Verwehte Spuren. Franz Treller
dem Wind, welcher die Hütte umsauste, das Nahen der Fremden nicht — riefen die Ankommenden laut nach dem Wirt.
Einen Augenblick verstummte das Gespräch drinnen und nach einiger Zeit erschien des Wirtes breitschultrige Gestalt in der Türe, in der Hand ein brennendes Holzscheit tragend.
Der eine der beiden Ankömmlinge fragte: »Könnt Ihr zwei hungrige Reisende und zwei Pferde aufnehmen, Herr Wirt?«
Ohne zu antworten, betrachtete der Besitzer des Blockhauses ganz gelassen die Fremden, indem er sie mit dem hoch erhobenen Holzbrand beleuchtete. Die Musterung mußte zu ihren Gunsten ausgefallen sein, denn er entgegnete: »Kann sein, wenn ihr euch zu behelfen wißt. Ist nicht viel Platz da, Leute.«
»Wissen uns zu behelfen, Mann.« sagte die frühere Stimme wieder, deren Aussprache der englischen Laute man es anhörte, daß sie von einem Nichtengländer gesprochen wurden, »schafft Tier und Mensch eine Ruhestätte, und wir sind zufrieden.«
»Sollt‘« haben, Leute. Jim!« rief er ins Dunkel hinein, und alsbald erschien im Lichtschein, der durch die geöffnete Tür aus dem Innern der Hütte fiel, ein ruppig aussehender Bursche.
»Nimm den Gentlemen die Pferde ab und bringe sie in den Stall. Stroh und Mais sind genug vorhanden,« setzte er hinzu. Die Reisenden nahmen jetzt rasch den Pferden Sattel und Mantelsack ab und folgten, während die Tiere nach dem Stall geführt wurden, der Einladung des Wirtes in das Innere des Raumes, in welchem sich die Farmer befanden.
Als die Fremden den einigermaßen erleuchteten Raum betraten, wurden sie von allen Seiten mit prüfenden Blicken angestarrt. Auch der Wirt schenkte ihnen erneute Aufmerksamkeit. Der Vorangehende war ein Mann von hoher, jugendlich schlanker Gestalt, aus dessen edel geformtem Gesicht, welches den Ausdruck männlicher Offenheit als Stempel trug, zwei blaue Augen freundlich hervorleuchteten. Ein blonder Schnurrbart zierte die Oberlippe und verlieh dem Antlitz etwas Kriegerisch-Kräftiges.
Die Mitte der Zwanziger konnte er kaum überschritten haben. Eine Joppe, hirschlederne Beinkleider und bespornte Reitstiefel bildeten seine nur einfache Tracht, doch gab die Haltung unleugbar den Mann von Stande zu erkennen. Bewaffnet war er mit einer Büchse und einem Hirschfänger, welchen er am Gurt um die Hüften trug. Ueber die Schulter fiel ein echt schottischer Plaid. Der andre, ein wettergebräunter, markiger Bursche, war ähnlich ausgerüstet in Kleidung und Waffen, durfte aber seinem männlicheren Aeußern nach wohl zehn oder mehr Jahre älter sein als sein Gefährte. Die Dienstbeflissenheit, mit der er jenem Sattel und Mantelsack abnahm, als sie das Zimmer betreten hatten, ließ darauf schließen, daß er sich zu ihm in untergeordneter Stellung befand. Das Gespräch der Farmer war mit dem Eintritt der Fremden verstummt.
»Guten Abend, Gentlemen,« grüßte der junge Mann die schweigend ihn anstarrenden Waldmänner.
Der Gruß wurde kaum erwidert, doch der Fremde, dem wahrscheinlich solche Verkehrsformen nicht neu waren, schien dadurch wenig berührt und sah sich gleichmütig nach einem Platze um, auf dem er sich niederlassen könne, während sein Blick flüchtig die Gruppe, welche um den Kamin lagerte, überflog.
Der Wirt wies ihm und seinem Begleiter zwei Holzklötze am Ende des Raumes als Sitze an und begab sich dann ruhig wieder hinter seine Bar.
Nachdem die rauhen Bursche, welche die Mehrzahl der Gäste bildeten, ihre Neugierde befriedigt hatten, fuhren sie in ihrem Gespräche fort, als ob die Ankömmlinge nicht vorhanden seien.
»War ein mörderischer Schurke, der Battle, hatte mehr als ein Leben auf seinem Gewissen. Habe auch keinen Zweifel, daß er uns vor drei Jahren oben am Manistee die roten Hunde auf den Hals gehetzt hat, hatte mit den blutigen Indianern immer heimlich zu tun.«
»Kann sein. Mußte weg, der Mann, war Zeit.«
Sie schwiegen eine Weile und unterdes überflog des Fremden Auge den Raum und die herkulischen Gestalten der Männer, die sich in so großer Zwanglosigkeit dort niedergelassen hatten, bis sein Blick an dem Indianer haften blieb, der immer noch ruhig in der gegenüberliegenden Ecke kauerte. Der rote Mann erregte des Fremden besonderes Interesse.
