Zeitschrift Polizei & Wissenschaft. Группа авторов
werden die Berufswahlmotive von Polizeibeamtinnen und -beamten einzelner Bundesländer thematisiert: Bremen (Wagner-Haase, 1995), Hessen (Groß, 2015), Sachsen (Liebl, 2006), Sachsen-Anhalt (Löbbecke, 2004), Saarland (Rauber, 2013), Thüringen (Strack, 2011). Die forschungsmethodischen Herangehensweisen zur Untersuchung der Berufswahlmotivation sind recht unterschiedlich. Während einige Untersuchungen ein qualitatives Forschungsdesign (Interviews) nutzen (z. B. Franzke, 1999; Löbbecke, 2004; Strack, 2011) und dementsprechend eine geringe Stichprobengröße (5-24 Personen) aufweisen, nutzen Groß (2015), Liebl (2006), Rauber (2013) und Wagner-Haase (1995) quantitative Methoden (Fragebögen) mit bis zu 731 Befragten (Liebl, 2006). Die vorliegenden quantitativen Ansätze zur Analyse der Berufswahlmotivation von Polizeibeamtinnen und -beamten lassen allerdings eine Anbindung an motivationspsychologische Modelle weitgehend vermissen und beschränken sich meist auf offene Fragen nach den Gründen für die Berufswahl mit anschließender Berechnung von Häufigkeiten und Rangfolgen. Während Wagner-Haase (1995) Thesen zur Berufswahlmotivation von Polizeibeamten formuliert, die sie einerseits aus der allgemeinen Berufswahlmotivationsforschung und andererseits aus eigenen Überlegungen gewinnt, lässt Rauber (2013) die Befragten mithilfe einer offenen Fragestellung Aussagen zur Berufswahlmotivation formulieren und anschließend eine Rangfolge bilden. Zur Generierung der Motive in Liebls Untersuchungen (2003, 2006, 2007) werden keine Angaben gemacht. Ein zugrunde liegendes motivationspsychologisches Modell ist hier ebenfalls nicht zu erkennen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine eindeutige Identifikation wirksam werdender Berufswahlmotive von Polizistinnen und Polizisten anhand der wenigen und zum Teil älteren Studien bisher nur eingeschränkt möglich war. Mit der vorliegenden Studie soll ein integratives theoretisches Modell erstellt werden, um zukünftige Forschung zur Motivation der Wahl des Polizeiberufs zu unterstützen. Dafür werden zunächst die in der Literatur genannten Motive für die Berufswahl zusammengetragen und mithilfe eines theoretischen Rahmenwerks eingeordnet.
Als theoretisches Rahmenwerk zur Erfassung von Wahlverhalten haben sich aus der motivationspsychologischen Forschung insbesondere Theorien des Erwartungs-Wert-Typus als besonders geeignet erwiesen (Brunstein & Heckhausen, 2018). Demnach sind der subjektive Wert und die subjektiven Erwartungen der Verhaltensfolgen die beiden Grundvariablen, aus denen Motivationstendenzen hervorgehen (Brunstein & Heckhausen, 2018). Ein umfassendes, empirisch gut validiertes und in vielen Untersuchungen bewährtes Modell (Watt & Richardson, 2007) hat die Forschergruppe um Eccles hervorgebracht (Eccles, 2005; Wigfield & Eccles, 2000). In Eccles et al. Ausgestaltung der Erwartungs-Wert-Theorie sind der Wert, den man einer Aufgabe zumisst, und die Fähigkeitsüberzeugung die wichtigsten Prädiktoren für die Wahl einer Aufgabe. Basierend auf ihren empirischen Untersuchungen unterscheiden Wigfield und Eccles (2000) drei Komponenten: erstens die Fähigkeitsüberzeugungen und Erfolgserwartung, zweitens den subjektiven Aufgabenwert und drittens die wahrgenommene Schwierigkeit der Aufgabe (Watt & Richardson, 2007). In Einklang mit Eccles et al. werden in der vorliegenden Untersuchung Fähigkeitsüberzeugungen und Erfolgserwartungen zusammengefasst, da diese eine Trennung in zwei Konzepte der faktoranalytischen Untersuchung nicht standhalten (Wigfield & Eccles, 2000). Der subjektive Aufgabenwert lässt sich in Anlehnung an Wigfield und Eccles (2000) und Watt und Richardson (2007) in die Unterkomponenten persönlicher Wert (Nutzen für das Individuum selber), sozialer Wert (Nutzen für die Allgemeinheit) und intrinsischer Wert (im Vollzug der Tätigkeit liegende Befriedigung) unterteilen. Die wahrgenommene Schwierigkeit der Aufgabe bezieht sich schließlich insbesondere auf die zur Erreichung als notwendig angenommene Anstrengung (Watt & Richardson, 2007).
