Arbeitsrecht in der Umstrukturierung. Stefan Schwab
insoweit keine Mitbestimmungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG, sondern es besteht lediglich ein Informationsrecht des Wirtschaftsausschusses nach § 106 BetrVG.
5. Gesellschafterwechsel zur Mitbestimmungsgestaltung
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Der Gesellschafterwechsel ist auch dann ein rein gesellschaftsrechtlicher und damit – lässt man entsprechende Aufsichtsratsbeschlüsse und Informations- bzw. Beratungsrechte (vgl. oben unter Rn. 7 ff.) einmal unberücksichtigt – nicht mitbestimmter Vorgang, wenn er zu Änderungen des mitbestimmungsrechtlichen Status der Gesellschaft führt.
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Beispiel:
Dies kann z.B. bei der Ersetzung des Komplementärs einer KG durch eine inländische Kapitalgesellschaft (dann ggf. §§ 4, 5 MitbestG) oder natürliche Person (dann kein Eingreifen der §§ 4, 5 MitbestG) bzw. durch eine ausländische Kapitalgesellschaft (ebenfalls kein Eingreifen von §§ 4, 5 MitbestG) der Fall sein.[77] Derartige Gestaltungen können aber aufgrund mit ihnen verbundener nachteiliger steuerlicher Effekte ggf. ausscheiden.
6. Änderungen des Gesellschaftsvertrags
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Änderungen des Gesellschaftsvertrags sind in der Regel ebenfalls rein gesellschaftsrechtlicher Natur und unterliegen daher weder Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer noch lösen sie solche aus. Das folgt bereits im Umkehrschluss aus §§ 106 Abs. 3 Nr. 9a, 109a BetrVG, 190 ff. UmwG. Dies gilt auch dann, wenn durch Änderung des Gesellschaftsvertrags der Gesellschaftszweck geändert wird.[78]
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Praxistipp:
Dies gilt richtigerweise schon deshalb, weil Verpflichteter der Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG der Rechtsträger des Betriebs ist und nicht die Gesellschafter.[79] Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn der Rechtsträger des Betriebs in Konzernstrukturen eingebunden ist, wie das BAG zutreffend mit Urteil vom 14.4.2015[80] klargestellt hat. Hinzu kommt, dass selbst Beschlüsse der Unternehmensorgane (z.B. Vorstand, Geschäftsführung) über Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG ohne vorherige Beteiligung des zuständigen Betriebsrats gefasst werden können, ohne dass darin eine unzulässige Umsetzung der Betriebsänderung ohne vorgeschriebene Betriebsratsbeteiligung i.S.d. § 113 BetrVG liegt.[81]
7. Formwechsel als Mittel zur Mitbestimmungsgestaltung
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Ein Formwechsel i.S.d. §§ 190 ff. UmwG als gesetzlich geregelter Spezialfall der Änderung des Gesellschaftsvertrags löst grundsätzlich lediglich nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG einen Unterrichtungs- und Beratungsanspruch des Wirtschaftsausschusses hierüber und eine Verpflichtung nach § 194 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UmwG zur Zuleitung des Entwurfs des Umwandlungsbeschlusses (inklusive arbeitsrechtlicher Angaben)[82] an den zuständigen Betriebsrat[83] aus.
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Mit ihm kann allerdings eine Gestaltung des Mitbestimmungsregimes auf Unternehmensebene (Wechsel von einer mitbestimmten Rechtsform in eine nicht mitbestimmte Rechtsform und umgekehrt) bzw. – wenn ein Formwechsel von einer öffentlich-rechtlichen in eine privatrechtliche Rechtsform (Privatisierung) erfolgt[84] – auf Betriebsebene verbunden sein (Wechsel vom Personalvertretungs- zum Betriebsverfassungsrecht).[85] Letzteres kann auch bei einem Formwechsel zur SE gelten, weil in diesem Fall – sofern es nicht zu einer abweichenden Vereinbarung (§ 21 SEBG) kommt[86] – kraft Gesetzes ein SE-Betriebsrat zu bilden ist.[87]
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › B. Rein gesellschaftsrechtliche Maßnahmen › II. Zielsetzung: Minimierung gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme auf die Umstrukturierung/sonstiger Risiken
II. Zielsetzung: Minimierung gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme auf die Umstrukturierung/sonstiger Risiken
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Risiken können sich bei dieser Gestaltung trotz zahlreicher arbeitsrechtlicher Vorteile allerdings aus sonstigen zu beachtenden rechtlichen Gesichtspunkten ergeben.
