Literarische Texte als Sprechanlässe im Deutschunterricht. Н. А. Евгеньева
mein Wams, damit man die Löcher nicht sah,
mit Hahnenfedern besteckt.
Und ich spielte und sang, bald kamen die Kinder
zu mir von überall her,
hörten, was ich sang mit Empörung
und vergaßen es nie mehr.
Und die Kinder beschlossen, mir zu helfen
und nicht mehr zuzusehn,
wo Unrecht geschieht, sondern immer gemeinsam
dagegen anzugehn.
Und die Hamelner Kinder hielten ihr Wort
und bildeten ein Gericht,
zerrten die Bosheit und die Lügen
ihrer Väter ans Licht.
Und sie weckten damit in ihren Eltern
Betroffenheit und Scham,
und weil er sich schämte, schlug manch ein Vater
sein Kind fast krumm und lahm.
Doch mit jeder Misshandlung wuchs der Mut
der Kinder dieser Stadt,
und die hilflosen Bürger brachten die Sache
vor den hohen Rat.
Es geschah, was heute noch immer geschieht,
wo Ruhe mehr gilt als Recht,
denn wo die Herrschenden Ruhe woll’n,
geht’s den Beherrschten schlecht.
So beschloss man die Vertreibung
einer ganzen Generation.
In der Nacht desselben Tages begann
die schmutzige Aktion.
Gefesselt und geknebelt,
von den eigenen Vätern bewacht,
hat man die Kinder von Hameln ganz heimlich
aus der Stadt gebracht.
Nun war wieder Ruhe in der Stadt Hameln,
fast wie in einem Grab.
Doch die Niedertracht blühte, die Ratsherren fassten
eilig ein Schreiben ab.
Das wurde der Stadtchronik beigefügt
mit dem Stempel des Landesherrn
und besagt, dass die Kinder vom Rattenfänger
ermordet worden wär’n.
Doch die Hamelner Kinder sind nicht tot,
zerstreut in alle Welt,
haben auch sie wieder Kinder gezeugt,
ihnen diese Geschichte erzählt.
Denn auch heute noch setzen sich Menschen
für die Rechte Schwächerer ein,
diese Menschen könnten wohl die Erben
der Hamelner Kinder sein.
Doch noch immer herrscht die Lüge
über die Wahrheit in der Welt,
und solange die Gewalt und
die Angst die Macht in Händen hält,
solange kann ich nicht sterben,
nicht ausruhn und nicht fliehn,
sondern muss als Spielmann und Rattenfänger immer
weiterziehn.
Denn noch nehmen Menschen Unrecht
als Naturgewalt in Kauf,
und ich hetze noch heute die Kinder dagegen
immer wieder auf.
3 Die vorliegende Ballade wurde von dem Liedermacher Hannes Wader 1974 verfasst und stellt eine deutliche Reminiszenz an die Ereignisse des Jahres 1968 in Osteuropa dar. Der Kampf der Demokratie gegen Totalitarismus wird metaphorisch durch den Generationenkonflikt gestaltet. Nehmen Sie Stellung zu dem im Text aufgegriffenen Problem.
1) „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“;
2) „Prager Frühling“;
3) die Reformen durchführen, die für die Bürger größere Freiheiten bedeuten;
4) die Zensur der Presse lockern;
5) das Recht auf freie Meinungsäußerung wieder herstellen;
6) die Reisebeschränkungen aufheben;
7) die Mitsprachemöglichkeiten haben;
8) Es kommt zu Protesten.
9) Die Proteste weiten sich aus.
10) Es kommt zu Massendemonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern.
11) mit Gewalt (Repressionen) reagieren;
12) Veränderungen herbeiführen;
13) Unnachgiebigkeit und jugendlicher Maximalismus im Kampf um die menschliche Würde – „vernunftmäßige“ Neigung zur Ruhe und Kompromissbereitschaft
Gegenseitige Beschuldigungen von Ost und West im Kalten Krieg
1.3 Dialog der Generationen (nach Erich Kästner)
1 Erich Kästner (1899 – 1974) war ein vielseitiger Schriftsteller: Kinderbuchautor, Lyriker, Romanautor, Journalist, Kabarettist … – aber auch ein kritischer Zeitzeuge, Mahner, Erzieher und Moralist. Sein Leben ist von den entscheidendsten Ereignissen des 20. Jahrhunderts nicht zu trennen. Spritzig sprach er vom Kulturbetrieb, glossierte die Kinoszene, merkte Politisches an, kritisierte immer wieder Militarismus, Chauvinismus und den ewigen Spießer im Deutschen.
Die Vielseitigkeit von Kästners Begabung liegt darin, dass er seiner Kindheit treu geblieben ist: „Die Kindheit ist das stille, reine Licht, das aus der eigenen Vergangenheit tröstlich in die Gegenwart und Zukunft hinüberleuchtet. Sich der Kindheit wahrhaft erinnern, das heißt: plötzlich und ohne langes Überlegen wieder wissen, was echt und falsch, was gut und böse ist. Die meisten vergessen ihre Kindheit wie einen Schirm und lassen sie irgendwo in der Vergangenheit stehen. Und doch können nicht vierzig, nicht fünfzig Jahre des Lernens und Erfahrens den seelischen Feingehalt des ersten Jahrzehnts aufwiegen. Die Kindheit ist unser Leuchtturm.“
2 Folgender Text spricht für das Verhältnis Kästners zu Kindern.
etw. auffädeln – etw. auf eine Schnur oder auf einen Faden reihen
das Spalierobst – Pflanzen, die an einem Gitter mst aus Holz, bes an einer Hauswand nach oben wachsen
sich (gegen etw.) sträuben – etw. nicht wollen, sich dagegen wehren
die Büchse – ein Gefäß aus Metall, in dem Lebensmittel konserviert werden; die Dose
j-m etw. zugute halten – etw. als Entschuldigung (für etw. Negatives) berücksichtigen
die Kanzel – der Teil der Kirche, von dem aus der Pfarrer seine Predigt hält
auf j-n Rücksicht nehmen – ein Bestreben haben, auch die Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche usw eines anderen Menschen zu beachten
j-m ist flau – j-d fühlt sich nicht wohl, ihm ist ein wenig übel oder schwindlig
der Wasserkopf – eine krankhafte Ansammlung von Flüssigkeit im Hirn (die zu einer Vergrößerung des Kopfes führen kann)
der Krüppel – ein Mensch, dessen Körper nicht wie üblich gewachsen ist, der Missbildungen o. Ä. hat
etw. leuchtet j-m ein – etw. erscheint j-m logisch und verständlich
sich hüten – etw. aus einem bestimmten Grund, mst aus Vorsicht, nicht tun
die