Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра. Эрнст Гофман

Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра - Эрнст Гофман


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Morgen die Benzon, die bei der Prinzessin gewacht, in Juliens Zimmer trat, kam ihr diese entgegen, erblaßt, übernächtig, das Köpfchen gehängt, wie eine kranke Taube.»Was ist Dir, Julie«, rief ihr die Benzon, die nicht gewohnt, die Tochter in solchem Zustande zu sehen, erschrocken entgegen.»Ach Mutter«, sprach Julie ganz trostlos,»ach Mutter, niemals mehr in diese Umgebungen; mein Herz erbebt, wenn ich an die gestrige Nacht denke. – Es ist etwas Entsetzliches in diesem Prinzen; als er mich anblickte, ich kann Dir's nicht beschreiben, was in meinem Innern vorging. – Ein Blitzstrahl fuhr tötend aus diesen dunklen, unheimlichen Augen, von dem getroffen ich Ärmste vernichtet werden konnte. – Lache mich nicht aus, Mutter, aber es war der Blick des Mörders, der sein Opfer erkoren, das mit der Todesangst getötet wird, noch ehe der Dolch gezückt! – Ich wiederhol' es, ein ganz fremdes Gefühl, ich vermag es nicht zu nennen, bebte wie ein Krampf mir durch alle Glieder! – Man spricht von Basilisken, deren Blick, ein giftiger Feuerstrahl, augenblicklich tötet, wenn man es wagt, sie anzuschauen. Der Prinz mag solchem bedrohlichen Untier gleichen.«

      «Nun«, rief die Benzon laut lachend,»muß ich in der Tat glauben, daß es mit dem mostro turchino seine Richtigkeit hat, da der Prinz, ist er gleich der schönste, liebenswürdigste Mann, zweien Mädchen erschienen ist als Drache, als Basilisk. Der Prinzessin traue ich die tollsten Einbildungen zu, aber daß meine ruhige sanfte Julie, mein süßes Kind, sich hingeben sollte, närrischen Träumen.«—»Und Hedwiga«, unterbrach Julie die Benzon,»ich weiß nicht, welch' eine böse feindliche Macht sie losreißen von meinem Herzen, ja mich hineinstürzen will in den Kampf einer fürchterlichen Krankheit, der in ihrem Innern wütet! – Ja, Krankheit nenne ich der Prinzessin Zustand, gegen den die Ärmste nichts vermag. Als sie gestern sich schnell abwandte von dem Prinzen, als sie mich liebkoste, umarmte, da fühlte ich, wie sie in Fieberhitze glühte. Und dann das Tanzen, das entsetzliche Tanzen! Du weißt Mutter, wie ich die Tänze hasse, in denen es den Männern vergönnt, uns zu umschlingen. – Es ist mir, als müßten wir in dem Augenblick alles aufgeben, was Sitte und Anstand erfordern und den Männern eine Übermacht einräumen, die wenigstens den zartfühlenden unter ihnen unerfreulich bleiben wird. – Und nun Hedwiga, die nicht aufhören konnte, jenen südlichen Tanz zu tanzen, der mir, je länger er dauerte, desto abscheulicher schien. Rechte teuflische Schadenfreude war es, die aus den Augen des Prinzen blitzte – «

      «Närrin«, sprach die Benzon,»was fällt Dir alles ein! – Doch! – ich kann Deine Gesinnung über das alles nicht tadeln, bewahre sie treulich, aber sei nicht ungerecht gegen Hedwiga, denke überhaupt gar nicht weiter nach, was mit ihr ist und mit dem Prinzen, schlage es Dir aus dem Sinn! – Willst Du, so werd' ich dafür sorgen, daß Du eine Zeitlang weder Hedwiga noch den Prinzen sehen darfst. Nein, Deine Ruhe soll nicht gestört werden, mein gutes, liebes Kind! Komm an mein Herz!«– Damit umarmte die Benzon Julien mit aller mütterlicher Zärtlichkeit.

      «Und«, fuhr Julie fort, indem sie das glühende Antlitz an die Brust der Mutter drückte,»aus der entsetzlichen Unruhe, die ich empfand, mochten auch wohl die seltsamen Träume kommen, die mich ganz verstört haben.«

      «Was träumtest Du denn?«fragte die Benzon.

      «Mir war's«, sprach Julie weiter,»ich wandle in einem herrlichen Garten, in dem unter dichtem, dunklem Gebüsch Nachtviolen und Rosen durcheinander blühten, und ihr süßes Aroma in die Lüfte streuten. Ein wunderbarer Schimmer, wie Mondesglanz, ging auf in Ton und Gesang, und wie er die Bäume, die Blumen mit goldnem Strahl berührte, bebten sie vor Entzücken, und die Büsche säuselten und die Quellen flüsterten in leisen, sehnsüchtigen Seufzern. Da gewahrte ich aber, daß ich selbst der Gesang sei, der durch den Garten ziehe, doch sowie der Glanz der Töne verbleiche, müsse ich auch vergehen in schmerzlicher Wehmut! – Nun sprach aber eine sanfte Stimme: ›Nein! der Ton ist die Seligkeit und keine Vernichtung, und ich halte Dich fest mit starken Armen, und in Deinem Wesen ruht mein Gesang, der ist aber ewig wie die Sehnsucht!«– Es war Kreisler, der vor mir stand und diese Worte sprach. Ein himmlisches Gefühl von Trost und Hoffnung ging durch mein Inneres, und selbst wußte ich nicht – ich sage Dir alles, Mutter! – ja selbst wußte ich nicht, wie es kam, daß ich Kreislern an die Brust sank. Da fühlte ich plötzlich, wie mich eiserne Arme fest umschlangen, und eine entsetzliche, höhnende Stimme rief:»Was sträubst Du Dich, Elende, Du bist ja schon getötet und mußt nun mein sein.«– Es war der Prinz, der mich festhielt. – Mit einem lauten Angstgeschrei fuhr ich auf aus dem Schlafe, ich warf mein Nachtkleid über, und lief an's Fenster, das ich öffnete, da die Luft im Zimmer schwül und dunstig. In der Ferne gewahrte ich einen Mann, der mit einem Perspektiv nach den Fenstern des Schlosses schaute, dann aber die Allee hinabsprang auf seltsame, ich möchte sagen, närrische Weise, indem er von beiden Seiten allerlei Entrechats und andere Tänzerpas ausführte, mit den Armen in den Lüften herumfocht und, wie ich zu vernehmen glaubte, laut dazu sang. Ich erkannte Kreislern, und indem ich über sein Beginnen herzlich lachen mußte, kam er mir doch vor, wie der wohltätige Geist, der mich schützen würde vor dem Prinzen. Ja es war, als würde mir jetzt erst Kreislers inneres Wesen recht klar, und ich sähe jetzt erst ein, wie sein schalkisch scheinender Humor, von dem mancher sich oft verwundet fühle, aus dem treuesten, herrlichsten Gemüte komme. Ich hätte hinablaufen in den Park, ich hätte Kreislern alle Angst des entsetzlichen Traums klagen mögen!«—

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