Die schönsten Märchen. Ludwig Bechstein

Die schönsten Märchen - Ludwig  Bechstein


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deuchte ihm nicht der Mühe wert, denn der Mensch ist doch nie zufrieden — dachte er, und ritt immer hastig darauf los und spornte das Pferd, das schon keuchte, und jetzt stolperte es, daß es beinahe seinen Reiter abgeworfen hätte.

      »Ei, so wollt ich, daß du den Hals brächst! Aas vermaledeites!« rief zornig der reiche Mann — und o weh, da knickte das Roß zusammen, stürzte und brach den Hals. Ein Wunsch war dahin, und der Reiche war wütend. Er schnallte von dem toten Tiere Sattel und Zeug los und trug das eine Strecke, aber gar nicht weit, da ward es ihm zu schwer, und wurde ihm furchtbar heiß, und da wünschte er wieder: Wenn nur das verdammte Gepäck daheim war und meine Frau, die mir diesen Ritt geraten, auf dem Sattel säße!

      Zwei Wünsche waren dahin, der Sattel und Zaum nebst Gebiß und Steigbügel und Schabracke — alles war fort — und der Geizige atmete freier; ein Glück, daß er nicht noch einmal wünschte und daß seine Frau kein Wünschelweiblein war, denn daheim saß sein Weib fest im Sattel und hatte die Reitpeitsche in der Hand, wußte nicht, wie ihr geschah, und wünschte ihren Mann, seinen Gaul und sein Sattelzeug alles zum bösen Voland.

      Wollte der Reiche wohl oder übel, so mußte er seine Frau wieder frei und ledig wünschen, da war auch der dritte Wunsch dahin.

      Des Nachbars nagelneues Haus drüben stand hell glänzend im Sonnenschein und war das schönste des Dorfes.

      Neugierig öffnete der Reiche den Sack — hätte er nur das nicht getan. Im Sacke stak — des Nachbars Armut, die kam jetzt über ihn wie ein gewappneter Mann.

      Die Kuhhirten

      Einst ging ein Wanderer über eine Wiese. Da hörte er von weitem im Geröhrig einen seltsamen dumpfen Ruf, der oft hintereinander ausgestoßen wurde, als ob ein Rind brülle, und konnte sich gar nicht erklären, von wem das Getöne herrühre und was es zu bedeuten habe. Nach einer Weile kam der Wanderer zu zwei alten Kuhhirten, die hüteten nachbarlich ihre Herden auf der weiten Wiese. Diese fragte der Wanderer, was das Tönen bedeute.

      Da antwortete der eine alte Kuhhirt: »Ich will es Euch sagen. Was dort im Schilfe so schreit, das ist der Rohrtumb, auch Rohrtrummel genannt.«

      »Oh, er hat gar viele Namen«, setzte der andere alte Kuhhirte hinzu. »Er heißt auch Ur-Rind, Moor-Rind und Mooskuh. Vor Zeiten ist selber Brüller ein Hirtenknecht gewesen, aber ein schrecklich fauler, deshalb ist er in einen Vogel verwandelt worden, und das ärgert ihn so sehr, daß er immerfort brüllt, absonderlich des Nachts, da stößt er seinen Schnabel in das Wasser und brüllt wie ein Stier, daß man es eine Stunde weit hören kann, damit zeigt er Regen an.«

      »Selt ist richtig«, nahm wieder der erste Kuhhirte das Wort, »aber mit dem Knecht wird es anders erzählt. Es waren der Kuhhirten zwei, wie unserer auch zwei sind, sie waren aber nicht alle zwei beide zusammen. Der eine hütete seine Kühe auf den grünen fetten Wiesen im Tale, der andere aber auf einem hohen und dürren Berge. Daher wurden die Kühe des ersteren auf den blumigen Wiesen sehr munter und mutig und gaben viel Milch — die Kühe des Hirten auf dem Berge aber, wo der Herr zwar Gras wachsen läßt, das aber auch danach ist — wie jener Schulmeister in der Kollekte sang —, und wo der Wind mehr mit dem Sande als mit Blumen spielt, die wurden sehr matt und sehr mager und gaben wenig und nur himmelblaue Milch, wie sie mehr blauen Himmel als grünes Gras sahen.

      Eines Abends, als beide Kuhhirten nach Hause treiben wollten, da hatten die muntern und mutigen Kühe auf der fetten Wiese keine Lust nach Hause, und war unter ihnen eine bunte Kuh, die lief in entgegengesetzter Richtung davon, und die andern Kühe alle folgten ihr, da schrie der Kuhhirte, so laut er schreien konnte: ›Bunte h‘rum! Bunte h‘rum!‹ aber es half ihm all sein Schreien nichts. Die magern Kühe des Hirten droben auf dem Berge hingegen, die hatten sich vor Hunger und Ermattung hingelegt und mochten nicht aufstehen oder vermochten‘s zuletzt auch nicht, da schrie der Kuhhirte aus Leibeskräften: ›Up! up! up! up!‹ meinte damit, sie sollten aufstehen, standen aber doch nicht auf, dieweil sie nicht konnten, und nun schrien die Hirten drunten und droben um die Wette, der eine ›Bunte h‘rum, Bunte h‘rum‹ — der andere ›up! up! up!‹ — und Nacht und Tag und Tag und Nacht, bis ihnen der Odem ausging und die Seele aus dem Halse fuhr, und da sind sie beide zu Vögeln geworden, der Wiesenhirte zum Rohrtumb und der Berghirte zum Wiedehopf, und schreien nun noch immer so fort.«

