Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Heinrich Seidel

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Er stiess einen geringschätzigen Kehlton aus: »Fäuhl‘ ick gor nich!« sagte er dann.

      Isern Hinrich führte seinen Namen nicht umsonst, und Mucius Scaevola wäre sein verehrtes Vorbild gewesen, wenn er überhaupt jemals was von ihm gehört hätte. Heldenhafte Verachtung körperlicher Schmerzen erschien ihm als eine der erhabensten Eigenschaften des Heroen, ja er ging so weit, zu behaupten, für solche Gefühle bis zu einem gewissen Grade unempfindlich zu sein. Diese Einbildung hat, wie ich glaube, zur Stärkung seines Charakters beigetragen, sonst aber die Folge gehabt, dass er jahrelang eine Existenz ohne blaue Flecke und Schmerzen im Oberarm nicht kannte. Aber was machte das alles, wenn man sich den ehrenvollen Namen »eiserner Heinrich« damit verdiente.

      »Na, Driebenkiel hett schön upjug schimpt!« sagte er, scheinbar nicht ganz frei von Neid. »Wat hewwt ji nu man eigentlich blot makt?«

      »Ja,« antwortete Adolf, »as wi von ‚t Krewtgriepen na Hus wullen, dor keem ‚n Weder up, un dor sünd wi kentert, un ‚ donn hebben Herr Wohland un Driebenkiel uns wedder rut treckt, un nahst hebben wi Herrn Wohland all sin Papegeis sehn, un dei ein kann snacken as ‚n Minsch.«

      »Un labennige Pfauen un Fasans hett hei ok,« sagte ich, »un allerhand anner Vogels, dei ‚t gor nich gift, dei sünd äwer utstoppt.«

      »Un nahst,« fuhr Adolf fort, »hebben wi lütt braden Hahns tau äten kregen und Pannkauken mit Schalee in.«

      »Un suren Aal und lütt Fisch in Öl,« sagte ich, der historischen Genauigkeit wegen. Dass wir ins Bett gesteckt worden waren, verschwiegen wir beide als unsrer Ehre zuwider.

      »Na, un donn?« fragte isern Hinrich offenbar unbefriedigt.

      »Ja, un donn,« sagte Adolf, »donn hebben wi sin utlandschen Eier un Muschels un Stein un Smetterlings beseihn, und donn hett uns Driebenkiel wedder na Hus führt.«

      »Mihr nich?« fragte isern Hinrich sehr enttäuscht, »wat hewwt ji denn dahn, dat Driebenkiel so inne Wut up jug wir? As ick em den sösten groten Rum tau n‘ Schilling bröcht harr, dor wir hei all so wiet, dat hei sick verswören dehr, wenn hei jug noch eins up t‘ Water tau faten kriegen dauhn dehr, denn wull hei jug versöpen as junge Rotten. Un denn keem Jochen Nehls. Dei harr sik all‘n poor Mal an t‘ Finster vörbischaben un harr sick nich ‚rintrugt, wil dat hei woll wedder kein Geld nich hebben dauhn dehr un Vadder doch nich mihr för em anschrieben will. Dor kreeg Driebenkiel em tau seihn un röp em rin un würr em nu frie hollen und sär: ›Jochen Nehls is min Fründ, dat ‚s dei einzigste Kierl in ‚t ganze Dörp, dei sick den Wind hett ümme Näs‘ weihn laten, dei annern sünd all olle Nuschen un nich achtern Aben rutkamen.‹ Un as sei denn beir noch so ‚n poor grote Rums achter harren, dor kreeg Driebenkiel dat Singent, un Jochen Nehls musst em helpen. Un gröhlten so gruglich und flögen dorbi uppern Disch und makten so ‚n Spitakel, dat Vadder sei giern ‚rutsett‘ harr, man blot hei wagt sick nich an Driebenkiel ‚rau, denn dei hett ‚ne furchtbare Kraasch un kann Haufisens mitte Hänn‘ grar bögen. Tauletzt würr Driebenkiel äwer doch na dei Klock kieken un verfihrte siek un sär, hei müss na Hus, un köff sick noch ‚ne Pottbuddel vull Akkewiet un tummel denn na ‚n See dal un bölkte dortau lurhals dat Leid von den Arbeitsmann, dat dat ganze Dörp rebelisch würr un alle Hunn‘ an tau blaffen füngen.

      »Jochen Nehls harr sick äwer tauletzt noch acht Schilling von em leihnt, un dei müss hei jo natürlich ierst versupen. Un wil hei nu werre ganz manierlich wir un jo ok Geld harr, so wull dei Oll em dei acht Schilling lang ruhig sitten laten un sär blot tau mi, dat ik em, wenn dei all wiren, keinen Snaps nich mihr gäben süll, un güng rut na‘n Acker. Na, dit pass mi jo, dat ik mit Jochen Nehls allein wir, un ik kreeg em nu för, hei süll mi mal ‚n beten von Herrn Wohland verteilen. Na, hei wull jo ierst nich, tauletzt äwer sär hei, wenn ik em ‚n Enn‘ von den mojen Prim afsnieden wull, denn‘ min Oll in ‚t Schapp hebben dauhn dehr, denn künn ‚t woll sin, dat hei mi wat vertellen dehr. Na, dat dehr ick jo nu ok, un donn hett Jochen Nehls sin Gorn spennt, dat sär man so stah. Un dat kann ‚k jug man seggen, ji hewwt up ‚n Uhlenbarg gor nix seihn, dor weit ick beter mit Bescheid.« Damit streckte er uns gewohnheitsmässig seinen rechten Arm entgegen, wir gaben ihm feierlich und sachgemäss eins drauf, und er zuckte verächtlich die Achsel: »Fäuhl‘ ick gor nich!«

