Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn


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hin.

      »Nun«, fragte der Wirt, zu dem letzten, bisher fast ganz stummen Gast zu seiner Rechten gewendet, »nun, Furius, großer Seefahrer, Abenteurer, Indiensucher, Weltumsegler, wird deine Weisheit auch zuschanden?«

      Der Gefragte erhob sich leicht von den Kissen, ein schöner athletischer Mann von einigen dreißig Jahren, von bronzener, wettergebräunter Gesichtsfarbe, kohlschwarzen, tiefliegenden Augen, blendend weißen Zähnen und vollem Rundbart nach orientalischem Schnitt.

      Aber ehe er noch sprechen konnte, fiel Kallistratos rasch ein: »Doch, beim Zeus Xenius, ich glaube, ihr kennt euch gar nicht?« Cethegus maß die fesselnde Erscheinung mit scharfem Blick. »Ich kenne den Präfekten von Rom«, sagte der Schweigsame. — »Nun, Cethegus, und dies ist mein vulkanischer Freund, Furius Ahalla, aus Korsika, der reichste Schiffsherr des Abendlands, tief wie die Nacht und heiß wie das Feuer. Er hat fünfzig Häuser, Villen und Paläste an allen Küsten von Europa, Asien und Afrika, zwanzig Galeeren, ein paar tausend Sklaven und Matrosen und —«

      »Und einen sehr geschwätzigen Freund«, schloß der Korse. »Präfekt, mir ist es leid um dich, aber die Amphora ist mein. Ich kenne den Wein.« — Und er nahm ein Kibitzei und zerschlug es mit goldenem Löffel.

      »Schwerlich«, lächelte Cethegus spöttisch.

      »Doch. Es ist Isiswein. Aus Ägypten. Aus Memphis.« Und ruhig schlürfte er das goldrötliche Ei.

      Erstaunt sah ihn Cethegus an. »Erraten«, sagte er dann. »Wo hast du ihn gekostet?« — »Notwendig da, wo du. Er fließt ja nur aus einer Quelle«, lächelte der Korse. — »Genug mit euren Geheimnissen! Keine Rätsel unter den Rosen!« rief Piso. — »Wo habt ihr beiden Marder dasselbe Nest gefunden?« fragte Kallistratos.

      »Nun«, rief Cethegus, »wisset es immerhin. Im alten Ägypten, im heil’gen Memphis voraus, haben sich immer noch, dicht neben den christlichen Einsiedlern und Mönchen in der Wüste, glaubenszähe Männer und namentlich Frauen erhalten, die nicht lassen wollen von Apis und Osiris und besonders treu den süßen Dienst der Isis pflegen. Sie flüchten von der Oberfläche, wo die Kirche das Kreuz der Askese siegreich aufgepflanzt, in die Tiefen, in den geheimen Schoß der großen Mutter Erde mit ihrem heiligen teuren Wahn. In einem Labyrinth unter den Pyramiden des Cheops haben sie noch einige hundert Krüge geborgen des mächtigen Weines, welcher dereinst die Eingeweihten zu den Orgien der Freude, der Liebe berauschte. Die Kunde geht geheimgehalten von Geschlecht zu Geschlecht, immer nur eine Priesterin kennt den Keller und bewahrt den Schlüssel.

      Ich küßte die Priesterin, und sie führte mich ein: — sie war eine wilde Katze, aber ihr Wein war gut: — und sie gab mir zum Abschied fünf Krüge mit aufs Schiff. ‘

      »So weit hab’ ich es mit Smerda nicht gebracht«, sagte der Korse; »sie ließ mich trinken im Keller, aber als Andenken gab sie mir nur das mit« — und er entblößte den braunen Hals. — »Einen Dolchstich der Eifersucht«, lachte Cethegus. »Nun, mich freut, daß die Tochter nicht aus der Art schlägt. Zu meiner Zeit, das heißt, als mich die Mutter trinken ließ, lief die kleine Smerda noch im Kinderröckchen. Wohlan, es lebe der heil’ge Nil und die süße Isis.« Und die beiden tranken sich zu.

      Aber es verdroß sie, ein Geheimnis teilen zu sollen, das jeder allein zu besitzen geglaubt.

      Doch die andern waren bezaubert von der Laune des eisigen Präfekten, der jugendlich wie ein Jüngling mit ihnen plauderte und jetzt, da das beliebteste Thema für junge Herren unter den Bechern angeregt war — Liebesabenteuer und Mädchengeschichten —, unerschöpflich übersprudelte von Streichen und Schwänken, die er meistens selbst erlebt. Alle hingen mit Fragen an seinen Lippen. Nur der Korse blieb stumm und kalt.