      So erzählte der Kuhhirte dem Wanderer, und der wußte nun, was das Gebuller im Geröhrig zu bedeuten habe, und wenn er von einem Berge herab den Ruf up! up! up! vernahm, da wußte er auch, was das für ein Vogel war, der also schrie, nämlich der ohnehin verrufene Kuckuckslakai und Kuckucksküster, der Vogel Wiedehopf.

      Das Unentbehrlichste

      Vor Zeiten hat einmal ein König gelebt, der hatte drei gute und schöne Töchter, die er sehr liebte und von denen er auch herzlich wiedergeliebt wurde. Prinzen hatte er nicht, aber es war in seinem Reiche herkömmlich, daß die Thronfolge auch auf Frauen und Töchter überging, und da des Königs Gemahlin nicht mehr am Leben war, so stand dem Könige frei, eine seiner drei Prinzessinnen zu seiner Nachfolgerin auf dem Throne zu bestimmen, und es brauchte gerade nicht die älteste zu sein. Da aber nun derselbe König seine Töchter alle drei gleich liebte, so fiel ihm die Entscheidung schwer, und er ging mit sich zu Rate, diejenige zu wählen, die den meisten Scharfsinn offenbare. Diesen Entschluß teilte er seinen drei Töchtern mit und bestimmte seinen nahe bevorstehenden Geburtstag zur Entscheidung. Die sollte Königin werden, welche ihm »das Unentbehrlichste« bringen werde.

      Jede der Prinzessinnen sann nun darüber nach, was wohl das Unentbehrlichste sei, und als der Geburtstag da war, nahete zuerst die älteste, brachte ein feines purpurnes Gewand getragen und sprach: »Gott der Herr läßt den Menschen nackend in die Welt treten, aber er hat ihm das Paradies verschlossen, darum ist ihm Gewand und Kleidung unentbehrlich.«

      Die zweite Tochter brachte, auf einem goldenen gefüllten Becher liegend, ein frisches Brot, das sie selbst gebacken, und sprach: »Das Unentbehrlichste ist dem staubgeborenen Menschen Trank und Speise, denn ohne diese vermag er nicht zu leben, darum schuf Gott Früchte des Feldes, Obst und Beeren und Weintrauben und lehrte die Menschen Brot und Wein zu bereiten, die heiligen Symbole seiner Liebe.«

      Die jüngste Tochter brachte auf einem hölzernen Tellerchen ein Häufchen Salz dar und sprach: »Als das Unentbehrlichste, mein Vater, erachte ich das Salz und das Holz. Darum haben schon alte Völker den Bäumen göttliche Ehre erwiesen und das Salz heilig gehalten.«

      Der König war über diese Gaben sehr erstaunt und nachdenklich, und dann sprach er: »Am unentbehrlichsten ist dem Könige der Purpur, denn hat er den, so hat er alles übrige, geht er seiner verlustig, so ist er König gewesen und ist gemein, gleich andern Menschenkindern. Darum, daß du das erkannt, meine älteste geliebte Tochter, soll dich nach mir der königliche Purpur schmücken; komm an mein Herz, empfange meinen Dank und meinen Segen!«

      Als der König nun seine älteste Tochter geküßt und gesegnet, sprach er zu der zweitältesten: »Essen und trinken ist nicht allerwege notwendig, mein gutes Kind, und es zieht uns allzusehr in das Gemeine herab. Es zeigt gleichsam die mittelmäßige Menge an, den großen Haufen. Gefällst du dir darin, so kann ich es nicht hindern, wie ich dir auch nicht danken kann für deine übel gewählte Gabe, doch für den guten Willen sollst du gesegnet sein.« Und der König segnete seine Tochter, aber er küßte sie nicht.

      Dann wandte er sich der dritten Prinzessin zu, die bleich und zitternd stand und ahnete, nach dem, was sie gesehen und gehört, was kommen werde.

      »Du hast wohl Salz auf deinem hölzernen Teller, meine Tochter«, sprach der König, »aber im Gehirn hast du keins, lebst aber doch, und folglich ist das Salz nicht unentbehrlich. Salz braucht man nicht. Du zeigst mir Bauernsinn mit deinem Salze an, nicht Königssinn, und am steifen hölzernen Wesen habe ich kein Wohlgefallen. Darum kann ich dir nicht danken und dich nicht segnen. Gehe von mir, so weit dich deine Füße tragen, gehe zu den dummen und rohen Völkern, welche, anstatt den lebendigen Gott, alte Holzklötze und Baumstöcke anbeten und das verächtliche Salz für heilig halten!«

      Da wandte sich die jüngste Königstochter weinend von dem harten Vater ab und ging hinweg vom Hofe und aus der Königsstadt, weit,


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