Der Dritte Weg in der Retrospektive. Julia Brandt

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solcher Ausschuss gewählt.217 Die Aufgaben dieses Angestelltenausschusses bestanden neben der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Angestellten darin, „in Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber darüber zu wachen, dass in dem Unternehmen die maßgebenden Tarifverträge durchgeführt werden, [und] soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht im Einvernehmen mit den beteiligten wirtschaftlichen Vereinigungen der Angestellten bei der Regelung der Löhne und sonstigen Arbeitsverhältnisse mitzuwirken; das gute Einvernehmen innerhalb der Angestelltenschaft sowie zwischen dieser und dem Arbeitgeber zu fördern; ihr Augenmerk auf die Bekämpfung der Unfall- und Gesundheitsgefahren in dem Betriebe, der Verwaltung oder dem Büro zu richten[…].“218

      Thematisch ging es bei dem Angestelltenausschuss des DCV vor allem um Gehaltsfragen, der Ausschuss konnte sich zur Regelung der Gehaltsverhältnisse unmittelbar an den Zentralrat des DCV wenden.219 Das geschah auch tatsächlich, die Leitung des DCV war bereit, die mit dem Angestelltenausschuss besprochene Erhöhung der Gehälter zu zahlen, wies aber darauf hin, dass die „Caritas kein Erwerbsgeschäft, sondern ein Wohltätigkeitsunternehmen“ sei.220 Die Arbeit der Angestelltenausschüsse betraf auch im weltlichen Bereich aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten meist Lohnerhöhungen.221

      Die Fortentwicklung der Angestelltenausschüsse durch das Betriebsrätegesetz (BRG) vom 4. Februar 1920 und deren weitreichendere Befugnisse traf auch die Kirchen und ihre Einrichtungen. Diese waren vom BRG nicht ausgenommen, gem. § 9 BRG waren „alle Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechtes“ vom sachlichen Geltungsbereich des BRG erfasst. § 67 BRG ließ den kirchlichen Einrichtungen aber das Privileg eines Tendenzbetriebes insoweit zukommen, als § 67 BRG i.V.m. § 66 Ziff. 1, 2 BRG bestimmte, dass eine Mitbestimmung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten bei Betrieben, die politischen, gewerkschaftlichen, militärischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, künstlerischen und ähnlichen Bestrebungen dienen, ausscheide, soweit die Eigenart dieser Bestrebungen es bedinge.222 Die Religionsgemeinschaften waren nicht wegen ihrer Besonderheit als Kirche, sondern als „Unternehmen mit geistig ideeller Bestimmung“ aus dem Anwendungsbereich des BRG ausgenommen.223 Die Geltung des BRG auch für Religionsgemeinschaften (als Tendenzbetriebe) war damit ohne Frage, sodass diese gehindert waren, eigene Regelungen der Betriebsverfassung zu erlassen.224 Auch beim DCV wurde im April 1920 ein Betriebsrat gewählt.225

      Eine flächendeckende Bildung von Betriebsräten in kirchlichen Einrichtungen blieb nach der Schaffung des BRG aus.226 Der persönliche Anwendungsbereich des § 10 BRG erfasste Arbeitnehmer, und nahm vor allem diejenigen Personen aus dem Anwendungsbereich heraus, deren „Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerbe dient, sondern mehr durch Rücksichten der körperlichen Heilung, der Wiedereingewöhnung, der sittlichen Besserung oder Erziehung oder durch Beweggründe charitativer, religiöser, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art bestimmt wird“. Die Voraussetzung für die Bildung von Betriebsräten in kirchlichen Einrichtungen nach dem BRG war demnach nicht aufgrund des persönlichen Anwendungsbereichs per se ausgeschlossen, denn wie oben227 gezeigt, beschäftigten die Kirchen auch Arbeitnehmer, die sich auf das BRG berufen konnten.228 In der einschlägigen Literatur werden häufig keine Initiativen zur Einrichtung von Betriebsräten in den Einrichtungen der Caritas und verfassten katholischen Kirche festgestellt, unter anderem auch mit der Erklärung, die Einrichtungen hätten nicht über die nach § 1 BRG erforderliche Anzahl von 20 beschäftigten Arbeitnehmern pro Betrieb verfügt.229

      bb)Tarifverträge in verfasster katholischer Kirche und Caritas?