In nationalen und internationalen Untersuchungen zur Berufswahl werden Berufswahlmotive darüber hinaus häufig in intrinsisch und extrinsisch differenziert (z. B. Groß, 2015; Lohbeck, 2018; Moon & Hwang, 2004; Pohlmann & Möller, 2010; Watt & Richardson, 2007). Zu den intrinsischen Motiven für die Wahl des Polizeiberufs zählen Moon und Hwang (2004) insbesondere den Wunsch, Menschen zu helfen, Verbrechen zu bekämpfen sowie die abwechslungsreiche, interessante und herausfordernde Tätigkeit. Als extrinsische Motive sind die Arbeitsplatzsicherheit, das gute Gehalt und das gesellschaftliche Ansehen der Tätigkeit bedeutsam (Moon & Hwang, 2004; Pohlmann & Möller, 2010).
Die wenigen Studien zur Veränderung der Berufswahlmotivationen von Polizistinnen und Polizisten im Laufe der Ausbildung (z. B. Groß, 2015) und des Berufslebens (z. B. White, Cooper, Saunders & Raganella, 2010) deuten darauf hin, dass die Motive, den Polizeiberuf zu wählen, recht stabil sind. White et al. (2010) weisen aber in ihrer Längsschnittstudie darauf hin, dass die Bedeutung der intrinsischen Motive, insbesondere der Wunsch, Menschen helfen zu wollen, im Laufe des Berufslebens leicht abnimmt.
Zur Entwicklung des Fragebogens zur Erfassung der Motivation für die Wahl des Polizeiberufs wurden zwei Studien mit Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärtern für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei1 durchgeführt. Zusätzlich zu den Item- und Skalenanalysen wurden auch Validitätsprüfungen vorgenommen. In der ersten Studie wurde eine Kohorte von Berufsanfängern zu zwei Messzeitpunkten nach ihrer Berufswahlmotivation befragt. Diese Studie diente der Itemauswahl, der explorativen Analyse der Faktorenstruktur und ersten Untersuchungen der Reliabilität. Darüber hinaus wurden Zusammenhangsanalysen mit konstruktnahen Variablen durchgeführt. Die resultierende Fassung des Fragebogens wurde in Studie 2 an einer weiteren Stichprobe von Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärtern für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei validiert.
Studie 1
Das Ziel der ersten Studie bestand darin, zentrale Motive für das Berufsziel Polizeivollzugsbeamtin/Polizeivollzugsbeamter zu identifizieren. Erste Hinweise auf die Validität sollten durch die Analyse korrelativer Zusammenhänge mit Aspekten der Leistungsmotivation, der Selbstwirksamkeitserwartung und des arbeitsbezogenen Erlebens und Verhaltens gewonnen werden.
Methode
Stichprobe
Die Stichprobe umfasste zum ersten Messzeitpunkt N = 234 Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei (32.6 % weiblich). Das durchschnittliche Alter betrug M = 21.52 (SD = 3.95). Die Studierenden füllten während einer Lehrveranstaltung zu Beginn des Grundstudiums einen Fragebogen aus. Der Großteil derselben Kohorte (N = 180) wurde am Ende des Grundstudiums erneut auf diese Weise befragt.
Tabelle 1: Berufswahlmotive von Polizistinnen und Polizisten einzelner Untersuchungen im Überblick
Instrumente
Neben den Items zur Erfassung der Berufswahlmotivation wurden weitere Instrumente eingesetzt, um Hinweise auf die Validität der erstellten Skala zu erhalten. Zum ersten Messzeitpunkt wurden zusätzlich die Leistungsmotivation und die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung erfragt. Zum zweiten Messzeitpunkt wurden Aspekte des arbeitsbezogenen Verhaltens und Erlebens einbezogen.
Motivation für die Wahl des Polizeiberufs. Es wurde eine Skala mit 49 Items generiert, die verschiedene Gründe für die Wahl des Polizeiberufs thematisieren. Bei der Entwicklung des Fragebogens wurden die Items für die Skala vor dem Hintergrund der drei Komponenten von Wigfield und Eccles (2000) formuliert beziehungsweise ausgewählt. So wurden die in der nationalen und internationalen Forschung zur Berufswahlmotivation von Polizeibeamtinnen und -beamten identifizierte Motive aufgenommen und durch weitere Motive ergänzt (s. Tabelle 1).
Die Motive wurden durch den Itemstamm „Ich habe mich für eine Berufslaufbahn als Polizeibeamtin/Polizeibeamter entschieden, weil…“ eingeleitet, der in Fettdruck über den Items platziert wurde. Innerhalb der Erwartungskomponente wird die Fähigkeitsüberzeugung (Itembeispiel „… ich die beruflichen Aufgaben gut bewältigen kann“) und die wahrgenommene Aufgabenschwierigkeit (Itembeispiel „… es eine anspruchsvolle Tätigkeit ist“) erfasst. Als wertbezogene Komponente für die Berufswahl werden der persönliche Wert (Itembeispiele „…der Arbeitsplatz sicher ist“; „… der Beruf angesehen ist“), der soziale Wert (Itembeispiele „…ich etwas Nützliches für die Gemeinschaft tun kann“; „… ich Menschen helfen kann“) und der intrinsische Wert (Itembeispiel „…die Arbeit abwechslungsreich und spannend ist“) abgebildet.