Satan und Ischariot III. Karl May

Satan und Ischariot III - Karl May


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Nun wißt Ihr alles, und ich will den übriggebliebenen Truthahn nehmen, wie er gebraten ist. Ich werde ihn mit Judith verspeisen und dabei lebhaft an Euch denken.«

      »Wo ist Mrs. Silverhill?«

      »Sie mußte unter der Obhut einiger Komantschen im Walde zurückbleiben. Ich habe nur noch zwei Bitten an Euch, welche Ihr als dankbarer Gentleman mir gewiß gewähren werdet.«

      »Welche?«

      »Ich bin ein Freund von Gewehren. Ihr seid im Besitze von zweien, welche so berühmt sind, daß ich Euch dringend bitte, sie mir vor Euerm Tode zu vermachen.«

      »Und wenn ich das nicht thue?«

      »So nützt es Euch doch nichts, denn ich erkläre sie als meine gute Beute.«

      »Schön! Und die zweite Bitte?«

      »Ihr habt mir damals in Tunis einige Papiere abgenommen; dazu wurde, wie ich weiß, ein Dokument über einen gewissen Leichenbefund aufgesetzt. Wo befinden sich diese Schriftstücke?«

      »Geht nach New Orleans zu Euerm Advokaten Fred Murphy. Er wird sie Euch jedenfalls zu verschaffen wissen.«

      »Versucht nicht auch noch geistreich zu werden! Seht hier, den halben Truthahn habe ich; nun nehme ich auch die Gewehre.«

      Er hatte wirklich die Ueberreste des Vogels an sich genommen; jetzt griff er nach den Gewehren, welche neben mir lagen. Da wir so rasch und vollständig überwältigt worden waren, hatten die Komantschen es nicht für nötig gehalten, unsere Waffen aus unserer Nähe zu schaffen. Schon wollte ich nach dem Häuptling rufen; da erklang hinter mir eine scharfe Stimme in jenem gebrochenen Englisch, wie es von Indianern gesprochen wird:

      »Halt; leg die Gewehre hin!«

      Zu gleicher Zeit trat der Sprecher vor, sodaß ich ihn sehen konnte. Es war der Häuptling, denn er hatte drei Federn in den Schopf geflochten. Es war mittlerweise so hell geworden, daß man seine stolzen, harten Züge deutlich erkennen konnte.

      »Warum weglegen?« fragte Melton. »Sie sind mein.«

      »Nein. Du hast mir doch die drei Männer versprochen?«

      »Ja, aber nicht ihre Sachen!«

      »Das konntest du nicht. Was der Besiegte bei sich hat, gehört dem Sieger. Leg also die Gewehre weg!«

      Und als der Weiße nicht sofort gehorchte, zog er sein Messer und drohte. Da ließ Melton die Gewehre fallen und sagte zornig:

      »Da nimm sie hin, obgleich sie dir nicht gehören! Ich werde zu unserm Wagen gehen und sofort weiter fahren.«

      »Warte noch!«

      »Warten! Wozu? Ich habe Wort gehalten, und nun mußt du mich entlassen, denn du hast es mir versprochen!«

      »Ich habe es dir versprochen und werde mein Versprechen halten. Aber konntest du mir die Stunde sagen, in welcher ich die drei Krieger bekommen würde?«

      »Nein.«

      »So konnte ich dir auch nicht die Zeit bestimmen, in welcher du gehen darfst. Du bleibst jetzt noch!«

      »Willst du mich etwa auch als Gefangenen betrachten?«

      Da donnerte ihn der Häuptling an:

      »Schweig, du stinkender Koyote, und gehorche augenblicklich!

      Jetzt setzte sich Melton wieder neben mich nieder. Der Rote fuhr in gemäßigterem Tone fort:

      »Du hast mir Winnetou und Old Shatterhand versprochen; ich muß wissen, ob sie es auch wirklich sind.« Und sich vor Winnetou hinstellend, betrachtete er diesen mit flammendem Blick und fragte:

      »Wie ist dein Name?«

      »Ich bin Winnetou, der Häuptling der Apatschen,« antwortete der Gefragte.

      »Und wie heißest du?« fragte er den Englishman.