1. Beachtung steuerlicher, kartellrechtlicher und regulatorischer Vorgaben
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Dies sind klassischerweise in erster Linie steuerrechtliche Folgen entsprechender Maßnahmen (hier vor allem negative Auswirkungen auf Verlustvorträge), die unbedingt von vorneherein als ökonomische Grenzen beachtet und in die Planung einbezogen werden müssen.[88] Denn eine arbeitsrechtliche Maßnahme kann sich steuerrechtlich als „Geldvernichtung“[89] darstellen, wenn sie sich als steuerschädliches Modell erweist. Gleiches gilt, wenn der Maßnahme kartellrechtliche oder regulatorische Vorgaben entgegenstehen.[90]
2. Vermeidung gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme
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Einer arbeitsrechtlich neutralen oder zumindest weniger aufwändigen Lösung durch die Wahl gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsformen kann zudem vor allem in Unternehmen mit einem größeren, nicht homogenen Gesellschafterkreis eine Grenze gesetzt sein.[91]
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Beispiel:
Denkbar sind insbesondere (aus sachfremden Motiven) nicht verkaufsbereite Minderheitsgesellschafter, deren gesetzliche oder satzungsrechtliche Sperrminorität die Maßnahme verhindert.[92]
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Hier muss umgekehrt überlegt werden, ob arbeitsrechtlich aufwendigere, aber gesellschaftsrechtlich nicht zu verhindernde Maßnahmen vorzugswürdig sind. Die Nutzung derartiger, ggf. durch konzernrechtliche Weisungsverhältnisse gestützter Maßnahmen in der Form von Asset Deals[93] setzen selbstverständlich eine Vertrautheit mit den entsprechenden konzern- und gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen voraus (um sicherzustellen, dass mit Blick auf erforderliche Gesellschafterbeschlüsse keine Sperrminoritäten, Stimmbindungsvereinbarungen o.Ä. eingreifen).[94]
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Praxistipp:
Als Gestaltungsoption ohne Eigentumsübertragung kann sich in diesem Kontext z.B. der Abschluss von Betriebsführungsverträgen anbieten. Differenziert werden muss dabei zwischen echten und unechten Betriebsführungsverträgen.[95] Zum bloßen Austausch von Führungspositionen kann es im Rahmen des Abschlusses eines echten Betriebsführungsvertrags kommen, der arbeitsrechtlich insofern neutral ist, als mit ihm kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB verbunden ist. Ein solcher tritt – ähnlich wie bei einer Betriebsverpachtung – allerdings beim Abschluss eines sog. unechten Betriebsführungsvertrags ein, da der Betriebsführer in diesem Fall die betriebliche Leitungsmacht im eigenen Namen ausübt und somit Betriebsinhaber wird.[96] Über den Abschluss eines Betriebsführungsvertrags gleich welcher Art, ist der Wirtschaftsausschuss gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG zu unterrichten. Mitbestimmungsrechte im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG werden für den Betriebsrat durch den Abschluss entsprechender Verträge allerdings nicht ausgelöst, soweit mit dem unechten Betriebsführungsvertrag über den Betriebsübergang hinaus nicht auch eine Betriebsspaltung verbunden ist, weil der vom Betriebsführer im eigenen Namen zu führende Betrieb lediglich einen Betriebsteil des Ursprungsbetriebs ist.[97]
3. Hoher gesellschaftsrechtlicher Aufwand für „geringen“ angestrebten arbeitsrechtlichen Effekt
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