Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn


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Undankbarer, das weiß mein Schatzmeister besser. Du bist sehr reich.«

      »Wohl, aber ohne Rang und Würde. Meine Studiengenossen sind Patrizier, Präfekten, große Herren im Morgen— und Abendland: so Cethegus in Rom, Prokopius in Byzanz.«

      »Geduld. Vom heutigen Tage an wirst du die Leiter der Ehren rasch erklimmen. Ich mußte doch immer etwas zu geben behalten. Höre: du gehst morgen als Gesandter nach Ravenna.«

      »Als kaiserlicher Gesandter?« rief Petros freudig.

      »Durch meine Verwendung. Aber das ist nicht alles.

      Du erhältst von Justinian ausführliche Anweisungen, das Gotenreich zu verderben, Belisar den Weg nach Italien zu bahnen.«

      »Diese Anweisungen — befolg’ ich oder vereitl’ ich?«

      »Befolgst du. Aber du erhältst noch einen Auftrag, den dir Justinian ganz besonders ans Herz legen wird: die Tochter Theoderichs um jeden Preis aus der Hand ihrer Feinde zu retten und nach Byzanz zu bringen. Hier hast du einen Brief von mir, der sie dringend einladet, an meiner Brust ein Asyl zu suchen.« —

      »Gut«, sagte Petros, den Brief einsteckend, »ich bringe sie also sofort hierher.«

      Da schnellte Theodora wie eine springende Schlange vom Lager auf, daß Galatea erschrocken zurückfuhr.

      »Bei meinem Zorn, Petros, nein. Dich send’ ich deshalb. Sie darf nicht nach Byzanz, sie darf nicht leben!«

      Bestürzt ließ Petros den Brief fallen. »O Kaiserin«, flüsterte er — »ein Mord!«

      »Still, Rhetor«, sprach Theodora mit heiserer Stimme, und unheimlich funkelten ihre Augen. »Sie muß sterben.«

      »Sterben? O Kaiserin, warum?«

      »Warum? Das hast du nicht zu fragen. Doch halt: — du sollst es wissen, es gibt deiner Feigheit einen Sporn — wisse —« und sie faßte ihn wild am Arme und raunte ihm ins Ohr: »Justinian, der Verräter, fängt an, sie zu lieben.«

      »Theodora!« rief der Rhetor erschrocken und trat einen Schritt zur Seite.

      Die Kaiserin sank auf die Kline zurück.

      »Aber er hat sie ja nie gesehen!« stammelte sich fassend Petros.

      »Er hat ihr Bild gesehen: er träumt bereits von ihr, er glüht für dieses Bild.«

      »Du hast nie eine Rivalin gehabt.«

      »Ich werde darüber wachen, daß ich keine erhalte.«

      »Du bist so schön.«

      »Amalaswintha ist jünger.«

      »Du bist so klug, bist seine Beraterin, die Vertraute seiner geheimsten Gedanken.«

      »Das eben wird ihm lästig. Und« — sie ergriff wieder seinen Arm »merke wohl: sie ist eine Königstochter! Eine geborene Herrscherin, ich des Löwenwärters plebejisch Kind. Und — so wahnwitzig lächerlich es ist! — Justinian vergißt im Purpurmantel, daß er des dardanischen Ziegenhirten Sohn. Er hat den Wahnsinn der Könige geerbt, er, selbst ein Abenteurer, er faselt von angebornen Majestät, von dem Mysterium königlichen Bluts. Gegen solche Grillen hab’ ich keinen Schutz. Von allen Weibern der Erde fürchte ich nichts: aber diese Königstochter — —«

      Sie sprang zürnend auf und ballte die kleine Hand.

      »Hüte dich, Justinian!« sagte sie, durch das Gemach schreitend. »Theodora hat mit diesem Auge, mit dieser Hand Löwen und Tiger bezaubert und beherrscht: laß sehen, ob ich nicht diesen Fuchs im Purpur in Treue erhalten kann.« Sie setzte sich wieder.

      »Kurz. Amalaswintha stirbt«, sagte sie, plötzlich wieder kalt geworden.

