Münchhausen. Karl Immermann

Münchhausen - Karl  Immermann


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jungen Geldschlingel, die kriegt mit! Ich bin an der Leinwandkammer durchgegangen, der Flachs und das Garn, das Gebild, die Wäsche und alle mögliche Kramerei ist bis unter die Decke gestopft. Und dazu gibt ihr der alte Schabhals noch bare sechstausend Taler mit. Blicken Sie nur um sich; ist es nicht hier, als ob man bei einem Grafen wäre?«

      Während der letzten Reden hatte der verdrießliche Pferdehändler sacht in die Geldkatze gegriffen und den zwanzig Goldstücken, gleichsam gleichgültig tuend, noch sechs hinzugefügt. Der Hofschulze trat wieder in die Türe, und der andre sagte brummend, ohne ihn anzusehen: »Da liegen die sechsundzwanzig, weil es einmal nicht anders sein soll.«

      Der alte Bauer lächelte schalkhaft und sprach: »Ich wußte wohl, daß Ihr das Pferd kaufen würdet, Herr Marx, denn Ihr sucht für den Rittmeister in Unna eins zu dreißig Pistolen, und mein Bräunchen paßt Euch dazu, wie bestellt. Ich ging auch nur in das Haus, um die Goldwaage zu holen, und konnte vorhersehen, daß Ihr Euch unterdessen besonnen haben würdet.«

      Der Alte, welcher in seinen Bewegungen bald etwas ungemein Rasches, bald wieder die größte Bedächtigkeit zeigte, je nachdem das Geschäft war, was er trieb, setzte sich an den Tisch, wischte langsam und sorgfältig seine Brille ab, spannte sie über die Nase und fing nun an, die Goldstücke genau zu wägen. Zwei oder drei musterte er als zu leicht aus, worüber der Pferdehändler ein heftiges Gezeter erhob, welchem der Hofschulze schweigend und kaltblütig, die Waage in der Hand behaltend, zuhörte, bis der andre statt der verworfenen vollwichtige hervorholte. Endlich war die Sache beendigt, der Verkäufer packte bedächtig das Geld in ein Papier und ging mit dem Pferdehändler nach dem Stalle, um ihm das Pferd zu überliefern.

      Der Rezeptor wartete die Rückkunft der beiden nicht ab. »Mit solchem Klotz ist nichts anzufangen«, sagte er, »aber wenn du uns nur nicht so ordentlich auf die Termine bezahltest, wir wollten dich —« Er fühlte nach seinen urkundlichen Papieren in der Tasche, merkte an ihrem Knittern, daß sie noch darin seien, und schlich vom Hofe.

      Aus dem Stalle traten der Roßkamm, der Schulze und ein Knecht, welcher zwei Pferde, das des Roßkammes und die erkaufte braune Stute hinter sich herführte. Der alte Schulze sagte, indem er die letztere zum Abschiede streichelte: »Es tut einem immer leid, wenn man eine Kreatur, die man aufzog, losschlägt, aber wer kann dawider? — Nun, halte dich brav, Bräunchen!« rief er und gab dem Tiere einen herzhaften Schlag auf die runden, glänzenden Schenkel.

      Der Pferdehändler war indessen aufgestiegen und sah mit seiner langen Figur und der kurzen Schoßjacke unter dem breitkrempigen lackierten Hute, mit seinen erbsengelben Hosen über den dürren Lenden und den hochhinaufreichenden ledernen Kamaschen, mit seinen Pfundspornen und mit seiner Peitsche wie ein Wegelagerer aus. Er ritt, ohne Lebewohl zu sagen, fluchend und wetternd davon, die Braune am Leitzaum nachziehend. Keinen Blick wandte er nach dem Gehöfte zurück, die Braune dahingegen drehte mehrere Male den Hals um und wieherte wehmütig, als wollte sie klagen, daß ihre gute Zeit nun vorüber sei. Der Hofschulze blieb, die Arme in die Seite gestemmt, mit dem Knechte stehen, bis der Zug durch den Baumgarten verschwunden war. Dann sagte der Knecht: »Das Vieh grämt sich.« — »Warum sollte es nicht?« erwiderte der Hofschulze, »grämen wir uns doch auch. Komm auf den Futterboden, wir wollen Hafer messen.«

      Zweites Kapitel

Rat und Anteil

      Indem er sich mit dem Knechte dem Hause zuwandte, sah er, daß der Platz unter den Linden schon wieder von neuen Gästen eingenommen war. Diese hatten aber ein sehr verschiedenartiges Ansehen. Denn es saßen da drei bis vier Bauern, seine nächsten Nachbarn, und neben ihnen saß ein bildschönes Mädchen. Dieses bildschöne Mädchen war die blonde Lisbeth, welche im Oberhofe genächtigt hatte.