      »Sage«, rief der Wirt und winkte dem Schenken, als gerade das Gelächter über eine solche Geschichte verhallt war, »sag’ an, du Mann buntscheckiger Erfahrung: ägyptische Isismädchen, gallische Druidinnen, nachtlockige Töchter Syriens und meine plastischen Schwestern von Hellas —, alle kennst du und weißt du zu schätzen, aber sprich, hast du je ein germanisch Weib geliebt?«

      »Nein«, sagte Cethegus, seinen Isiswein schlürfend, »sie waren mir immer zu langweilig.«

      »Oho«, meinte Kallistratos, »das ist zuviel gesagt. Ich sage euch, ich habe an den letzten Kalenden einen Wahnsinn gehabt für ein germanisch Weib, die war nicht langweilig.«

      »Wie, du, Kallistratos von Korinth, der Aspasia, der Helena Landsmann, erglühst für ein Barbarenweib? O arger Eros, Sinnenverwirrer, Männerbeschämer«, schalt der Präfekt.

      »Ja, wenn du willst, war’s eine Sinnesverwirrung: ich habe nie dergleichen erfahren.«

      »Erzähle, erzähle«, drängten die andern.

      ELFTES KAPITEL

      »Immerhin«, sagte der Hausherr, die Polster glättend, »obwohl ich keine glänzende Rolle dabei spiele.

      Also an den vorigen Kalenden etwa kam ich zur achten Stunde aus den Bädern des Abaskantos nach Hause.

      Da steht auf der Straße niedergelassen eine Frauensänfte, vier Sklaven dabei, ich glaube, gefangene Gepiden. Unmittelbar aber vor der Türe meines Hauses stehen zwei verhüllte Frauen, die Calantica über den Kopf gezogen. Die eine trug sklavisches Gewand, aber die andre war sehr reich und geschmackvoll gekleidet, und das wenige, was von Wuchs und Gestalt zu sehen, war göttlich. Welch schwebender Schritt, welch feiner Knöchel, welch hochgewölbter Fuß! Als ich näher herankam, ließen sich beide rasch in die Sänfte heben, und fort waren sie. Ich aber — ihr wißt, es steckt des Bildhauers Blut in allen Hellenen —, ich träumte des Nachts von dem feinen Knöchel und dem wogenden Schritt.

      Mittags drauf, da ich die Türe öffne, aufs Forum zu gehn zu den Bibliographen, wie ich pflege, seh’ ich dieselbe Sänfte rasch von dannen eilen.

      Ich gestehe, ohne sonst besonders eitel zu sein, diesmal hoffte ich eine Eroberung gemacht zu haben — ich wünschte es so sehr. Und ich zweifelte gar nicht mehr, als ich, um die achte Stunde nach Hause kommend, wieder meine Fremde, diesmal unbegleitet, an mir vorüberschlüpfen sah und nach ihrer Sänfte eilen. Folgen konnt’ ich den raschen Sklaven nicht, so trat ich in mein Haus, froher Gedanken voll. Da sagte Ostiarius: Herr, eine verhüllte Sklavin wartet dein in der Bibliothek.’

      Pochenden Herzens eile ich in das Gemach. Richtig, es war die Sklavin, die ich gestern gesehen. Sie schlug den faltigen Mantel zurück: eine hübsche, verschlagne Maurin oder Katthagerin — ich kenne den Schlag — sah mich mit schlauen Augen an.

      ‘Ich bitte um Botenlohn’, sagte sie, ‘Kallistratos, ich bringe dir gute Kunde.’

      Ich faßte ihre Hand und wollte ihr die dunkle Wange streicheln — denn wer die Herrin begehrt, der küsse die Sklavin —, aber sie lachte und sprach: ‘Nein, nicht Eros, Hermes sendet mich.’

      ‘Meine Herrin’ — hoch horchte ich auf —, ‘meine Herrin ist — eine leidenschaftliche Freundin der Kunst. Sie bietet dir dreitausend Solidi für die Aresbüste, die in der Nische neben der Tür deines Hauses steht.’

      Laut lachten die jungen Leute, Cethegus mit ihnen.

      »Ja, lacht nur«, fuhr der Hausherr selbst einstimmend fort, »ich aber lachte damals nicht. Aus all meinen Träumen heruntergefallen, sprach ich verdrießlich: ‘Mir ist das Werk nicht feil.’ Die Sklavin bot fünftausend, bot zehntausend Solidi; ich wandte ihr den Rücken und griff nach der Tür.

      Da sagte die Schlange: ‘Ich weiß, Kallistratos von Korinth ist unwillig, weil er ein Abenteuer gehofft und fand ein Geldgeschäft.

      Er ist Hellene, er liebt die Schönheit, er brennt vor Neugier, meine Herrin zu sehn.’ Das war so richtig, daß ich nur lächeln konnte.

      ‘Wohlan’, sprach sie, du sollst sie sehn. Und dann erneuere ich mein letzt Gebot. Schlägst du’s dann dennoch aus, hast du immerhin den Vorteil, deine Neugier gestillt zu haben. Morgen um die achte Stunde kommt die Sänfte wieder. Dann halte dich bereit mit deinem Ares.’

      Und sie schlüpfte


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