      »Wenn du dat Robinsonshus meinst, wat dor sin sall,« sagte ich, »dat hebben wi nich seihn.«

      »Robinsonshus!« wiederholte isern Hinrich mit unbeschreiblicher, fast erhabener Verachtung. »Weit ‚t ji denn nich, dat Herr Wohland Seeröwer wäst is? As Jochen Nehls noch Matros‘ wir un up dei Bianka dörch den Magelhanschen Sund na Panama seilen dehr, dor is up dat Schipp ein Matros‘ wäst, so ‚n griesen ollen Kierl mit ‚ne breire Noar äwern Dätz, as harren sei em mal eins den ganzen Kopp vonein klöwt. As sei nu in Valparaiso Haben binnen kernen un tosamen an Land gahn wiren, un dei oll Matros‘ dat söste Glas Krock tau Bost harr, dor is hei updäut un hett em vertellt, dat hei früher bi den groten Seeröwer Wohland, binennt ›Der Schrecken der Südsee‹, an Burd von den ›Dod un Düwel‹ wäst is. Dat Schipp is ‚n Snellsegler wäst, ganz gnäterswart anmalt un mit Dod un Düwel anne Galjon un up dei swarte Flagg ‚n witten Dodenkopp mit twei gekrüzte Knakens. Un kein Parduhn hett Herr Wohland nich gäben, denn blot dei Doden seggen nix na, un dei nich bi‘t Entern all dot makt sünd, dei hebben nahst anne Raa bammeln möst. Un dei Kaptainsköpp hett hei all afsnieden un insolten und rökern laten un hett sick dor ‚ne Sammlung von anleggt. Un dat hett hei sick sett‘, wenn hei hunnert Kaptainsköpp tausamen hebben dauhn dehr, denn wull hei sin Geschäft upgäben un sin Geld läben. Dor is nu äwer up dat letzte Schipp, dat hei utröwert hett, ‚ne wunnerschöne Gräwin wäst, dei hett hei gruglich giern lieden mücht un hett ehr nich dot maken laten un hett ehr friegen wullt. Sei äwer hett dat Seeröwergeschäft kein‘n Spass makt un hett em blot nehmen wullt, wenn hei gliek mit ehr an Land treken un Gautsbesitter warden wull, so as Gräwinnen dat gewennt sünd. Dat is em jo un suer ankamen, wil dat hei ierst nägenunnägentig Kaptainsköpp tausamen harr un em blot noch einen an dat Hunnert fehlen dauhn dehr. Aewer sei hett seggt, sei wull leiwer tau Water an gähn, als noch einen Ogenblick länger as nörich up dat Schipp vull bläudige Mürers blieben, un wenn Herr Wohland ok seggt hett, sei süll sick doch man blot nich so hebben, sei is dor doch bi blähen. Ja, dor hett Herr Wohland denn dacht: ›Nägenunägentig is ok ‚ne gaude Tall, un up den einen lumpigen Kopp sall mi dat ok nich ankamen, un is mit sin Schipp an Land gahn un hett sin Mannschaft af lohnt, un dor sünd allein up den ollen Matrosen sin Deil eindusendsöbenhunnertuneiunsösstig spansche Dubluns kamen, wo ein von teihn Daler gellt. Dor kann ‚n sick denken, wat dei Kapitain sülfst för ‚n gruglichen Hümpel Geld för sick rappst hett. Dat Schipp hett hei dei Mannschaft laten, un dei ierste Stüermann hett mit dei annern dat Geschäft wire bidräben. Dei oll Matros‘ hett äwer naug von hatt und hett dacht, so ‚n Barg Geld künn hei sin Läwlang nich lütt kriegen. Aewer in twei Johr hett hei all allens werre verswubst hatt un hett werre as Matros‘ führen müsst. Herr Wohland äwer hett sick ‚ne Insel inne Atlantsche See köfft un sin Gräwin friegt un dor ganz moi mit ehr läwt. Un tauletzt sünd sei mit ehr Dochter hierher treckt, dat weit‘t ji jo. Aewer wat ji nich weit‘t, un wat ji nich tau seihn krägen hewwt, un wat dat feinst up den ganzen Uhlenbarg is, dat is dei grote unnerirsche Saal, wo‘n ierst säben iserbeslagene Dören upsluten möt, wenn ‚n dor rin will. Dei steht ganz vull isern Kisten mit Dubluns un spansche Dalers und gollen Bäkers und gollen Schalen as ‚n Waschfatt grot. Un dor is ok dei Galjon von den ›Dod un Düwel‹ un dei Flagg mit den Dodenkopp, un an de Wänn‘ dor hängt dat ganz vull Säbels un Enterhakens un Metzers un Handspaken, all noch vull Blaud, un Muskedonners un Duwwelpistols und Dunnerbüssen un anner Scheittüg. Un baben löppt ‚n Burt ganz ‚rüm, dor stahn all dei nägenunägentig rökerten Kaptainsköpp, weck mit swarte, weck mit brune, weck mit rode, weck mit gäle un ok weck mit witte Hoor. Trofäen seggen dei Seeröwers dortau up spansch.«

      Wir brachen zu isern Hinrichs grenzenlosem Erstaunen in ein gewaltiges Gelächter aus, was ihn sofort in heftigen Zorn versetzte.

      »Wat lacht ji? Dummheit lacht! Ji hewwt woll lang kein bläudig Snut hatt?« rief er und machte sich fertig zum Angriff. Da aber der Ausdruck unsrer Heiterkeit trotzdem kein Ende fand und wir unbeirrt weiterlachten, so lähmte dies schliesslich seine Thatkraft, und er stand da mit


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