Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, eBook. Christian Jäger

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Vorbemerkung für die Klausur: Die Bedeutung der Handlungslehren sollte hier nicht überschätzt werden. Man muss sich als Folge klar machen, dass man sich mit der Ablehnung einer Handlung grundsätzlich aus der Klausurprüfung katapultiert. Im Zweifel ist daher eine strafrechtlich relevante Handlung zu bejahen.

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      Handlung ist danach Verursachung oder Nichthinderung einer Veränderung der Außenwelt durch willkürliches Verhalten.[70]

      Kritik: Einzuwenden ist gegen diesen Handlungsbegriff jedoch, dass sich Spontanreaktionen und Automatismen so nur schwer als strafrechtlich relevante Handlungen einstufen lassen. Auch ist auf diese Weise jedenfalls unbewusstes Unterlassen kaum als Handlung im strafrechtlichen Sinne fassbar, weil dieses grundsätzlich nicht durch einen Willensimpuls ausgelöst wird.[71]

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      Handlung ist nach dieser von Welzel begründeten Lehre ein vom Willen gesteuertes zweckgerichtetes Geschehen[72] oder kürzer: Handlung ist Ausübung von Zwecktätigkeit.[73]

      Kritik: Dagegen wird aber zu Recht eingewandt, dass sich Delikte unbewusster Fahrlässigkeit so nicht erfassen lassen. Roxin[74] bringt hier das Bsp., dass sich beim Gewehrreinigen unbeabsichtigt ein Schuss löst, der einen anderen tötet. Hier liegt hinsichtlich des Todeserfolges sicherlich keine zweckgerichtete Handlung vor und was das Reinigen als solches angeht, so ist dieses zwar gewollt und zielgerichtet, bezeichnet aber nicht die strafrechtlich relevante Zielsetzung (der strafrechtlich relevante Erfolg ist nicht der Reinigungserfolg, sondern die Tötung und diese wurde gerade nicht zweckhaft bewirkt).[75]

      Auch fehlt es beim Unterlassungsdelikt an einer konkreten Finalität, weil keine Steuerung auf ein bestimmtes Ziel hin stattfindet. Vielmehr liegt das Wesen der Unterlassung gerade in der Nicht-Steuerung.

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      Danach ist Handlung ein vom menschlichen Willen beherrschtes oder beherrschbares sozialerhebliches Verhalten[76] oder kurz: Handlung ist „sozialerhebliches menschliches Verhalten“.[77]

      Kritik: Diese Definition bedarf bei genauer Betrachtung erst noch der Definition, weil Kriterien der Sozialerheblichkeit festgelegt werden müssen und sich vielfach erst aus dem (Straf-)Recht selbst ergeben werden. Die soziale Begriffsbestimmung kennzeichnet daher nicht die Handlung selbst, sondern bei Lichte besehen nur deren Folgen.

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      Handlung ist danach jede Persönlichkeitsäußerung.[78]

      Kritik: Hier wird in der Lit. eingewandt, dass diese Handlungslehre zu weit gefasst sei, da sie nur an die Persönlichkeit anknüpfe und damit auch sozial irrelevantes Verhalten in sich aufnehme.[79] Auch wird vorgetragen, dass ein fahrlässiges Unterlassen nicht als Persönlichkeitsäußerung begriffen werden könne. Freilich wird man dem aber entgegenhalten müssen, dass sich gerade im Unterlassen eine nachlässige Persönlichkeit äußern kann.

      Dass die unterschiedlichen Handlungslehren letztlich vielfach zu im Wesentlichen gleichen Ergebnissen gelangen, soll abschließend noch einmal anhand eines Beispiels demonstriert werden:

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      Beispiel: Der A flog bei einer Autofahrt in einer leichten Kurve plötzlich eine Fliege ans Auge. A machte mit der Hand eine ruckartige Abwehrbewegung und verriss das Steuer. Sie landete mit ihrem Auto in einem Kinderspielplatz. Schreckliche Bilanz: 10 Kinder mussten sterben. (Fliegenabwehr-Fall, abgewandelt nach OLG Hamm NJW 1975, 657[80])

