Fälle zum Recht der Leistungsstörungen. Hilmar Dr. Odemer
1: Unmöglichkeit der Leistung › Fall 1: Versendungsprobleme › Sachverhalt (Ausgangsfall)
Sachverhalt (Ausgangsfall)
Privatmann V mistet den Keller seines Hauses aus und findet hierbei einige Antiquitäten, die er zu Geld machen möchte. Unter anderem befinden sich darunter drei alte Vasen, die sich in Form und Verzierung unterscheiden und einen Zeitwert von jeweils ca. 600 Euro haben. Diese fotografiert V (alle drei Vasen auf einem Foto) und stellt sie bei eBay-Kleinanzeigen wie folgt zum Verkauf ein.
„Verkaufe wunderschöne antike Vasen (s. Abbildung). Preis: je 400 Euro. Bitte kontaktieren Sie mich unter“ (es folgt eine Telefonnummer).
V vertippte sich jedoch beim Erstellen der Anzeige. Eigentlich wollte er als Preis 500 Euro angeben. Als K, der auf der Suche nach Dekorationsgegenständen für seine neue Wohnung ist, die Vasen erblickt, tritt er in Kontakt mit V und erklärt diesem gegenüber, dass er eine der Vasen „wie angeboten“ für 400 Euro kaufen möchte. Nach kurzer Diskussion wird folgende Vereinbarung getroffen: K soll 500 Euro für eine der Vasen zahlen. V verschickt dafür eine Vase auf eigene Kosten an den Wohnort des K. Die Zahlung soll „per Nachnahme“ bei Lieferung der Vase erfolgen. Weil sich K nicht für eine der Vasen entscheiden kann, überlässt er dem V die Auswahl.
Nach alldem bringt V die ordnungsgemäß verpackte Vase zum Lieferunternehmer L, der dem V wegen der Zerbrechlichkeit der Vase besondere Schutzmaßnahmen für den Transport zusichert. Die Versendung erfolgt vereinbarungsgemäß mittels „Paketsendung“ (Versicherung bis 520 Euro pro Paket inklusive). Aufgrund einer leichten Nachlässigkeit des bei L angestellten und mit dem Transport betrauten Fahrers F verunfallt dieser jedoch auf dem Weg zu K. Hierbei wird die Vase, die seitens des L nicht besonders gesichert wurde, irreparabel zerstört. V verlangt dennoch Zahlung von K, der jedoch erklärt, hierzu nur gegen Übereignung einer Vase bereit zu sein.
1. | Kann K Übereignung einer Vase von V verlangen? |
2. | Kann V Zahlung der 500 Euro von K verlangen? |
Hinweise zur Bearbeitung: Es ist davon auszugehen, dass die „Paketversicherung“ aufgrund einer zwischen L und der A-Versicherung abgeschlossenen Transport- bzw. Frachtführerversicherung besteht, aus der dem jeweiligen Eigentümer des Transportgutes bei dessen Verlust oder Zerstörung unmittelbar ein Anspruch gegen den Versicherer aus § 44 I 1 VVG zusteht (sog. Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ i.S.v. § 48 VVG).[1] Einen entsprechenden Versicherungsschein hat V von L ausgehändigt bekommen, so dass er (V) über den Anspruch auch verfügen kann (vgl. § 44 II VVG).
Auf die Vorschriften über den Frachtvertrag (§§ 407 ff. HGB), insbesondere auf die §§ 421, 425 HGB, wird hingewiesen.
Abwandlung 1
Könnte K Übereignung einer Vase verlangen, wenn V die Vase im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit über eBay verkauft hätte und er die verkauften Waren ausschließlich an die Käufer versendet (Versandhandel ohne Ladengeschäft)?
Abwandlung 2
V hat nur eine einzige Vase im Wert von 600 Euro zum Verkauf angeboten. Diese verkauft er für 500 Euro zunächst an K. Danach verkauft und übereignet er die Vase an D für 800 Euro, der diese unter keinen Umständen wieder hergeben möchte. K fragt Sie, ob und – bejahendenfalls – in welcher Höhe er den Veräußerungserlös von V verlangen kann.
Abwandlung 3
V hat nur die eine Vase zum Verkauf angeboten. Eine Nachnahme wurde nicht vereinbart, vielmehr sollte K den Kaufpreis nach Erhalt der Vase an V überweisen. Die Vase kommt nicht völlig zerstört bei K an, aber Teile der Vase sind abgebrochen. K nimmt die Vase entgegen und erkennt die Schäden erst nachdem er diese dem Paket entnommen hat.
Variante 1: Eine Reparatur hätte zwar keine für Laien erkennbaren Spuren, wohl aber einen merkantilen Minderwert von ca. 10 % zur Folge. V bietet die Reparatur der Vase an und verlangt Zahlung. Wie ist die Rechtslage?
Variante 2: Eine Reparatur ist ohne bleibenden Schaden möglich. K lässt die Vase von dem Werkunternehmer W reparieren, ohne den V zuvor über die Mangelhaftigkeit zu unterrichten. Die hierbei entstandenen Kosten von 150 Euro verlangt K nunmehr von V. Dieser verweigert jegliche Zahlung. Im Übrigen – so V zutreffend – hätte er die Reparatur für einen Aufwand von 80 Euro vornehmen können. Wie ist die Rechtslage?
Hinweise zur Bearbeitung: Ansprüche aus GoA und Bereicherungsrecht sind nicht zu prüfen.
Abwandlung 4
Nachdem V die Anzeige bei eBay-Kleinanzeigen geschaltet hat, aber noch bevor sich K bei V meldet, werden die drei Vasen aus den ordnungsgemäß abgeschlossenen Kellerräumen des V von einem unbekannten Dieb entwendet und sind fortan nicht mehr auffindbar. Da V hiervon zunächst keine Kenntnis hat, schließt er den Kaufvertrag mit K am nächsten Tag. Der Kaufpreis soll 600 Euro betragen (= objektiver Wert der Vase).
Aufgrund des mit V getätigten Geschäfts unterlässt es K am Morgen des Folgetages, eine von Händler H auf einem Flohmarkt angebotene Vase im Wert von 500 Euro für 450 Euro zu erstehen. Am Mittag desselben Tages bemerkt V den Diebstahl und unterrichtet K hierüber. Da H die Vase mittlerweile anderweitig veräußert hat, erwirbt K eine Vase für 700 Euro, was auch deren objektiven Wert entspricht, und macht die Mehrkosten in Höhe von 100 Euro bei V geltend. Dieser weigert sich. Er wendet ein, er habe – was zutrifft – am Abend vor dem Vertragsschluss mit K noch nach den Vasen gesehen und diese seien erst in der Nacht vor dem Geschäftsabschluss unbemerkt entwendet worden.
Kann K Ersatz der Mehrkosten in Höhe von 100 Euro oder wenigstens die 50 Euro ersetzt verlangen, die er durch den Kauf der Vase des H hätte erzielen können?
Anmerkungen
MüKo/Gottwald, BGB, 8. Aufl. 2019, § 328 Rn. 106 f.
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