Arbeitsstrafrecht. Björn Gercke
Arbeitgeber im steuerrechtlichen Sinne ist folglich derjenige, der aufgrund seiner wirtschaftlichen Stellung Arbeitnehmer einstellen, entlassen sowie über deren Arbeitskraft verfügen kann.[41] Dabei ist es unerheblich, ob der steuerrechtliche Arbeitgeber geschäftsfähig oder Vertragspartner des jeweiligen Arbeitsvertrages ist.[42]
2. Gesellschaften als Arbeitgeber i.S.d. Arbeitgeberstrafrechts
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Nach den vorstehenden Ausführungen kommen als potentielle Arbeitgeber selbstverständlich nicht nur natürliche Personen in Betracht, sondern auch Personen[43]– und Kapitalgesellschaften. Da die Arbeitgebereigenschaft grundsätzlich an den Arbeitsvertrag anknüpft, muss die jeweilige Gesellschaft rechtlich in der Lage sein, durch Verträge Rechte zu erwerben und Verpflichtungen einzugehen.[44]
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Die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) sind gem. § 124 Abs. 1 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) befähigt, unter ihrer Firma Rechte zu erwerben und Pflichten zu übernehmen. Daraus ergibt sich, dass sie durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages auch die Arbeitgebereigenschaft erlangen können. Zu beachten ist hierbei aber, dass außer der Gesellschaft selbst auch jedem persönlich haftenden Gesellschafter, den sogenannten Komplementären der KG, der Arbeitgeberstatus zukommt, da sie gem. § 128 HGB (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB) persönlich für die Arbeitgeberverbindlichkeiten auf gleicher Stufe mit der Gesellschaft einzustehen haben.[45] Der Kommanditist demgegenüber kann die Arbeitgebereigenschaft nicht aufweisen.[46]
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Der Zweite Senat des BGH hat überdies die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kurz GbR, anerkannt. Das gilt jedenfalls für die sogenannte Außen-GbR, die somit ebenfalls als Arbeitgeberin agieren, klagen und verklagt werden kann.[47] Auch die Partnerschaftsgesellschaft kann Arbeitgeberin sein.[48]
Kapitalgesellschaften, wie die AG und GmbH, sind als juristische Personen des privaten Rechts rechtsfähig, sodass sie ebenfalls durch Arbeitsvertrag die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers begründen können.[49] Anders als bei den Personengesellschaften sind sie rechtlich derart verselbstständigt, dass keine Erfüllungsansprüche der Gläubiger der Gesellschaft auf die Gesellschafter durchschlagen. In der Folge kommt eine Arbeitgeberstellung nur der Gesellschaft, nicht aber der Gesellschafter in Frage.[50]
3. (Faktische) Organe als Arbeitgeber i.S.d. Arbeitgeberstrafrechts
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Besteht das Arbeitsverhältnis zu einer juristischen Person, so ist diese grundsätzlich Arbeitgeber. Allein die Tatsache, dass die Wahrnehmung der Arbeitgeberrechte und -pflichten für die Gesellschaft durch ihre Organe oder sonstige vertretungsberechtigte Personen erfolgt, führt nicht dazu, dass auch diese als Arbeitgeber angesehen werden können. Sie stehen insoweit vielmehr im Lager des Arbeitgebers. Für Personengesellschaften gilt im Grunde nichts anderes.[51]
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Aber auch wenn der vorbeschriebene Personenkreis an sich die Arbeitgebereigenschaft nicht aufweist, so kann er gleichwohl mit strafrechtlicher Relevanz für sich im Rahmen spezifischer Strafrechtstatbestände agieren. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Voraussetzungen einer Organ- und Vertreterhaftung gem. § 14 StGB im Einzelfall gegeben sind.[52] Als „Arbeitgeber“ und damit Normadressat können nach dieser Norm auch sogenannte „faktische Organe“ anzusehen sein. Dies sind Personen, die in rechtlich unwirksamer Weise in die Position eines Vertreters oder Substituten des Arbeitgebers bestellt worden sind oder sich hierzu aufgeschwungen haben, aber dennoch die Funktionen eines Organmitglieds faktisch ausüben.[53]
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Hinweis
Es empfiehlt sich für die Organe einer Gesellschaft, die originär deren Pflichten als Arbeitgeber wahrnehmen, einzelne Aufgaben und Pflichten auf angestellte Arbeitnehmer in verantwortlicher Position zu delegieren. Die Delegation sollte dabei ebenso dokumentiert werden, wie der Umstand, dass der entsprechende Mitarbeiter sorgfältig ausgesucht, instruiert und regelmäßig in seiner Aufgabenwahrnehmung kontrolliert ist.
Anmerkungen
Ausnahme bildet alleine das am 18.8.2006 in Kraft getretene AGG, welches in § 6 Abs. 2 bestimmt, dass als Arbeitgeber i.S.d. AGGs solche natürlichen und juristischen Personen sowie solche rechtsfähigen Personengesellschaften anzusehen sind, die Arbeitnehmer, Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Personen oder Heimarbeiter beschäftigen. Vgl. zum AGG im Übrigen: Bezani/Richter Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht, 2006.
Im Rahmen dieser Definition wird der Arbeitnehmerbegriff eng verstanden. In der Folge ist nicht Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen Sinne, wer arbeitnehmerähnliche Personen oder Auszubildende im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses beschäftigt.
Einer Einigung über die Zahlung einer Vergütung und deren Höhe bedarf es – obschon es sich für einen Arbeitsvertrag um essentialia negotii handelt – in aller Regel für das wirksame Zustandekommen eines Arbeitsvertrages nicht. Gemäß § 612 Abs. 1 BGB gilt vielmehr eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Soweit eine Höhe nicht bestimmt ist, gibt § 612 Abs. 2 BGB vor, wie diese zu bestimmen ist. Ebenso wenig ist es – entgegen immer wieder in der Praxis anzutreffender Auffassung – für einen wirksamen Arbeitsvertragsschluss nicht erforderlich, dass der Arbeitsvertrag schriftlich niedergelegt wird. Der Arbeitgeber ist lediglich verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des formfrei abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach dessen Beginn in Schriftform nachzuweisen.
BAG AP Nr. 1 zu § 705 BGB; BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Hausmeister; BAG AP Nr. 15 zu § 20 BetrVG 1972; Nikisch S. 142 f.; ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 183; MünchHdb-ArbR/Richter Bd. 1 § 23 Rn. 1.
Nikisch S. 142 f.; ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 183; Preis/Temming Individualarbeitsrecht, Rn. 129.; MünchHdb-ArbR/Richter Bd. 1 § 23 Rn. 1; Schaub/Koch „Arbeitgeber“.
HK-ArbR/Kreuder § 611a BGB Rn. 123; MünchHdb-ArbR/Richter Bd. 1 § 23 Rn. 4.
LAG Bremen DB 1995, 1770; BGHZ 187, 105 ff. = LSK 2011, 240376; MK-InsO/Caspers Vorb. Vor §§ 113 Rn. 10, 11.
BGH Beschluss v. 5.6.2013 – 1 StR 626/12, NStZ 2013, 587; BGH Beschluss v. 16.1.2019 – 5 StR 249/18, NstZ-RR 2019, 184; BGH Urt. v. 16.4.2014 – 1 StR 516/13, NJW 2014, 1975; vgl. hierzu auch 2. Kap. Rn. 14 ff.