »Aber dein zu Hause kann dich nicht beschützen – im Moment nicht. Nicht vor Schwarzkutten und auch nicht vor dir selbst. Dir ist schon klar, dass du deine Freunde verletzen oder so töten kannst, wenn du nicht lernst, die Magie zu beherrschen?« Sein Vorwurf hing in der Luft; schließlich hatte ich Marys Arm gebrochen. (Aber ich wusste ja nicht, dass sie es war! Es hätte jede andere Schwarzkutte auf dieser Welt sein können, die mich hätte töten wollen – weshalb auch immer.)

      »Aber …«, fing ich hilflos an, doch Yu Weiß schüttelte abschließend den Kopf. »Du kannst zurückkehren, Sofia«, sagte er. »Doch erst musst du lernen, deine Magie zu kontrollieren.« Ich wusste, dass er Recht hatte (das hatte er eigentlich immer). Aber dennoch sträubte sich alles in mir dagegen, das Schülerhaus der Rotkutten zu verlassen.

      »Sofia«, Yu Weiß und schob mich sanft in Richtung meines Zimmers. »Ich werde ihnen erklären, dass du weg musst, aber glaub mir, es ist besser, wenn ihr keine Zeit habt, euch zu verabschieden.« Ich nickte. Da hatte er schon wieder Recht – nicht, dass es mir dadurch leichter fallen würde.

      Ich warf mir meine rote Robe über und packte wahllos ein paar Kleidungsstücke in meinen Rucksack. Ansonsten gab es wenig Dinge, die ich mitnehmen wollte (von dem ganzen Zimmer samt Bea und Mary jetzt mal abgesehen). Ein paar Keksdosen und Bücher packte ich ein, dann warf ich noch einen Blick auf meine schlafenden Freunde. Nie, wirklich nie hätte ich gedacht, dass mein Leben sich so plötzlich ändern könnte.

      »Danke«, flüsterte ich leise und konnte nicht verhindern, dass mir ein paar Tränen über die Wangen rollten. Entschieden wischte ich sie weg, dann schloss ich die Tür hinter mir. Ich würde zurückkommen, sagte ich mir immer wieder, als Yu Weiß mich nach draußen in die kalte Nachtluft führte. Trotzdem fühlte es sich an wie ein Abschied, als ich noch einmal zu dem großen Betonklotz hochblickte.

      Eine Kutsche parkte ein paar Straßen weiter. Ich war erst wenige Male in meinem Leben mit einer Kutsche gefahren, aber dieses Mal erfüllte es mich nicht wie sonst mit Freude. Yu Weiß stieg ein, aber ich blieb draußen stehen und warf einen Blick auf die verlassenen Straßen. In manchen Häusern brannte Licht und ich dachte, dass meine Eltern wahrscheinlich auch noch wach wären und ihrer Arbeit nachhingen


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