      Ich werde mich nicht vermessen, ihre Schönheit zu beschreiben; es käme dabei doch nur auf rote Wangen und blaue Augen hinaus, und diese allerliebsten Dinge, so frisch sie sich in der Wirklichkeit halten, sind schwarz auf weiß etwas abgestanden. Es denke sich daher jeder Leser seine jetzige oder ehemalige Geliebte, und jede Leserin blicke in den Spiegel, oder erinnere sich, wie sie an ihrem Brauttage ausgesehen hat, so wird die Lisbeth vor allen Leuten dastehen, wie sie leibt und lebt.

      Der Hofschulze ging, ohne sich vorläufig um die langhaarigen, bekittelten Nachbarn zu kümmern, auf seinen blühenden Gast zu und sagte: »Nun? Gut geschlafen, Mamsellchen?«

      »Prächtig«, versetzte Lisbeth.

      »Was haben Sie denn am Finger? Sie tragen ihn ja verbunden?« fragte der Alte.

      »Nichts«, antwortete das junge Mädchen und errötete. Sie wollte eine andere Unterredung anfangen. Der Hofschulze ließ sich aber nicht irren, ergriff ihre Hand, an welcher sie den Finger verbunden trug und rief: »Es ist doch nicht schlimm?«

      »Nicht der Rede wert«, versetzte Lisbeth. »Als ich Eurer Tochter gestern abend nähen half, fuhr mir die Nadel in den Finger, und da hat er geblutet, das ist alles.«

      »Ei! Ei!« sagte der Hofschulze schmunzelnd, »und wie ich sehe, ist es sogar der Ringfinger; das bedeutet was Gutes. Wissen Sie wohl, daß wenn eine Jungfer einer Braut hilft am Brautlinnen nähen und verwundet sich am Ringfinger, sie noch im nämlichen Jahre auch Braut wird? Nun, ich gratulier‘ schönstens zum schmucken Freiersmann.«

      Die Bauern lachten; die blonde Lisbeth ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern rief fröhlich: »Und wißt Ihr auch meinen Spruch, den ich von der Spröden gelernt habe? Er lautet:

      Soweit der Herr die Lilien kleidet,

      Und auch die jungen Raben weidet,

      Geht mein Hab‘ und Gut;

      Drum, wer nach mir fragen tut,

      Der soll tun nach mir fragen

      Mit vier Pferden vor‘m Wagen!«

      »Und —« fiel der Hofschulze ein —

      »Er soll mich fangen, wie die Maus

      Und angeln, wie einen Fisch,

      Und schießen, wie ein Reh —«

      Ein Schuß fiel in der Nähe. »Sehen Sie, Mamsellchen, das trifft zu«, rief der Alte.

      »Laßt jetzt Eure losen Reden, Hofschulze«, sagte das junge Mädchen. »Ich bin darum bei Euch eingekehrt, um von Euch Rat wegen der Gülten zu bekommen, und den gebt mir also nun auch ohne Scherz und Possen.«

      Der Hofschulze setzte sich, um zu hören und zu reden, in Positur, die Lisbeth zog ein Schreibtäflein heraus und las die Namen der Bauern ab, bei welchen sie in den Tagen zuvor umhergewandert war, um die Rückstände der Zinsen für ihren Pflegevater einzutreiben. Sie erzählte dabei dem Hofschulzen, daß und unter welchen Vorwänden sie sich geweigert hätten, ihre Schuld abzustoßen. Der eine wollte längst bezahlt haben, der andere hatte gesagt, er sei neu auf dem Hofe, der dritte wußte von gar nichts, der vierte hatte getan, als höre er nicht gut, und so fort, so daß das arme Mädchen, wie ein Vöglein, das bei Winterszeit nach Futter fliegt und kein Körnlein aufzupicken findet, von Tür zu Tür leer abgewiesen worden war. Wer aber glaubt, daß diese vergebliche Mühe sie in Kümmernis gestürzt habe, der irrt; ihr konnte nichts etwas anhaben, sie erzählte ihre beschwerlichen Wanderungen mit heitrem Munde.

      Der Hofschulze schrieb mehrere der ihm genannten Namen mit Kreide auf den Tisch und sagte, als sie ihre Liste geschlossen hatte: »Was die andern betrifft, so wohnen die nicht bei uns, über die habe ich keine Macht, und wenn sie so schlecht sind, ihre Pflicht und Schuldigkeit zu verleugnen, so streichen Sie die Schelme nur aus, denn mit Prozessen kriegt man nichts vom Bauer. Aber die in unserer Gemarke wohnen, gegen die werde ich Ihnen zu Ihrem Rechte helfen, dazu haben wir noch Mittel.«

      »Oho!« sagte einer der Bauern halblaut zu ihm; »tut Ihr doch, Schulte, als hättet Ihr immer das Strop im Rockärmel bei Euch. Wann soll die Heimlichkeit vor sich gehen?«

      »Schweigt, Baumschulte, denn solche spöttliche Worte möchten Euch zu Schaden werden«, versetzte der Alte mit Ernst.

      Der


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