Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich

Handbuch des Strafrechts - Bernd  Heinrich


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33 lit. b ii) rechtfertigen, wobei jeweils einschränkend postuliert wird, dass die Prüfung den Prüfungsteilnehmer (bzw. den Embryo, den Fötus oder das Kind nach der Geburt) lediglich einem minimalen Risiko und einer minimalen Belastung aussetzen darf. In Bezug auf nicht einwilligungsfähige Prüfungsteilnehmer bleiben überdies mögliche strengere nationale Regelungen gemäß Art. 31 Abs. 2 der Verordnung unberührt.[102] Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Öffnungsklausel insofern Gebrauch gemacht, als gruppennützige klinische Prüfungen bei einwilligungsunfähigen Erwachsenen gemäß § 40b Abs. 4 S. 3 AMG n.F. zukünftig nur durchgeführt werden dürfen, soweit die betroffene Person im Zustand der Einwilligungsfähigkeit und Volljährigkeit eine Vorausverfügung für den Fall des Eintritts der Einwilligungsunfähigkeit getroffen hat. Aufgabe des Betreuers ist es, zu prüfen, ob die in der Vorausverfügung enthaltenen Festlegungen auf die aktuelle Situation zutreffen (§ 40b Abs. 4 S. 4 AMG n.F.).[103] Art. 66 der Medizinprodukte-VO (EU) 2017/745 verlangt für die Durchführung klinischer Prüfungen von Medizinprodukten mit schwangeren oder stillenden Frauen zusätzlich zu den in Art. 62 Abs. 4 der VO genannten Voraussetzungen, dass die Prüfung entweder „unter Umständen einen direkten Nutzen für die betroffene schwangere oder stillende Frau oder ihren Embryo oder Fötus oder ihr Kind nach der Geburt zur Folge (hat), der die Risiken und Belastungen überwiegt“ (lit. a) oder „bei Forschungsvorhaben mit stillenden Frauen (…) in besonderem Maße dafür Sorge getragen (wird), dass eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Kindes ausgeschlossen ist“ (lit. b).

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      Als ärztlicher Heileingriff unterfällt der Heilversuch den insofern einschlägigen straf- und zivilrechtlichen Regelungen. Aus strafrechtlicher Perspektive kommt daher eine Strafbarkeit eigenmächtig vorgenommener Behandlungen als Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), eine Strafbarkeit von Behandlungsfehlern als fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung (§§ 229, 222 StGB; ausf. dazu → BT Bd. 6: Detlev Sternberg-Lieben, Ärztliche Heilbehandlung und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, § 52) und schließlich – im Falle der Verweigerung einer an sich indizierten Behandlung – eine Strafbarkeit nach den Grundsätzen des Unterlassungsdelikts (§§ 13, 323c StGB) in Betracht.[104] In zivilrechtlicher Hinsicht ist der Heilversuch v.a. an den mit dem Patientenrechtegesetz[105] geschaffenen Vorschriften der §§ 630a ff. BGB zu messen, mit denen im Wesentlichen die vorherige Rechtsprechung der Zivilgerichte in Arzthaftungssachen kodifiziert wurde.

