Prosecco auf dem Gerichtsflur. Katharina Mosel

Prosecco auf dem Gerichtsflur - Katharina Mosel


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zu beraten, ihnen zur Seite zu stehen und sie ein Stück weit auf ihrem Weg zu begleiten. Gerade in Familiensachen ist es die Regel, dass ich mit den Menschen über einen längeren Zeitraum zusammenarbeite.

      Ich bin ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Klingt eindrucksvoll, nicht wahr? Unabhängigkeit ist äußerst wichtig. Das bedeutet eben auch, dass ich kein „Mietmaul“ bin, wie es einer meiner Ausbilder im Referendariat zutreffend formuliert hat. Ich entscheide selbst, was ich in Schriftsätzen zu Papier bringe, was ich bei Gericht vortrage und was nicht. Nur weil mein Mandant bestimmte Dinge dringend möchte, heißt das noch lange nicht, dass ich es genauso machen muss. Das wird oftmals vergessen und führt zu Irritationen, selten auch zur Kündigung des Auftrags. Und ich bin von Berufs wegen verschwiegen. Eine sehr wichtige Voraussetzung für die Arbeit. Das bedeutet aber nicht, dass ich für Mandanten lüge. Auch da bestehen häufig völlig falsche Vorstellungen.

      Anwältin zu sein heißt auch, nicht zu wissen, was der jeweilige Tag an neuen Fällen bringt. Langweilig wird es bei uns in der Familien- und Erbrechtskanzlei eigentlich nie. Das zeichnet den Beruf aus. Auf der anderen Seite muss man sich als Selbstständige um alles selbst kümmern: Man ist Chefin und hat Mitarbeiterinnen mit allen dazu gehörenden Freuden und Problemen, man muss akquirieren, sonst geht man pleite, DSGVO und andere Grausamkeiten gehen auch an uns nicht spurlos vorbei. Jede Menge Fortbildungen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, technische Umrüstungen wegen des elektronischen Rechtsverkehrs, die eigene Homepage müsste auch mal aktualisiert werden … Okay, ich denke, das reicht erst einmal.

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      Das Jurastudium

      Aus heutiger Sicht würde ich nicht noch einmal Jura studieren. Ab und zu erzählen mir Mandanten, dass ihre Kinder das Fach studieren und sehen mich dabei freudig an. Die sind dann immer ganz erstaunt, wenn ich ihre Kinder bemitleide. Das Jurastudium ist nach wie vor herausfordernd: Disziplin und Durchhaltevermögen sollte man mitbringen. Neulich habe ich einen jungen Mann beraten, dessen Mutter ich vor vielen Jahren in einem Scheidungsverfahren vertreten habe. Daran merkt man übrigens auch, wie lange man den Job schon macht. Der berichtete mir jedenfalls stolz, dass er meinetwegen Jura studiert habe, ich sei sozusagen sein Vorbild gewesen. Ich dachte so, wow, hättest du mich vorher gefragt, hätte ich dir davon abgeraten.

      Nicht, dass Sie mich missverstehen. Ich bin eine leidenschaftliche Rechtsanwältin. Das Studium war mir trotzdem viel zu verschult und zu praxisfern. Man musste unglaublich viel auswendig lernen, unendlich viele Klausuren schreiben und ich gestehe, dass ich ohne Repetitor das erste Staatsexamen vermutlich nicht bestanden hätte. Erst dort habe ich unter anderem begriffen, welche Prüfungsreihenfolge es bei zivilrechtlichen Ansprüchen gibt, und ich war nicht die Einzige, der es so ging. Stoff, der mir in den Vorlesungen nie so klar vermittelt worden war. Es mag daran gelegen haben, dass ich bei für mich damals langweiligen Themen geistig abwesend war oder mich zu viel im internationalen Recht herumgetrieben habe. Ja, ich wollte mal Botschafterin werden.

      Im ersten Staatsexamen musste man früher neben den Klausuren noch eine große Examenshausarbeit schreiben (nur am Rande möchte ich erwähnen, dass es damals keine Computer gab, nein: Tipp-Ex und Schreibmaschine waren die Mittel der Wahl). Ich erinnere mich an grauenhafte Wochen, in denen man nur um den Fall kreiste. Da ich aus einer Juristenfamilie komme, haben alle Familienmitglieder Fall und Lösung natürlich hautnah mitbekommen und leidenschaftlich diskutiert oder besser gesagt: ihren Senf dazugegeben. Genützt hat das übrigens nichts. Heute schreibt man „nur“ noch Klausuren, für mich kam diese Praxis leider zu spät. Hausarbeiten sind nicht so meins. Ich konnte noch nie wochenlang an einem Fall sitzen und Literatur dazu studieren, bin eher für die Praxis gemacht. Dementsprechend war übrigens auch das Ergebnis der Hausarbeit im ersten Examen: „mangelhaft“. Klausuren und die mündliche Prüfung haben mich wieder herausgerissen. Woran ich mich noch erinnere, ist das befreiende Gefühl, das Examen geschafft zu haben. Immer noch sind die Durchfallquoten beim ersten juristischen Staatsexamen sehr hoch. Manche Dinge ändern sich eben doch nicht, trotz vielfacher Reformen.