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      Lösung: A hat sich wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB in 10 Fällen strafbar gemacht, da eine strafrechtlich relevante Handlung vorgelegen hat. A hat zwar spontan auf das Insekt reagiert, dennoch liegt kein bloßer Reflex vor, da es sich bei ihrer Abwehrhandlung keinesfalls um eine unwillentliche Reaktion ohne Handlungsqualität handelte. Zu diesem Ergebnis gelangen sämtliche Handlungslehren, denn das Verhalten der A hat eine Veränderung in der Außenwelt verursacht und es war auch zweckgerichtet sowie sozialerheblich. Auch gelangt die personale Handlungslehre zu diesem Ergebnis, da eine so heftige Reaktion durchaus als individuelle Persönlichkeitsäußerung begriffen werden kann. Die gleichzeitig verwirklichte fahrlässige Körperverletzung in 10 Fällen gem. § 229 StGB tritt hinter § 222 StGB zurück.

      Merke für die Klausur: Reflex ist grundsätzlich gegeben bei Verhaltensweisen, die bei jedem Menschen gleich ablaufen (z. B. Kniereflex); Reaktion ist gegeben, wenn Menschen in der konkreten Situation unterschiedlich handeln (z. B. Spontanreaktionen, da nicht jeder Mensch in gleicher Weise spontan reagiert und wohl auch Automatismen, da sie auch anders ausfallen können).[81] Nach allen Handlungslehren fehlt die Handlungsqualität jedenfalls bei unwiderstehlicher Gewalt (vis absoluta), etwa wenn A von B auf den C gestoßen wird, und sie fehlt auch bei Bewegungen in Bewusstlosigkeit, etwa wenn A im Schlaf den C schlägt.

      § 2 Die Zurechnung eines Erfolges zur Person des Täters

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       Vorbemerkung: Machen Sie sich vorab klar, dass es im Allgemeinen Teil des Strafrechts immer wieder um die Variation des einen großen Themas der Zurechnung geht. Im objektiven Tatbestand wird gefragt, ob der Erfolg dem Täter objektiv zurechenbar ist, im subjektiven Tatbestand geht die Frage dahin, ob dem Täter der Erfolg auch subjektiv zurechenbar ist. In der Schuld geht es um personale (individuelle) Zurechnung. Aber auch beim Unterlassungsdelikt und bei Täterschaft und Teilnahme handelt es sich im Rahmen der Garantenstellung und im Rahmen der subjektiven Lehren bzw. der Tatherrschaftslehre letztlich um die Frage täterschaftlicher Zurechnung.

      Was zunächst die Zurechnung im Rahmen des objektiven Tatbestands betrifft, so stellt sich bei den Erfolgsdelikten, bei denen das Gesetz die Strafe an die Herbeiführung eines von der Handlung grundsätzlich trennbaren Außenwelterfolges knüpft (z. B. §§ 212, 222, 223, 229, 303 StGB) die Frage, wann dem Täter der Erfolg (d. h. die Rechtsgutsbeeinträchtigung) als sein Werk zuzurechnen ist.[1]

I. Die Voraussetzungen der Zurechnung im Einzelnen

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      Rspr.[2] und Lehre[3] bestimmen die Kausalbeziehung nach wie vor überwiegend nach der Äquivalenztheorie. Danach ist die Handlung des Täters dann für den Erfolg kausal, wenn diese Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt[4] mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Die Handlung muss also conditio sine qua non sein, wobei alle Bedingungen als gleichwertig angesehen werden (daher der Name Äquivalenztheorie; der Anstifter zu einem Mord ist also ebenso kausal für den Mord wie der Vater als Erzeuger des Mörders).

      In der sog. Ledersprayentscheidung hat der BGH[5] für den Kausalitätsnachweis die Feststellung genügen lassen, dass für die Körperschädigung eine andere Ursache als das Lederpflegemittel nicht ersichtlich ist, sodass es also keine andere plausible Erklärung für den Erfolg gibt.[6] Nicht erforderlich ist dagegen laut BGH die genaue Bestimmung der verantwortlichen chemischen Reaktionen. Dagegen hat sich zwar ein Teil der Lit. mit dem Argument gewandt, dass ein Kausalzusammenhang ohne die Feststellung der konkreten


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