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      Bei der rechtlichen Bewertung von Heilversuchen ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung jeder – also auch der medizinisch indizierte und lege artis durchgeführte – ärztliche Heileingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung einzuordnen ist, die zu ihrer Rechtfertigung der wirksamen Einwilligung des Patienten bedarf.[106] Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt wiederum voraus, dass der Patient rechtzeitig[107] ordnungsgemäß über alle für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufgeklärt worden ist (vgl. §§ 630d Abs. 2, 630e Abs. 1 S. 1 BGB).[108] Zu den insofern wesentlichen Umständen gehören gemäß § 630e Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Von besonderer Bedeutung für den vorliegend erörterten Zusammenhang ist die sog. Methodenaufklärung, deren Umfang dadurch begrenzt wird, dass die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich Sache des behandelnden Arztes ist.[109] Dieser muss jedoch unter mehreren medizinisch anerkannten Heilverfahren dasjenige wählen, das einerseits die besten Heilungschancen eröffnet, andererseits die geringste Gefahr für den Patienten mit sich bringt und ihm die wenigsten Schmerzen bereitet.[110] Existieren mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden, die zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können, so liegt die Entscheidung beim Patienten, der daher entsprechend aufzuklären ist (§ 630e Abs. 1 S. 2 BGB).[111] Beim Heilversuch kommt hinzu, dass dieser sich bewusst vom erfahrungsbasierten medizinischen Standard löst und damit in besonderem Maße die Gefahr bislang unbekannter Komplikationen mit sich bringt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat daher der Arzt, der eine neue und noch nicht allgemein eingeführte Behandlung mit einem neuen, noch nicht zugelassenen Medikament mit ungeklärten Risiken vornehmen will, den Patienten nicht nur über die noch fehlende Zulassung, sondern auch darüber aufzuklären, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind.[112]

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      Bei der Durchführung der Behandlung hat sich der Arzt an den bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu orientieren, soweit nicht etwas anderes zwischen ihm und dem Patienten vereinbart ist (§ 630a Abs. 2 BGB). Ausschlaggebend ist damit regelmäßig der sog. Facharztstandard,[113] der für das jeweilige Fachgebiet im Zeitpunkt der Behandlung maßgeblich ist; die Parteien des Behandlungsvertrages können jedoch auch einen abweichenden Standard der Behandlung vereinbaren und so insbesondere den Raum für einen Heilversuch oder die Anwendung einer Neulandmethode schaffen.[114] In der Anwendung eines noch nicht zugelassenen Medikamentes oder einer neuen Operationsmethode liegt dann nicht allein aufgrund der Standardabweichung ein haftungsrelevanter Sorgfaltspflichtverstoß; der Arzt ist jedoch – wie bereits dargelegt (Rn. 27) – verpflichtet, einen besonders sorgfältigen Vergleich der Risiko-Nutzen-Profile von Standardbehandlung und neuer Methode vorzunehmen.[115] Die zugrunde liegende Abwägung ist überdies zu aktualisieren, „sobald neue Erkenntnisse über mögliche Risiken und Nebenwirkungen vorliegen, über die sich der behandelnde Arzt ständig, insbesondere auch durch unverzügliche Kontrolluntersuchungen zu informieren hat“.[116]

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      Einen Schwerpunkt der medizinischen Forschung am Menschen bildet die Arzneimittelstudie, die auch als klinische Prüfung bezeichnet wird.[117] Die Legaldefinition des § 4 Abs. 23 S. 1 AMG versteht unter der klinischen Prüfung „jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen“. Die VO (EU) Nr. 536/2014 differenziert demgegenüber zwischen klinischer Prüfung und klinischer Studie. Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 ist unter einer klinischen Studie jede am Menschen durchgeführte Untersuchung zu verstehen, die dazu bestimmt ist,

a) die klinischen, pharmakologischen oder sonstigen pharmakodynamischen Wirkungen eines oder mehrerer Arzneimittel zu erforschen oder zu bestätigen,
b) jegliche Nebenwirkungen eines oder mehrerer Arzneimittel festzustellen
c) oder die Absorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung eines oder mehrerer Arzneimittel zu untersuchen,

      mit dem Ziel, die Sicherheit und/oder Wirksamkeit dieser Arzneimittel festzustellen. Hingegen liegt eine klinische Prüfung gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 bei einer klinischen Studie vor, die mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt:

a) Der Prüfungsteilnehmer wird vorab einer bestimmten Behandlungsstrategie zugewiesen, die nicht der normalen klinischen Praxis des betroffenen Mitgliedstaats entspricht;
b) die Entscheidung, die Prüfpräparate zu verschreiben, wird zusammen mit der Entscheidung getroffen, den Prüfungsteilnehmer in die klinische Studie aufzunehmen, oder
c) an
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