Südamerika. Friedrich Gerstacker

Südamerika - Friedrich  Gerstacker


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in Rio de Janeiro, denn dort sollte einer bedeutenden Anzahl von Uebelständen abgeholfen oder was nicht zu heben war, doch wenigstens gebessert werden.

      Unsere Reise selbst bot wenig Merkwürdiges; am 13. April kamen wir in Sicht der schroffen, kahlen, baumlosen Berge der capverdischen Inseln – es war San Nicholas – am nächsten Morgen fuhren wir, gerade mit Sonnenaufgang und bei herrlicher Beleuchtung der massenhaften Lavaabhänge, an dem gewaltigen und hohen Vulkan der Insel Fogo vorüber. Es ist ein kahler, kolossaler Kegel, ohne die mindeste, von dort aus wenigstens sichtbare Vegetation; nur eine einzige menschliche Wohnung erkannten wir am Fuße des Berges.

      Wir näherten uns jetzt scharf dem Aequator, und am Sonntag, den 15. April, kam auch schon die Anmeldung des unausweichlichen Neptun, und zwar durch seine eigene Gemahlin Amphitrite, die mit einem Begleiter – »Neptuns sein Barbier,« wie ihm auf dem Rücken stand, zu uns an Bord stieg.

      Sie frugen bei dem Capitän, nach üblicher Sitte, an, wann Neptun selber erscheinen dürfe, seinen Tribut einzufordern, und wurden auf den nächsten Sonntag, an dem wir uns der Linie ziemlich nah befinden mußten, beschieden.

      Ich habe mehre Schweinefische – tüchtige Burschen von circa 200 Pfund Gewicht harpunirt, leider aber waren wir bis jetzt noch nicht glücklich genug, auch nur einen einzigen von diesen an Bord zu bekommen – die meisten rissen, wenn wir sie fast schon sicher zu haben glaubten, von der Harpune aus und schlugen in See zurück, und bei einem brach sogar eine starke eiserne Harpune ab.

      Das Harpuniren dieser Fische ist übrigens schon an sich selber eine höchst interessante Jagd. Der Schweinefisch (wahrscheinlich der sogenannte Delphin der Alten, da ein wirklicher Delphin nie groß genug gefunden wäre, den Arion an’s Land zu tragen, und diese »Springer« auch der Beschreibung eher entsprechen) durchstreift, besonders bei frischer Brise, wenn das Schiff rasch durch’s Wasser geht, die See in zahlreichen Schaaren. Die Fische springen dann vorzüglich gern dicht vor dem Buge her und spielen in den schäumenden, hochaufspritzenden Wellen, denen sie sich oft, mit dem ganzen Körper über Wasser, vorausschnellen. Der Harpunirende aber steht vorn – ebenfalls vor dem Bug des Fahrzeugs, in den Ketten des Stampfholzes, unter dem vorstehenden Klüverbaum und wartet bis ihm einer der lebendigen, herüber und hinüberschießenden Schaar zum sicheren Wurfe kommt. Unter dem Bugspriet muß dabei ein Block festgemacht seyn, in welchem das an die Harpune geschlagene Tau läuft. An diesem Tau stehen an Bord Leute, des Rufs gewärtig, und sobald der Fisch die Harpune hat, ziehen sie in möglichster Schnelle denselben über Wasser, damit die Fluth, gegen die er jetzt angerissen wird, das Gewicht nicht noch vermehrt, das die schwache Harpune überdieß schon zu halten hat. Zu gleicher Zeit muß ein Matrose draußen ebenfalls eine Schlinge bereit halten, sie dem Gefangenen, sowie er ihn nur erreichen kann, um den Schwanz zu werfen. Dieser aber schlägt dabei aus Leibeskräften um sich, und müht sich unausgesetzt – durch sein bedeutendes Gewicht höchst nachdrücklich unterstützt – wieder loszukommen.

      Es läßt sich denken, daß es dadurch mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, einen solchen gewaltigen Fisch an Bord zu holen, und wir haben fünf auf diese Art schon förmlich verloren.

      Das Fleisch des Schweinefisches ist ziemlich gut und es lassen sich besonders vortreffliche sogenannte Beefsteaks davon bereiten. Das Harpuniren ist, obgleich der Fisch im vollen Sprung getroffen seyn will, keineswegs sehr schwierig, doch gehört eine sichere Hand und etwas Uebung dazu.

      Mitten zwischen dem Jubel und Lärm der Passagiere ging aber in der nämlichen Zeit ein Mann herum, der sich um Alles das nicht kümmerte, die Stellen vermied, wo lustige Leute beisammen waren, und stets still und abgeschieden finster brütend und mit seinen eigenen, jedenfalls traurigen Gedanken beschäftigt, an irgend einem einsamen Plätzchen saß, wo er das auch immer aufsuchen mußte.