Die Farmer schenkten fortan den beiden Fremden scheinbar nicht die geringste Aufmerksamkeit, obgleich hie und da ein scharfer Blick sie streifte.
Diese hatten etwas Mundvorrat aus ihren Mantelsäcken gelangt, sich vom Wirt einen Becher Toddy mischen lassen und verzehrten ruhig ihr Abendbrot.
Bill Jones erhob sich und sagte: »Denke, Männer, ist Zeit, an die Heimreise zu denken, mein Weg ist der weiteste.«
»Will euch raten, Gentlemen,« nahm der Wirt das Wort, »bleibt hier bis zum Tageslicht. Ist eine dunkle Nacht, und der Whisky kein guter Reisebegleiter.«
»Ei, Grover, möchtest uns hier behalten, alter Ohiomann. Steh‘ noch fest in den Schuhen,« lachte jener, wankte aber dabei, trotzdem er sich Mühe gab, gerade zu stehen, merklich hin und her. »Hatte schon mehr geladen als heute und meine Beß hat mich glücklich heimgebracht zu meiner alten Lady.«
»Wie ihr wollt, Männer, meinte es gut.«
»Wissen das, Grover, bist eine ehrliche Haut,« sagte der alte Steward und erhob sich, »schläft sich aber am besten unter eigenem Dach.«
Auch die andern standen auf — doch wie sich zeigte, waren alle mehr oder weniger angetrunken, einige sogar recht sehr. Der Whisky und das lebhafte Gespräch hatten gemeinsam diesen Zustand bewirkt. Indem sie sich rüsteten, um heimzureiten, erhob sich draußen wüstes Geschrei aus rauhen Kehlen: »He! Hip! Raus, Wirt! Schläft das alte Opossum? Raus — Gäste kommen!«
Alle horchten den Rufen. Dann nahm der Wirt wie vorher einen Feuerbrand aus dem Kamin und trat in die Türe. Vor sich sah er drei Reiter, gekleidet und bewaffnet wie die Gäste im Innern.
»Schläfst du, Wirt? Altes Rakoon —«schallte es ihm rauh entgegen. »Flink, nimm die Pferde — wollen bei dir übernachten.«
Die Reiter sprangen aus den Sätteln, warfen die Zügel dem herbeikommenden Jim zu und schritten nach dem Eingang, in welchem breit der Wirt stand, mit ernstem ruhigem Gesicht die neuen Gäste prüfend. Er machte durchaus keine Anstalt, die Türe freizugeben, so daß der Vorangehende sagte: »Willst du nicht Platz machen, Mann? Denke, Gäste sollten dir willkommen sein, wohnst einsam genug!«
Gelassen entgegnete der Wirt: »Denke, Gentlemen, ist am besten, geht ein Haus weiter, kann euch zur Nacht nicht aufnehmen.«
»Das wäre?« sagte der erste wieder, ein hochgewachsener kräftiger Mann mit kurzem dunklem Vollbart und verwegenem Gesichtsausdruck. »Wollen dich bezahlen, Mann, sind Greenbacks da.«
»Sage euch, Gentlemen, habe kein Nachtquartier — ist ein Fakt.«
Der Mann, der augenscheinlich nicht ganz nüchtern war, stieß einen grimmigen Fluch aus und machte Miene, sich den Eingang zu erzwingen, als ihn einer der hinter ihm Stehenden zurückzog und ihm zuflüsterte: »Keinen Streit. Gib Ruhe. Laß mich machen. Wir müssen die Pferde füttern und tränken.«
Der zweite trat dann vor und sagte höflich zu dem kaltblütig dreinschauenden Wirt: »Es tut uns leid, daß wir bei Euch nicht Aufnahme finden können, denn mir haben einen langen Ritt hinter uns. Entschuldigt meines Gefährten rauhe Weise, es ist seine Art so, aber es klingt schlimmer, als es gemeint ist.«
Der Wirt blickte ruhig den Sprechenden an, erwiderte aber nichts.
»Könnt Ihr uns nicht Herberge geben, Mann, so gebt uns wenigstens einen Schluck und laßt die Pferde tränken und füttern, wollen dann ein Haus weiter gehen.«
»Sollt‘s haben, Leute, kommt herein,« sagte Grover und gab Raum.
Die drei eben Angekommenen traten ein. Alle zuckten merklich zusammen, als sie unerwartet die Farmer vor sich sahen, denn diese hatten sich während des Zwiegesprächs draußen lautlos verhalten, so daß ihre Anwesenheit die eintretenden Männer überraschte. Derjenige jedoch, welcher den Wirt in so höflicher Weise eben angeredet hatte, sagte ruhig: »Guten Abend, Gentlemen.«
Der Gruß wurde nicht erwidert, doch waren aller Augen auf die Männer gerichtet.
»Bei