      »Ich heiße Bothwell.«

      »Der Name ist noch in keinem Zelte und an keinem Lagerfeuer erklungen.«

      Darauf trat er zu mir, blickte auch mich eine Weile an und fragte:

      »Nennt man dich Old Shatterhand?«

      »Ja.«

      »Du bist ein Feind der Komantschen?«

      »Nein; aber ich verteidige mich gegen jeden roten oder weißen Krieger, von welchem ich angegriffen werde.«

      »Hast du mit Winnetou die »starke Hand«, den Häuptling der Komantschen, der mein Vater war, getötet?«

      »Ja, aber nicht mit Winnetou, denn meine Kugel war es, die ihn niederstreckte.«

      »Winnetou war dabei; ihn trifft dieselbe Schuld und dieselbe Strafe. Und da Bothwell bei euch ist, wird er das gleiche Schicksal mit euch erleiden. Ihr werdet im Grabe der »starken Hand« lebendig eingemauert werden. Nehmt die Gefangenen in die Mitte; wir kehren zu unsern Pferden in den Wald zurück!«

      Der Befehl galt seinen Leuten. Der Häuptling konnte nicht viel über dreißig Jahre zählen; nicht nur sein Gesicht, sondern sein ganzes Auftreten, seine Stimme sagte, daß er ein stolzer und unerbittlicher Charakter sei. Bei ihm hatten wir auf keinen Fall eine Spur von Menschlichkeit, von Milde zu erwarten.

      Man nahm uns die Riemen von den Füßen, sodaß wir laufen konnten; dann setzte sich der Zug in Bewegung. Ich zählte dreiundzwanzig Komantschen, welche uns transportierten. Wir hatten eine kleine halbe Stunde zu gehen, ehe wir den Wald erreichten. Es war nicht eigentlich das, was man unter einem Walde versteht; die Bäume standen nicht dicht und geschlossen bei einander; auch bildete er einen nur schmalen Streifen, durch den wir gingen. Auf der andern Seite war die freie Prairie, und da weideten die Pferde unter der Aufsicht zweier Indianer. Unsere Pferde waren natürlich auch mitgenommen worden.

      Jetzt wurden wir anders gefesselt, sodaß unsere Hände auf den Rücken zu liegen kamen; dann ließ man uns aufsteigen und band uns die Füße an die Sattelgurte. Auch Jonathan Melton bestieg ein Pferd; dann ging es in nördlicher Richtung galoppierend über die Prairie, welche so breit war, daß wir zwei Stunden brauchten, um sie hinter uns zu legen. Auch hier hatte der gestrige Orkan das Gras mit Sand überstreut.

      Nun sahen wir hohe, belaubte Bäume vor uns und gelangten an das südliche Ufer des Canadian, an welchem entlang sich die Straße nach San Petro und Albuquerque zieht. Freilich darf man da nicht an eine Straße nach unsern Begriffen denken. Von einem Wege sieht man nicht das geringste. Es pflegten eben die Ochsenwagen hier zu fahren; das ist alles.

      Zwischen den Bäumen stand eine alte Karrete, bei welcher sechs Pferde weideten. Die Jüdin saß im Grase, erhob sich aber, als wir uns näherten. Zwei Männer, jedenfalls die gemieteten Kutscher, lagen träge am Boden und blieben auch liegen, als wir kamen. Fünf Komantschen hatten da Wache gehalten, sodaß die Schar des Häuptlings aus dreißig Mann bestand.

      »Wir haben sie!« rief Melton der Jüdin zu. »Hier bring ich dir deinen abgeblitzten Anbeter.«

      Bei den letzten Worten deutete er auf mich. Sie lächelte und nickte ihm vergnügt zu, ohne einen Blick auf mich zu werfen. Was konnte ich gegen eine solche Frechheit anders thun, als schweigen! Da aber warf sich einer, von dem ich es am allerwenigsten gedacht hätte, zu meinem Anwalt auf, nämlich der Häuptling selbst. Er wendete sich zu Melton:

      »Du hast Wort gehalten, und ich halte auch das meinige. Ihr könnt weiterfahren, ohne daß wir euch etwas thun oder etwas nehmen. Vorher aber sieh dir einmal die Krieger an! Winnetou und Old Shatterhand waren gefangen und sollten verbrannt werden; sie entkamen trotz ihrer Fesseln am hellen Tage und haben dann den tapfersten Häuptling der Komantschen und zwölf seiner Krieger getötet. Sie haben ihn nicht liegen lassen zum Fraße der Geier und Koyoten, sondern ihn begraben und zu ihm seine Waffen und seine Medizin gelegt, sodaß er ohne Anstand in die ewigen Jagdgründe gelangen konnte. Sie sind unsere Feinde, aber große, berühmte Krieger und ehrliche Männer. Wer aber und was bist du? – —«

      »Ich bin auch ein Gentleman, der – —« fiel Melton ein.

      »Schweig!« unterbrach ihn der Häuptling. »Als du eine so lange Zeit mit Old Shatterhand redetest, lag ich im Busche hinter euch und habe alles gehört,


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