      »Wohl«, erwiderte der Rhetor, »aber nicht durch mich. Du hast der blutgewohnten Diener genug. Sie sende; ich bin ein Mann der Rede.«

      »Du bist ein Mann des Todes, wenn du nicht gehorchst. Gerade du, mein Feind mußt es tun: keiner meiner Freunde kann es ohne Verdacht.«

      »Theodora«, mahnte der Rhetor, sich vergessend, »die Tochter des großen Theoderich ermorden, eine geborne Königin —«

      »Ha«, lachte Theodora grimmig, »auch dich Armseligen blendet die geborne Königin. Narren sind die Männer alle, noch mehr als Schurken! Höre, Petros, an dem Tage, da die Todesnachricht aus Ravenna eintrifft, bist du Senator und Patricius.«

      Wohl blitzte des Alten Auge. Aber Feigheit oder Gewissensangst waren doch mächtiger als der Ehrgeiz. »Nein«, sagte er entschlossen, »lieber lasse ich den Hof und alle Pläne.«

      »Das Leben läßt du, Elender!« rief Theodora zornig. »Oh, du wähntest, du seiest frei und ungefährdet, weil ich damals vor deinen Augen die gefälschte Urkunde verbrannt? Du Tor! Es war die rechte nicht! Sieh her — hier halte ich dein Leben.«

      Und sie riß aus einer Capsula voller Dokumente ein vergilbtes Pergament. Sie zeigte es dem Erschrocknen, der jetzt willenlos in die Knie brach.

      »Befiehl«, stammelte er, »ich gehorche.«

      Da pochte man an die Haupttüre.

      »Hinweg«, rief die Kaiserin. »Hebe meinen Brief an die Gotenfürstin vom Boden auf und bedenk’ es wohl: Patricius, wenn sie stirbt, Folter und Tod, wenn sie lebt. Fort.«

      Und Galatea schob den Betäubten durch den geheimen Eingang hinaus, drehte den bronzenen Justinian wieder an seine Stelle und ging, die Haupttür aufzutun.

      NEUNZEHNTES KAPITEL

      Herein trat ein stattliche Frau, größer und von gröberen Formen als die kleine, zierliche Kaiserin, nicht so verführerisch schön, aber jünger und blühender, mit frischen Farben und ungekünstelter Art.

      »Gegrüßt, Antonina, geliebtes Schwesterherz! Komm an meine Brust!« rief die Kaiserin der tief sich Verbeugenden entgegen.

      Die Gattin Belisars gehorchte schweigend.

      »Wie diese Augengruben hohl werden!« dachte sie, sich wieder aufrichtend.

      »Was das Soldatenweib für grobe Knöchel hat!« sagte die Kaiserin zu sich selbst, da sie die Freundin musterte.

      »Blühend bist du wie Hebe«, rief sie ihr laut zu, »und wie die weiße Seide deine frischen Wangen hebt! Hast du etwas Neues mitzuteilen von — von ihm?« fragte sie und nahm gleichgültig spielend vom Waschtisch ein gefürchtetes Werkzeug, eine spitze Lanzette an einem Stäbchen von Elfenbein, mit welchem ungeschickte oder auch nur unglückliche Sklavinnen von der zürnenden Herrin oft zolltief in Schultern und Arme gestochen wurden.

      »Heute nicht«, flüsterte Antonina errötend, »ich hab’ ihn gestern nicht gesehn.«

      »Das glaub’ ich«, lächelte Theodora in sich hinein. »Oh, wie schmerzlich werd’ ich dich bald vermissen«, sagte sie, Antoninens vollen Arm streichelnd. »Schon in der nächsten Woche vielleicht wird Belisarius in See stechen und du, treueste aller Gattinnen, ihn begleiten. Wer von euren Freunden wird euch folgen?«

      »Prokopius«, sagte Antonina, »und« — setzte sie, die Augen niederschlagend, hinzu — »die beiden Söhne des Boëthius.«

      »Ach so«, lächelte die Kaiserin, »ich verstehe. In der Freiheit des Lagerlebens hoffst du dich des schönen Jünglings ungestörter zu erfreuen, und indessen Held Belisarius Schlachten schlägt und Städte gewinnt —«

      »Du errätst es. Aber ich habe dabei eine Bitte an dich. Dir freilich ward es gut. Alexandros, dein schöner Freund, ist zurück: er bleibt in deiner Nähe, und er ist sein eigner Herr, ein reifer Mann. Aber Anicius, du weißt es, der Jüngling, steht unter seines ältern Bruders Severinus strenger Hut. Nie würde dieser, der nur Rache an den Barbaren sinnt und Freiheitsschlachten, diese zarte — Freundschaft dulden. Er würde unsern Verkehr tausendfach stören. Deshalb tu’ mir eine Liebe: Severinus darf uns nicht folgen. Wenn wir an Bord sind mit Anicius, halte den ältern Bruder in Byzanz zurück mit List oder Gewalt


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