Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
betreffen. Das rein objektive Gegebensein einer Rechtfertigungslage kann insoweit nicht ausreichen (genauso wenig wie allein der subjektive Rechtswille ohne eine tatsächlich objektiv gegebene Rechtfertigungslage genügen könnte), um eine Rechtfertigung zu begründen. Denn die rein objektive Betrachtung des Geschehens, sowohl bezogen auf das Unrecht als auch auf ihren Erlaubnisgrund, erfasst nur eine Seite des personalen Unrechts. Die Einheit von Handlung und Erfolg wird dann auseinandergerissen. Das Unrechtsurteil muss vielmehr (wie oben beschrieben) auf einer Einheit der subjektiven – in der Tätervorstellung begründeten – und den objektiven – in der Außenwelt hervorgetretenen – Elementen basieren. Soll dieses Urteil durch einen Gegengrund aufgehoben werden, kann dann ebenso wenig ein objektives, für den Täter nur rein zufälliges Vorliegen einer rechtfertigenden Situation genügen, sondern erforderlich ist subjektiv die Kenntnis derselben. Ebenso wie die personale Unrechtsbegründung muss auch die Rechtfertigungsbegründung in einer Einheit von äußerer Handlung und Erfolg zusammengefasst werden. Der Täter muss das Bedeutungsbewusstsein haben, dass sein objektives Verletzungshandeln aufgrund der tatsächlich vorliegenden Rechtfertigungssachlage geschieht.[130] Dies zeigt sich auch darin, dass der sich in einer Rechtfertigungslage Befindende auf diese konkrete Situation in einer bestimmten Art und Weise reagiert. Er setzt seine Abwehrhandlung subjektiv in ein Verhältnis zur konkreten Rechtfertigungssituation, was sich z.B. auch in dem Merkmal der „erforderlichen“ Abwehrhandlung zeigt. Wäre seine Abwehrhandlung rein zufällig begründet, ohne dass er sich eines Angriffs bewusst wäre, wäre auch eine mit dem Angriff in Einklang stehende „erforderliche“ Abwehr rein zufällig.[131] Das personale Unrecht bleibt also bestehen, wenn zwar eine objektive Rechtfertigungslage gegeben ist, das Verletzungsverhalten des Täters sich aber bloß zufallsbedingt im Rahmen einer Erlaubnisnorm befindet.[132]
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Von der oben dargelegten Einsicht, einen Verletzungstatbestand vorsätzlich oder fahrlässig zu bewirken, unterscheidet sich die Verfehlung der Möglichkeit, sich zum „Richtigen“ zu entscheiden, die persönliche Schuld des Einzelnen. Wird das Recht und seine Realisierung als Leistungsprozess des Einzelnen begriffen, muss auch ein Fehler im Rahmen dieses Leistungsprozesses von Bedeutung sein.[133] Dem Täter wird auf der Schuldebene der Vorwurf gemacht, dass er sich gegen sein eingesehenes Sollensverständnis zur unrechten Tat gewendet hat und damit zugleich das Recht als allgemein gesetztes Recht negiert hat. Denn personales Verhalten in intersubjektiven Verhältnissen setzt zugleich den Anspruch auf Allgemeinheit voraus und erweist sich so als eine gegenüber Naturgegenständen besondere Realität. Das zeigt sich auch beim schuldlos Handelnden. Greift ein Verhalten in die Freiheit eines anderen ein, dann behält die Rechtsverletzung auch dann ihre Realität, wenn der Handelnde bei der konkreten Verletzungshandlung aufgrund von personalen- oder situationsbezogenen Gründen nicht in der Lage ist, sich zum Richtigen zu bestimmen, z.B. weil er geisteskrank ist, sich in einem Verbotsirrtum befindet oder einer Drucksituation nicht standhalten kann. Der Unterschied, ob das Opfer von einem umstürzenden Baum erschlagen wird, oder durch die tätige Verletzung eines – wenn auch nicht schuldfähigen – anderen, bleibt hier bestehen. Während bei ersterem ein Unglück vorliegt, stellt sich letzteres weiterhin als Negation des rechtlich bedeutsamen Anerkennungsverhältnisses dar. Dies zeigt sich auch darin, dass, selbst wenn die Person von der Schuldunfähigkeit seines Gegenübers weiß, seine Handlung eine über die Interpersonalität hinausgehende Veränderung der sozialen Wirklichkeit aufweist. So kann sich beispielsweise der vom Schuldunfähigen Angegriffene gegen diesen zur Wehr setzen. Allerdings bleibt auch das Wissen um die Schuldunfähigkeit nicht ohne Bedeutung, wie z.B. die Einschränkung der Verteidigungshandlung in solchen Situationen zeigt; insoweit bleibt die Nichtverantwortlichkeit des Verletzers nicht ohne Konsequenzen, da er die Rechtsgeltung nicht gleichermaßen in Frage stellt wie ein vollverantwortlich Handelnder.[134]
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Die dargelegte Differenzierung in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld ist damit keine zufällige, sondern unterscheidet verschiedene Stufen im Rahmen (strafbaren) personalen Unrechts. Auch wenn die Realisierung einer strafbaren Tat durch eine Person als die von ihr gestiftete Einheit zu begreifen ist, wird deutlich, dass sich diese systematisch unterteilen lässt.
