Handbuch des Strafrechts. Manuel Ladiges

Handbuch des Strafrechts - Manuel Ladiges


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für die Anwendung unmittelbaren Zwangs bei Durchsuchungen und Festnahmen nach wie vor eine explizite Regelung, auch für die Wahlgegenüberstellung mit dem Beschuldigten. Den Gesetzgeber kümmert eine Beobachtung an drei Tagen (§ 163f StPO) offenbar mehr als ein Schuss ins Knie bei der vorläufigen Festnahme. Von systematischer Stimmigkeit ist der normative Flickenteppich des ersten Buchs der StPO schon lange weit entfernt.

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      Dem Ausbau der Subjektstellung stehen Einschränkungen gegenüber, die sich gegen tatsächlichen oder angenommenen „Missbrauch“ von Verfahrensrechten richten (§§ 138a ff., 148 Abs. 2, 257a StPO, §§ 31 ff. EGGVG usw.) oder Beschleunigung erzielen sollen (§§ 222a, 222b, 313, 322a, 336 S. 2, 420 StPO). Ob die Positivierung des Deals in § 257c StPO dem Beschuldigten nützt oder schadet, hängt sehr von der Handhabung im Einzelfall ab; ungeachtet des individuellen Nutzens mag auch der Rechtsstaat Schaden nehmen.

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      Nicht nur verfeinertem rechtsstaatlichem Empfinden, sondern vor allem der technischen Entwicklung verdankt sich die stete Vermehrung der Ermittlungsbefugnisse, namentlich die Überwachung mit neuen technischen Mitteln oder neuer technischer Kommunikationsmittel (§§ 100a ff. StPO), die rechtspolitisch gern mit dem martialischen Etikett der „Verbrechensbekämpfung“ versehen wird, das eine Verschmelzung repressiven und präventiven Staatshandelns insinuiert und an ein Wettrüsten erinnert. Die technische Entwicklung hat zugleich Einfluss auf die Qualität der Sachbeweismittel, die günstigstenfalls eine akkuratere Wahrheitsfindung erlauben und den Charakter der Hauptverhandlung verändern.

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      Verbesserungen haben auch die Rechtsstellung gefährdeter Zeugen erfahren sowie namentlich die des mutmaßlichen Verletzten („Opfers“), der, auch ohne Anschluss als Nebenkläger, zu einem Akteur avanciert ist, der über eine Reihe prozessualer Befugnisse verfügt (§§ 406d ff. StPO), in denen eine nicht unbedenkliche Tendenz zur Reprivatisierung der Strafjustiz zum Ausdruck kommt.

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      Institutionell und gerichtsverfassungsrechtlich hat sich seit 1950 Bedeutsames ereignet: Das inquisitorische Element der gerichtlichen Voruntersuchung ist entfallen und das Ermittlungsverfahren liegt nun allein in der Hand der Staatsanwaltschaft, aber auch der Laieneinfluss ist geschrumpft durch Abschaffung des neunköpfigen Schwurgerichts, das ein großes Schöffengericht war. Hinzu tritt eine Verlagerung der Zuständigkeiten von oben nach unten, von der Strafkammer auf die Amtsgerichte, vom BGH auf die Oberlandesgerichte, unter gleichzeitiger Ausdünnung des Kollegialprinzips z.B. bei den fünfköpfigen Spruchkörpern, die am LG im Regelfall nur noch in Viererbesetzung entscheiden. Spezialstrafkammern sind nun gesetzlich verankert, Schwerpunktstaatsanwaltschaften indes nicht, sieht man vom Generalbundesanwalt einmal ab.

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Baumann, Jürgen Strafprozeßreform in Raten, ZRP 1975, 38.
Engelhard, Hans A. Ist eine große Strafprozeßreform notwendig?, Rebmann-FS, 1989, S. 45.
Rieß, Peter Gesamtreform des Strafverfahrensrechts – eine lösbare Aufgabe?, ZRP 1977, 67.
Rieß, Peter Der Beschuldigte als Subjekt des Strafverfahrens in Entwicklung und Reform der Strafprozeßordnung, FS zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamts am 1. Januar 1877, 1977, S. 373.
Rieß, Peter Prolegomena zu einer Gesamtreform des Strafverfahrensrechts, Schäfer-FS, 1980, S. 155.
Rieß, Peter Über die Beziehungen zwischen Rechtswissenschaft und Gesetzgebung im heutigen Strafprozeßrecht, ZStW 95 (1983), 529.
Rieß, Peter 15 Jahre Strafprozeß in Raten – Rückblick und Bilanz, Pfeiffer-FS, 1988, S. 155.
Rieß, Peter Gesamtreform des Strafprozesses – Chance oder Utopia?, Friebertshäuser-FG, 1997, S. 103.
Rieß, Peter Zur aktuellen Entwicklung des Strafverfahrensrecht, StraFo 2006, 4.
Rieß, Peter Entwicklungstendenzen in der deutschen Strafprozessgesetzgebung seit 1950, ZIS 2009, 466.
Schreiber, Hans-Ludwig Die Entwicklung der Reformdebatte – Strafprozeßreform ohne Gesamtperspektive, in: ders. (Hrsg.), Gesamtreform des Strafverfahrens, 1986, S. 7.
Weigend, Thomas Strukturelle Probleme im deutschen Strafprozess, StraFo 2013, 45.
Wolter, Jürgen Strafverfahrensrecht und Strafprozeßreform, GA 1985, 49.
Wolter, Jürgen Aspekte einer Strafprozeßreform bis 2007, 1991.

      Anmerkungen

       [1]

      Für die Anzahl der geänderten Vorschriften s. Löwe/Rosenberg-Kühne, 27. Aufl. 2016, Einl. F Rn. 89; auch Rieß, Schäfer-FS, 1980, S. 155, 156 f.

       [2]


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