Der Frauenmörder. Hugo Bettauer

Der Frauenmörder - Hugo  Bettauer


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Not oder Schicksal irgendwo zufällig sind. Ich kann also nicht nach den Mädchen suchen, sondern nur nach dem Mann, und das nur dadurch, daß ich ergründe, wie und auf welchen Wegen er zu seinen Bräuten gekommen ist. Da gäbe es nun allerlei Möglichkeiten. Er kann sie in Konditoreien, Kaffeehäusern, Nachtlokalen, Tanzsälen kennen gelernt haben. Unwahrscheinlich, erstens, weil nach den Schilderungen der Vermieterinnen alle diese Mädchen einen durchaus soliden Eindruck machten, zweitens, weil der Kerl ja mit zehntausend Weibern hätte anbandeln müssen, um gerade jene herauszufinden, die Geld haben, vollständig allein stehen und geeignet sind, ihm ins Garn zu laufen. Nein, der Mann muß sozusagen unbeschränkte Wahl gehabt haben, er muß in der Lage gewesen sein, ganz unpersönlich und sachlich Mädchen herauszusuchen, die für ihn passen. Also schränken sich die weiteren Möglichkeiten auf zwei ein: Erstens auf berufsmäßige Heiratsvermittler, zweitens auf die Zeitungsannonce. Da ich aber nicht, um mich wie jener bekannte Bankier auszudrücken, ein Vogel bin, der auf zwei Stellen gleichzeitig sein kann, will ich zunächst der einen Möglichkeit nachgehen.«

      Die nächsten Tage verbrachte Krause restlos bei Berliner Heiratsvermittlern. Die Frau Buchholz und die Frau Schulz, der Herr Dattelbaum und die Frau Pfefferminz, die Grün und die Blau und wie sie alle heißen, wurden von ihm als Heiratskandidat besucht. Er stellte sich immer als Ingenieur vor und erzählte immer dieselbe Geschichte. Er sei auf der Eisenbahn mit einem Herrn bekannt geworden, dessen Namen er sich leider nicht mehr entsinne. Dieser Herr habe sich eben durch Vermittlung der verehrten Madame verlobt, und zwar mit einem reizenden Mädchen, das nicht nur etwas Geld, sondern auch den besonderen Vorzug habe, ganz allein, ohne Anhang dazustehen. Er selbst möchte auf dieselbe Art sein Glück machen und spreche eben deshalb vor.

      Auf diese Art und in längerem Gespräch erfuhr Krause dann fast immer die Namen der Glücklichen, die durch die Vermittlerin in der letzten Zeit »zusammengebracht« worden waren; er bekam Personsbeschreibungen der Freier und der Bräute, aber immer wieder mußte er sich enttäuscht entfernen. Es kam unter den Mädchen keine vor, die eine der Verschwundenen hätte sein können, unter den Bräutigamen war keiner, den man für einen Mörder halten konnte.

      Nach acht Tagen war Krause überzeugt, daß er auf diese Art zu keinem Resultat kommen würde, und schließlich schien es ihm auch höchst unwahrscheinlich zu sein, daß der Blaubart unvorsichtig genug gewesen sein konnte, sich durch eine geschwätzige Heiratsvermittlerin gefährden zu lassen. Und so entschloß er sich, die zweite und letzte Möglichkeit zu ergründen. Gleich der erste Schritt sollte ihm einen entscheidenden Erfolg bringen.

      »Idylle an der Havel«

      Der »Berliner Generalanzeiger« war das Blatt der Heiratsannoncen. Der Jüngling, der Seelenfreundschaft braucht, der reifere Mann mit Bedarf nach Mitgift, die einsame Jungfrau, die Witwe, der Vater, der anders seine Töchter nicht anbringen kann, sie alle pflegten ihre Schmerzen, Sehnsüchte und Hoffnungen dem »Generalanzeiger« anzuvertrauen und viele tausend Ehen waren vielleicht im Himmel geschlossen, aber im »Generalanzeiger« angebahnt worden.

      Zeitlich morgens, als noch wenige Leute die Annoncenschalter des »Generalanzeigers« belagerten, begab sich Krause dorthin. Seine Arbeit wurde wesentlich dadurch erleichtert, daß jeder Schalter nur bestimmte Gruppen von Anzeigen behandelte. Hier konnte man nach Hauspersonal inserieren, dort seine alten Sachen anpreisen und der Schalter Nummer fünf war den Heiratsannoncen reserviert. Krause zeigte der ältlichen, mit einer Hornbrille bewaffneten Dame, die hier den Liebesgott spielte, sein Abzeichen und bat sie um eine kurze Unterredung. Mit kurzen Worten erklärte er ihr, um was es sich handelte, und stellte dann seine präzisierte Frage:

      »Der Mann, den ich suche, dürfte im Laufe des Monats Juni, vielleicht auch noch etwas früher, seine Annoncen aufgegeben haben. Diese Annoncen dürften sehr verlockend gewesen sein, da es ihm ja um möglichst viele Antworten zu tun war. Sicher hat er auch schockweise Briefe bekommen. Außerdem war dieser Mann blond, hatte einen Kneifer und machte einen recht guten Eindruck. Mehr weiß ich nicht und alles Weitere hängt von Ihrem guten Gedächtnis ab.«

      Fräulein Lieblein war Feuer und Flamme, ballte die Fäuste und schoß Wut aus den kurzsichtigen Augen.

      »So ein Schuft, so eine Bestie! Oh, wenn ich etwas dazu tun könnte, ihn aufs Schafott zu bringen, wäre ich direkt glücklich!«

      Sie stemmte die Bleifeder gegen das spitze Kinn und dachte angestrengt nach.

      »Gerade der Juni ist ein starker Monat gewesen, weil der Frühling so spät kam. Da werden ja die Menschen wie toll und möchten um jeden Preis heiraten!«

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