Handbuch IT-Outsourcing. Joachim Schrey
(Berufsträger/Dritter) in Deutschland geschlossen wird, ist auch nur deutsches Recht anwendbar.
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Unterstellt man die grundsätzliche Anwendung von deutschem Recht, so stellt sich weiter die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten das deutsche Recht zur Gestaltung von HHL zulässt. HHL sind in der Regel Schreiben, die von einem Berufsträger (WP, StB, RA) an einen Dritten mit der Bitte um Gegenzeichnung versandt werden. Mit Unterschrift unter den HHL erkennt der Dritte die Regelungen des HHL an. Es ist i.d.R. vom Berufsträger nicht vorgesehen, dass über den Inhalt des HHL mit dem Dritten verhandelt werden soll. Somit liegt die Frage nahe, ob bei der Verwendung von HHL diese dem AGB-Recht unterliegen. AGB sind gem. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist gem. § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Bei HHL handelt sich i.d.R. um Standardschreiben, die nicht für den Einzelfall konzipiert worden sind. Sie sind in der Verwendungsart sicherlich vergleichbar mit der Verwendung von NDAs. Verwender dieser Bedingungen wird immer der Berufsträger sein, da er das entsprechende Bedürfnis hat, die Übergabe der Informationen seines Mandanten zu regeln.
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Der Begriff der AGB setzt gem. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vertragsbedingung, d.h. eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll.[118] Der Verwender möchte mit einem HHL die Übergabe von Informationen seines Mandanten an einen Dritten regeln. Der Vertragsinhalt ist somit die Übergabe der Informationen durch den Berufsträger und die Annahme der Informationen durch den Dritten. Ferner möchte der Verwender den Dritten darauf hinweisen, dass evtl. Haftungsansprüche des Dritten ins Leere laufen. Somit handelt es sich nicht um eine einseitige Erklärung des Berufsträgers, die nicht dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB unterstellt werden kann. Der Verwender würde nämlich bei einseitigen Erklärungen keine fremde, sondern lediglich die ihm originär zustehende eigene Gestaltungsmacht in Anspruch nehmen, welche nicht unter dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB zu beurteilen ist.[119] Da aber die Regelungen des HHL beidseitige Regelungen beinhalten, ist das AGB-Recht grundsätzlich anwendbar.
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Nicht erforderlich ist, dass die Bestimmung wirklich Vertragsinhalt wird. Der § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst auch Regelungen, die unwirksam sind oder deren Einbeziehung typischerweise an § 305 Abs. 2 BGB scheitert. Ferner kommt es auch nicht auf den Inhalt des in Aussicht genommenen Vertrages an.[120] Ein wesentliches Element der Übergabe der Informationen ist die Haftungsfreizeichnung, unabhängig davon, ob diese tatsächlich rechtlich zulässig ist.
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Gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen AGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Dies ist, wie bereits oben erläutert, regelmäßig nicht der Fall, da es vom Berufsträger i.d.R. nicht vorgesehen ist, dass über den Inhalt des HHL mit dem Dritten verhandelt werden soll.
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Somit unterliegen HHL i.d.R. dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB und somit auch dem engen Korsett der Inhaltskontrolle. Dass eine umfassende Haftungsfreizeichnung nach US-Recht möglich ist, wurde bereits erläutert. Die Möglichkeit der Haftungsfreizeichnung nach deutschem Recht, insbesondere, wenn HHL dem AGB-Recht unterliegen, ist weitaus begrenzter.