      Die erste gesetzliche Regelung des Tarifrechts erfolgte durch die Tarifvertragsordnung vom 23. Dezember 1918230, die keine Sonderstellung für Betriebe mit geistig-ideeller Zielsetzung vorsah.231 Ein gesetzlich geregelter Tendenzschutz ist bis heute nicht in das TVG aufgenommen. Das bedeutet freilich nicht, dass es einen solchen auf tariflicher Ebene nicht gibt, denn die von der jeweiligen Tendenzregelung erfasste Eigenart wird von den Tendenzschutzregeln lediglich anerkannt und nicht erst durch diese begründet.232 Historisch beschreibt Dörrwächter das Nichtbestehen einer tariflichen Tendenzregelung zur Zeit der Weimarer Republik damit, dass die Problematik eines Tendenzschutzes keine Rolle gespielt habe, da man zum einen vom Verbot bestimmter Klauseln im Tarifvertrag bewusst abgesehen habe, um deren Zulässigkeit im Einzelfall der Rechtsprechung zu überlassen, zum anderen gesetzliche Regelungen im Hinblick auf den näheren Inhalt der Tarifverträge ablehnte.233 Weitere Entwürfe für ein Tarifvertragsgesetz zur Zeit der Weimarer Republik sahen keine Tendenzregelungen vor.234

      Da die Rechtslehre zur damaligen Zeit einen Sonderstatus für kirchliche Arbeitnehmer nicht diskutierte, könnte man in den Kirchen und ihren Einrichtungen eine ähnliche Anzahl an Tarifverträgen wie in weltlichen Betrieben zur Zeit der Weimarer Republik vermuten. Aufgrund der noch geringen Anzahl der nach BGB-Dienstvertragsrecht Beschäftigten235 kam es jedoch nur selten zu Tarifvertragsabschlüssen mit kirchlichen Einrichtungen. Jähnichen führt dazu als Beispiel den 1919 geschlossenen Tarifvertrag zwischen Berliner Stadtsynode und den dortigen Friedhofsmitarbeitern an. Weitere Beispiele hat Schatz236 erforscht, diese stammen alle aus dem Bereich der evangelischen Einrichtungen.237 Zur Zeit der Weimarer Republik gab es also gewerkschaftlich verhandelte Tarifverträge mit evangelischen kirchlichen Arbeitnehmern. Dies lässt sich für katholische Kirche und Caritas allerdings nicht konstatieren. So ließ sich die Feststellung von Wacke, das Erzbistum Köln habe während der Zeit der Weimarer Republik Tarifverträge abgeschlossen,238 so, auf Grundlage der hier erfolgten Untersuchung, nicht bestätigen. Bereits Schmadtke hatte am 10. Oktober 1949 für seine Dissertation239 beim Erzbistum Köln nach derartigen Unterlagen gefragt und um Übersendung eines entsprechenden Exemplars gebeten. Auch Schmadtke hatte die Angabe bei Wacke gefunden, dass im Erzbistum Köln ein Tarifvertrag bestanden habe.240 Schmadtke selber schreibt dazu in seiner Arbeit, dass es ihm „nicht gelungen sei, in entsprechende Unterlagen Einsicht zu nehmen.“241 Vielmehr war es wohl so, dass der Reichsangestelltentarifvertrag (RAT) vom 2. Mai 1924 und der Angestelltenvertrag für die preußische Staatsverwaltung (PAT) vom 30. Juni 1924 kraft besonderer Vereinbarungen in den Anstellungsverträgen des Erzbistums übernommen wurden.242 Allerdings wies bereits Keßler243 darauf hin, dass es in den 1920er Jahren Versuche katholischer kirchlicher Arbeitnehmer gab, Tarifverträge im Wege der Zwangsschlichtung durchzusetzen. Der Schlichtungsausschuss Kempten lehnte am 20. Oktober 1921 einen Antrag des Reichsverbandes der katholischen Kirchenbeamten auf Festsetzung eines Tarifvertrages zwischen den weltlichen Kirchendienern verschiedener Gemeinden und diesen Gemeinden ab, weil die Regelung nur eine geringe Zahl von Arbeitnehmern betreffe, deren äußerst unterschiedliche Arbeitsverhältnisse nur durch Einzelvereinbarung geregelt werden könnten und gegen eine Zwangsschlichtung auch der religiöse Charakter der Arbeit spreche.244 Einen ähnlichen Antrag des Reichsverbandes der katholischen Kirchenbeamten wies der Schlichtungsausschuss Stuttgart am 30. Januar 1928 zurück, da die betroffenen hauptamtlichen Mesner in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stünden und es somit an der sachlichen Zuständigkeit des Schlichtungsausschusses fehle.245

      c)Exkurs: Der Reichsverband der katholischen Kirchenangestellten

      In diesen Fällen hatte jeweils der Reichsverband katholischer Kirchenbeamter die Schlichtungsausschüsse angerufen. Dieser Reichsverband war eine Interessenvertretung der kirchlichen Arbeitnehmer, der auch heute noch als „Zentralverband der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen der kath. Kirche Deutschlands e.V. (ZKD)“ besteht und in der Entwicklung des Dritten Weges keine unbedeutende Rolle spielt, weshalb hier kurz auf seine Historie eingegangen werden soll.246

      Grundstein dieses noch heute bestehenden Berufsverbandes war der 1905 gegründete Küsterverein des Kreises Düren, der sich im Anschluss an die seit 1877 bzw. 1893 bestehenden Berufsgemeinschaften „Unterstützungsverein römisch-katholischer Küster der Diözesen von Rheinland und Westfalen“ und „Allgemeiner Deutscher Organistenverein“ bildete,


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