12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 50 Die Lehre von der Beteiligung › D. Begriff und Formen der Beteiligung
D. Begriff und Formen der Beteiligung
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Die dargelegte materielle Unrechtsbestimmung hat Bedeutung für die Bestimmung des Täter- und Teilnahmebegriffs. Unabhängig von der unterschiedlichen Qualität der Tatbeiträge sind die einzelnen Beteiligungsformen nach denselben Rechtsnormen zu beurteilen. Sie setzen die Verwirklichung einer allgemein eingesehenen und im Gesetz als Unrecht festgelegten Verbotsnorm voraus z.B. Verletzung des Tötungsverbots oder des Körperverletzungsverbots. Die (formale) Verwirklichung des Tatbestandes ist damit zwar eine notwendige Voraussetzung für die Unrechtsbestimmung von Täterschaft und Teilnahme, sie lässt sich aber nicht auf sie reduzieren.
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Die Möglichkeit der Mitzurechnung fremder Beiträge zur Rechtsverletzung, sei es als Täter, sei es als Teilnehmer, liegt darin, dass der Einzelne in seiner Willensbildung und auch in seinen Handlungsvollzügen eben auch fehlbares und endliches Subjekt ist. Zwar handelt der Einzelne grundsätzlich selbstbestimmt, er kann aber z.B. auch einem Irrtum unterliegen, er kann in bestimmten Situationen seiner Handlungsmacht begrenzt sein usw; hier liegen mögliche „Einbruchsstellen“, die sich eine andere Person zunutze machen und die eine (Mit-)Zurechnung begründen kann.[135] Wie und unter welchen Voraussetzungen sich dieses „Zunutze-Machen“ vollzieht, ist dann für die Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme entscheidend. Hier sind auch die Unterschiede in der Qualität der Tatbeiträge bezogen auf die bewirkte Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Während dem Täter die Tatherrschaft über das rechtsverletzende Geschehen zukommt, kommt dem Teilnehmer diese Macht gerade nicht zu. Täterschaft und Teilnahme unterscheiden sich damit nicht quantitativ voneinander: Teilnehmer ist nicht ein „Weniger“ zur Täterschaft; ebenso wenig ist Täterschaft ein bloßes „Mehr“ zur Teilnahme. Die Differenzierung zwischen den Beteiligungsformen hat sich nach der Art und Weise, wie sich interpersonale Handlungszusammenhänge bezogen auf eine konkrete (versuchte) Rechtsverletzung gestalten, zu bestimmen.
I. Begriff und Formen der Täterschaft
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Aus der Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme lassen sich zusammenfassend zunächst drei – auch dem Gesetz zugrunde liegende – Annahmen ableiten:
Erstens geht das Gesetz davon aus, dass Handlungen einer Person überhaupt einer anderen (mit-)zugerechnet werden können. Da es um menschliches Interagieren geht, kann eine rein kausale oder finale Betrachtung der Verhaltenszusammenhänge nicht genügen, vielmehr ist den personalen Handlungszusammenhängen Rechnung zu tragen.[136] Zweitens wird die Differenzierung zwischen Beteiligungsformen bereits auf Unrechtsebene und nicht erst auf der Rechtsfolgenseite virulent. Das StGB hat damit im Grundsatz ein dualistisches Beteiligungssystem gewählt und insofern ein Einheitstätersystem abgelehnt. Drittens unterscheidet das Gesetz nicht nur zwischen Täterschaft und Teilnahme allgemein, sondern differenziert dabei sowohl bestimmte Formen täterschaftlichen Handelns als auch Formen bloß teilnehmenden Mitwirkens. Die verschiedenen Formen der Beteiligung sind dabei anhand ihrer Qualität des Zusammenwirkens mehrerer zu unterscheiden.
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Der Begriff des Täters ist nach dem vorgestellten Begründungszusammenhang restriktiv zu bestimmen. Es kann nur derjenige Täter sein, der einen Teil der sozialen Wirklichkeit, der seine Entsprechung in den Tatbeständen findet, beherrscht; keinesfalls ausreichen kann das Setzen einer bloß kausalen Ursache. Die Begründung von Täterschaft setzt damit voraus, dass dem Handelnden auch tatsächlich