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Der Ausschluss der Haftung bei grober Fahrlässigkeit kann nach § 309 Nr. 7 BGB in AGB nicht wirksam vereinbart werden. Dies gilt (auch wenn sich dies nicht aus dem Gesetzeswortlaut ergibt) auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen, da § 309 Nr. 7 BGB nach der Rechtsprechung des BGH (damals § 11 Nr. 7 AGBG) auch auf den Geschäftsverkehr ausstrahlt.[121] Der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit auf Grund feststehender Rechtsprechung und der Regelung in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nur insoweit möglich, wie keine wesentlichen Vertragspflichten verletzt werden.[122] Ferner kann sich der Verwender von einer Haftungsfreizeichnungsklausel für nur leicht fahrlässiges Handeln seiner Organe, leitenden Angestellten oder sonstiger Erfüllungsgehilfen freizeichnen, sofern es nicht um die Verletzung von Kardinalpflichten geht.[123] Die Haftung kann i.d.R. dort begrenzt werden, wo das Interesse des Verwenders, das Risiko überraschender oder ungewöhnlicher Schadensfälle übernehmen zu müssen, nicht besteht. Eine Haftungsbegrenzung kann im unternehmerischen Verkehr (ausgenommen grobes Verschulden des Verwenders oder eines leitenden Angestellten) zulässig sein, wenn die festgelegte Haftungshöchstsumme die vertragstypischen und vorhersehbaren Schäden abdeckt.[124] Haftungsbeschränkungen in AGB für Sach- und Vermögensschäden sind auch nur in der oben beschriebenen Form möglich. Haftungsbeschränkungen, die Personenschäden (Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit) begrenzen wollen, sind gem. § 309 Nr. 7 lit. a BGB generell unwirksam. Sind in AGB Haftungsbeschränkungen enthalten, die gegen das AGB-Recht verstoßen, so sind diese unwirksam. An ihre Stelle treten gem. § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Regelungen, die grundsätzliche keine Haftungsbeschränkungen kennen.
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Nach § 309 Nr. 8 lit. b BGB ist eine Bestimmung ausgeschlossen, durch die bei AGB-Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile begrenzt werden. Dies zielt insbesondere darauf ab, den Kunden vor einer Aushöhlung seiner ihm kraft Gesetz zustehenden Mängelrechte zu schützen und sicherzustellen, dass das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistung auch bei mangelhafter Leistung des Verwenders durchgesetzt werden kann.[125] Diesem Grundanliegen muss grundsätzlich auch die Vertragsgestaltung im unternehmerischen Geschäftsverkehr Rechnung tragen.[126] Unwirksam ist gem. § 309 Nr. 8 lit. b Doppelbuchst. aa BGB auch im unternehmerischen Verkehr der vollständige Ausschluss der Rechte aus § 437 und § 634 BGB sowie eine ersetzende Verweisung des Vertragspartners auf einen Dritten.[127]
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Fraglich ist, inwieweit der Verwender des HHL für die Richtigkeit der Unterlagen haften muss. Unwirksam ist gem. § 309 Nr. 8 lit. b BGB der generelle Ausschluss der Mängelhaftung bei Kauf- oder Werkleistung.[128] Ob diese Regelung auch für eine Schenkung nach §§ 516 ff. BGB gilt siehe unten.
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Folgt man nicht dem Ansatz des § 309 Nr. 7 BGB, da diese Norm im Wesentlichen für entgeltliche Schuldverhältnisse gedacht[129] ist, so stellt sich die Frage, welche anderen rechtlichen Grenzen der Haftungsfreizeichnung in HHL möglich sind.
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Die Absätze 1 und 2 des § 307 BGB legen den grundlegenden Prüfungsmaßstab für die richterliche Inhaltskontrolle der AGB fest.[130] Gemäß § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das Gebot von Treu und Glauben und die unangemessene Benachteiligung bilden eine Bewertungseinheit, der man die Aufforderung entnimmt, die Eignung der vertraglichen Gestaltung als Mittel zur Herbeiführung einer ausgeglichenen Interessenverteilung zu bewerten.[131] Dabei ist der § 307 Abs. 2 BGB stets vor dem § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen.[132]
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Eine unangemessene Benachteiligung ist gem. § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Mit dem Merkmal der „gesetzlichen Regelung“ umschreibt das Gesetz unmittelbar den sachlichen Regelungsbereich des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.[133] In seiner Entscheidung[134] zu einer Bedienungsanweisung hat der BGH einen Kriterienkatalog entwickelt, nach dem Texte einzuordnen sind, die „nicht als reine literarische Werke“ zu betrachten sind. Der BGH setzt dabei erhöhte Anforderungen an die Schöpfungshöhe