      Der Mann hatte das Heimweh. – Mir war er wohl schon lange aufgefallen, aber ich glaubte immer, er leide vielleicht noch an den Folgen der Seekrankheit, von der er sehr mitgenommen worden; eines Tages aber kam er mit thränenden Augen zu mir, und bat mich, ich möchte doch um Gottes Willen den Capitän dahin zu bewegen suchen, daß er ihn mit dem nächsten Schiff, was uns begegne, zurück nach Deutschland schicke. – Er habe leichtsinnig gehandelt – er habe eine Frau und drei Kinder daheim zurückgelassen, während ihm jetzt die Erinnerung an sie das Herz zerreiße und er blutige Thränen weinen möchte, wenn er an den Abschied von den Seinen dächte, wo ihm die Kleinen um den Hals fielen und ihn baten, daß er nicht von ihnen gehen möchte. – Er sähe jetzt ein daß er unrecht, daß er unverantwortlich gehandelt habe, und sey auch sein kleines Capital, was er auf die Reise gewandt, nun verloren, so wolle er doch lieber den letzten Pfennig daran wenden, wieder zurückzukommen und dann im Vaterland, bei den Seinen Tag und Nacht arbeiten, das Verlorene wieder einzubringen.

      Als sich dem Mann erst einmal der starre Schmerz gelöst, als er Worte gefunden hatte, gerieth er fast außer sich und die Thränen stürzten ihm die bleich gehärmten Wangen nieder. Ich that allerdings Alles, was in meinen Kräften stand, ihn zu trösten, was aber konnte ich ihm als Trost sagen. Ein Schiff zu finden das ihn zurücknähme, darauf durfte er gar nicht rechnen, denn wenn wir wirklich eines trafen, wie das auch später geschah, so hätte ihn das gar nicht so ohne weiteres aufnehmen dürfen, und Alles was ich ihm rathen konnte war, sich den Schritt den er gethan, noch einmal recht zu überlegen und dann, wenn wir nach Rio kämen entweder alle trüben Gedanken bei Seite zu werfen und in das Leben das er sich jetzt einmal gewählt, mit beiden Füßen zugleich hineinzuspringen, oder – wenn er fühle daß er Unrecht gehandelt habe und den Schritt bereue, oder auch nicht im Stande sey die Trennung zu ertragen, von Rio de Janeiro aus, wo er fast jeden Tag Gelegenheit habe, wieder heimzukehren in die Arme der Seinen.

      Der Mann beruhigte sich endlich; als wir einige Tage später ein Schiff trafen, erwähnte er nichts weiter von seiner früheren Absicht und noch vor Rio antwortete er mir auf meine Frage danach, daß er sich entschlossen habe seinen Plan durchzuführen und nach Californien zu gehen. Als er aber später in Rio de Janeiro die heimwärts bestimmten Schiffe sah, und gar Menschen sprach die sich darauf freuten nun bald wieder zu Hause bei den Ihrigen zu seyn, da mochte das Heimweh wohl wieder mit der alten gewaltigen Kraft ausgebrochen seyn und alle seine anderen Entschlüsse über den Haufen geworfen haben. Er nahm seine Sachen vom Bord des Talisman und ging als Passagier an Bord des dorthin bestimmten Schiffes, nach Bremen zurück.

      Wir befanden uns jetzt ziemlich unter der Linie und kamen auch unter die hier fast unvermeidliche Windstille; die Hitze hatte ich mir aber viel schlimmer gedacht, denn bei einem kaum bemerkbaren Luftzug war sie ganz erträglich, und selbst ohne diesen kaum drückend. Am heißesten Tag hatten wir im Schatten 27° Réaumur.

      Eines der vielen Seemährchen ist es, daß die Schiffe bei Windstille unter dem Aequator alle halbe Stunden oder alle Stunden mit Wasser begossen werden müssen, wenn sie nicht springen sollten; unsere Decks wurden nur Morgens wie gewöhnlich gewaschen, Regenschauer sind übrigens hier gewöhnlich häufig und besonders in der Nacht störend, wo die Schläfer an Deck fast jede Nacht durch einen Guß geweckt und in ihre dunstigen Cojen mit den nassen Betten hinabgeschickt wurden. Denen, welche die Linie passiren und die Nacht gern, trotz des Regens, an Deck schlafen wollen, will ich übrigens ein Mittel nennen, wie sie auch, trotz eines recht tüchtigen Regengusses, in der freien Luft trocken ihren Platz behaupten können. Sie müssen vor allen Dingen eine Hängematte haben und mögen diese nun aufspannen wo sie wollen, darüber hin aber, und zwar von oben nach unten ziehen sie ein schwaches Tau, und über dieses hängen sie ihre wollene Decke, oder noch besser, ein großes Stück getheerter Leinwand, das sie nur bei heftigem Winde gegen die Wand hin zusammenbinden müssen, und der stärkste Regenschauer kann ihnen nichts anhaben. Während die anderen mit ihren nassen Decken und Matrazen in Cajüte und Zwischendeck hinunterrutschen und taumeln, liegen sie kühl und trocken unter ihrem Regendach. Die Schädlichkeit der Mondstrahlen unter dem Aequator haben wir auch noch nicht empfunden; ich schlafe jetzt schon seit dem 45° nördlicher Breite im Freien, – und ein großer Theil der Passagiere mit mir, seit wir unter der heißen Zone sind, – und noch befinden wir uns, hie und da ein kleines Unwohlseyn abgerechnet, vollkommen gesund.

      Sonntag den 22. April, ziemlich unter dem Aequator, kam der schon vorher angemeldete Neptun mit Frau Gemahlin und »Barbier;« er wurde vom Capitän freundlich empfangen. Der Gott, der übrigens beiläufig gesagt ein wenig »ruppig« aussah, sprach


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