      Für die Praxis gelernt habe ich erst im Referendariat. Vorher wäre ich tatsächlich trotz fast fünfjährigem Studium und Examensvorbereitung nicht in der Lage gewesen, zuverlässig und richtig auf Fragen meiner lieben Mitmenschen zu antworten und ihnen mit tatkräftigen Hinweisen zur Seite zu stehen. Etwas, was die meisten Mitmenschen übrigens nicht verstehen wollten. Wenn es nach mir ginge, müssten alle angehenden Richter zunächst als Anwälte gearbeitet haben. Vom Studium über das Referendariat direkt auf die Richterbank ist etwas, was ich nicht befürworte.

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      Gründung einer Anwaltskanzlei

      Meine Kollegin, mit der ich seit 1992 zusammen in einer Sozietät arbeite, habe ich im Referendariat kennengelernt. Die Einzelheiten unseres Anwaltsprojekts haben wir in einem Café besprochen, kurze Zeit später wurde der Mietvertrag unterschrieben. Es war also relativ spontan. Wir wussten übrigens von Anfang an genau, was wir nicht wollten: ein typisches Anwaltsbüro in grün, braun, beige mit einschüchterndem Verhalten von Anwälten. Anfang der Neunziger war das nämlich noch häufig gang und gäbe.

      Wir arbeiten immer noch in denselben Räumen, die wir so spontan vor vielen Jahren angemietet haben. Als wir gründeten, erhielten wir von der Sparkasse ein Existenzgründungsdarlehen ohne Sicherheiten. In diesen Genuss kommt man nach meiner Kenntnis schon lange nicht mehr. Es ist deutlich schwieriger geworden, Kreditinstitute verlangen Sicherheiten, die man am Anfang einer Selbstständigkeit naturgemäß oft nicht hat. Inzwischen gibt es sehr viele Kollegen, die alleine unterwegs sind, d.h. ohne Angestellte alles selbst machen. Mit der entsprechenden Technik ist das heutzutage kein Problem mehr. Auch der Mandant findet es nicht mehr außergewöhnlich, wenn er immer direkt mit dem Anwalt zu tun hat. Er wird dieses sogar oft begrüßen. Ob das praktisch für den Anwalt ist, ist eine ganz andere Frage. Auch wir haben zunächst ohne Mitarbeiter angefangen, ziemlich schnell aber eine Auszubildende eingestellt.

      Ich bin überzeugt davon, dass es heute wichtiger als damals ist, spezialisiert zu arbeiten, zumindest in der Stadt. Ich habe große Hochachtung vor den Kollegen, die als sogenannte „Feld-Wald-und-Wiesen-Anwälte“ arbeiten. Ob das in der Zukunft noch ein praktikables Modell ist, wird sich zeigen. Der Markt verändert sich rasend schnell, Legal-Tech ist in aller Munde. Für uns hatte sich jedenfalls damals sehr schnell herausgestellt, dass wir uns spezialisieren müssen, um am Markt bestehen zu können. Nicht umsonst habe ich mich durch die Fachanwaltslehrgänge gequält und wieder Klausuren geschrieben. Auch wenn es für viele heute gar nicht mehr vorstellbar ist: Als ich anfing, als Anwältin zu arbeiten, wurden noch Briefe verschickt, es gab keine E-Mails, vom Internet ganz zu schweigen. Ich weiß noch, dass das Telefax für viele Kollegen Teufelszeug war und man sich lange Zeit dagegen gewehrt hat. Das Thermopapier des Faxes verblasste und wenn man nicht aufpasste, verschwand der so gefaxte Schriftsatz im Nirwana. Juristen sind halt im Großen und Ganzen eher konservativ und tun sich schwer mit Neuerungen. Manchmal gibt es allerdings auch bei mir Momente, wo ich mir diese Zeit zurückwünsche. Immer dann nämlich, wenn mein E-Mail-Account überquillt und alle immer sofort eine Antwort auf die gerade versendete Nachricht haben möchten. Ich verstehe das auch: Bei Einkäufen im Netz erhält man immer umgehend eine Bestellbestätigung und kann kurz danach die Sendung über einen Link verfolgen. Es ist nach wie vor eine große Herausforderung, dem einzelnen Mandanten zu erklären, dass das im Anwaltsbüro so nicht funktionieren kann. Ich arbeite dran und bin nach wie vor optimistisch.

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      Die Angst, pleite zu gehen …

      … war in den ersten Jahren unserer Selbstständigkeit tatsächlich immer vorhanden. Es gab anfangs Wochen, in denen kein neuer Mandant auftauchte. Ich weiß nicht, ob man sich diese Situation als Angestellter mit einem regelmäßigen monatlichen Einkommen wirklich vorstellen kann: keine Mandanten, keine Einnahmen, aber jede Menge Ausgaben. Darüber hinaus gibt es die Mandanten, die nicht oder nicht zuverlässig zahlen – auch der Staat kann sich übrigens durchaus viel Zeit mit der Auszahlung


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